Erinnerungen an eine schöne Kindheit
Die Eltern von Anni von Dohlen hatten einen großen Bauernhof in Niklasdorf. Der Gedanke daran ließ sie nicht los. Dort wollte sie immer wieder hin / Serie
Neue Heimat gefunden und einen Augsburger geheiratet
Königsbrunn Wenn Anni von Dohlen an ihre alte Heimat im Sudetenland denkt, dann ist da vor allem der Bauernhof ihrer Eltern. Am 8. Mai 1935 wurde sie als Anni Mattner in Niklasdorf, heute ganz nahe der polnischen Grenze in Tschechien, geboren. Ihre Eltern hatten einen Bauernhof mit zehn Hektar Land, Kühen, Ochsen, Schweinen, Hühnern, Geißen und einem großen Obstgarten. Sie erzählt:
„Bis zu meinem zehnten Geburtstag, dem Tag des Kriegsendes, hatten meine zwei Schwestern und ich eine unbeschwerte Kindheit. Der Hof war bis dahin ein langjähriger Familienbesitz.“Doch dann änderte sich die Lage. Zuerst wurde das Dorf von der russischen Armee besetzt, später kamen die Tschechen. „Mein Vater wurde in ein Arbeitslager eingezogen, während meine Mutter, Großvater und wir Kinder den Hof versorgten. Im Frühjahr 1946 wurde das Anwesen von Tschechen besetzt, einer Familie, die keine Ahnung von Landwirtschaft hatte. Wir mussten zu Großvater in die kleine Wohnung ziehen und durften nur einige persönliche Sachen mitnehmen.“
Von der neuen Besitzerfamilie fühlten sie sich schikaniert und warteten auf die Aussiedlung. „Mit Handgepäck kamen wir im Sommer in die ,Muna‘, das Sammellager für den Transport. Das Sammellager war eine ehemalige Munitionsfabrik im Wald während des Krieges. Hier warteten wir auf unseren Vater. Als die Familie schließlich beisammen war, wurden wir mit unserem Gepäck in Güterwagen verladen. Der Transport ging Richtung Westen über Prag und die tschechische Grenze nach Furth im Wald. Nach zwei Tagen kamen wir in Augsburg an. In der Turnhalle der Georgsschule war das Auffanglager. Viele Menschen warteten, wie es weitergeht. Nach einigen Tagen kam der Bescheid – wir bekamen ein neues Zuhause. Auf Lastwagen verladen unseren Habseligkeiten, ging es Richtung Westen. Wir landeten in Hammel (Neusäß), abgeladen am Straßenrand wie Bettler, warteten wir auf den Bürgermeister. Als erstes Quartier wurde uns der Gasthof Zur Post zugewiesen. Dort blieben wir die ersten Tage, und eine hilfsbereite, liebe Familie bot uns zwei Zimmer im Dachgeschoss an. Möbel wurden gespendet, und das war unser neues Heim. Mein Großvater starb noch im gleichen Jahr.
Zum Glück bekam mein Vater gleich Arbeit im Sägewerk, während Mutter in der Küche des Gasthofs mithelfen konnte. Wir Kinder gingen in die Schule, das waren nur zwei Klassen, einmal eins bis drei und vier mit acht.“Dennoch hätten sie alle einen Beruf gelernt, erzählt Anni von Dohlen weiter – „und so ging das Leben weiter“, weiß sie heute rückblickend.
„Die Eltern haben mit Fleiß und Arbeit ein eigenes Heim geschaffen, das heute noch in unserem Besitz ist.“Von Dohlen hat 1957 einen Augsburger geheiratet und eine Familie gegründet. Jahrzehntelang engagierte sie sich in der katholischen Pfarrei Zum Guten Hirten im Augsmit burger Univiertel, wo sie auch Pfarrgemeinderatsvorsitzende war. Vor einigen Jahren zog sie nach Königsbrunn um. „Mein Wunsch war jedoch, meine alte Heimat zu sehen, und deshalb waren wir 1990 das erste Mal in Niklasdorf. Ein unbeschreibliches Erlebnis. Das Grundstück, den Schulweg, die Schule und die Kirche habe ich wiedererkannt. Unser altes Haus gab es aber nicht mehr. Wir waren nun schon fünf Mal in der alten Heimat – immer wieder etwas Neues. Aber meine neue Heimat ist hier – bei Familie, Freunden und lieben Menschen.“