Vielseitig und immer am Limit
Ralf Engelstätter aus Königsbrunn ist Pädagoge, Musiker und mimt eine Wasserleiche, wenn es sein muss
Königsbrunn Wer dem Leiter des Königsbrunner Jugendzentrums Matrix begegnet, spürt schnell den Tatendrang von Ralf Engelstätter, der nur so vor Ideen sprudelt. Sein Interesse und seine Begeisterung an fast Allem hat ihm in seinem Leben schon viele Türen geöffnet. Der 50-Jährige arbeitete schon als Stuntman und nebenher als Schuhverkäufer. Er war auf dem Fußballfeld anzutreffen, aber auch als Trainer an der Seitenlinie. Mit seiner Band The Mannish Boys rockt er so manchen Saal. Und er stellte die Mendelsche Vererbungslehre auf den Kopf, denn er „vererbte“seinem Vater seine Jogging- und Fahrradbegeisterung. Heute noch radelt Engelstätter senior 15000 Kilometer im Jahr und macht dann auch mal einen Abstecher ins Matrix.
Der ausgebildete Stuntman Engelstätter lief als Nonne gegen einen VW-Bus, sprang von Häuserdächern oder wälzte sich brennend auf dem Boden. Er war auch schon als Wasserleiche im Fernsehen zu sehen trat öfter als Frauendouble beim „Bulle von Tölz“, „Tatort“, „SOKO 5114“und „Gegen den Wind“auf.
Um seinen schmalen Verdienst etwas aufzubessern, arbeitete er nebenher als Spargelverkäufer, Plakatierer oder Schuhverkäufer im Sportgeschäft. Erst als ihm eine Erzieherin namens Birgit den Kopf verdrehte und das erste Kind unterwegs war, suchte sich der Sozialpädagoge einen soliden und besser bezahlten Job. So kam es zur Blindbewerbung bei der Stadt Königsbrunn für die erste ausgeschriebenen Stelle als Schulsozialpädagoge, damals ein Pilotprojekt in Bayern. Ohne großem Konzept startete Engelstätter in der damaligen Hauptschule Nord. Nach 18 Jahren Schulsozialarbeit übernahm der Netz- Engelstätter vor knapp zwei Jahren das neu gebaute Jugendzentrum Matrix als Leiter. Heute ist die Matrix über Bayerns Grenzen hinweg bekannt für ihr einmaliges Konzept und gilt als Modelprojekt für die offene Jugend- und Schularbeit in ganz Bayern. Als aktiver Radler und Mountainbiker trifft man Engelstätter meist mit dem Fahrrad an. Seinen Arbeitsweg von Pfersee nach Königsbrunn nutzt er radelnd als „kreative Phase“.
Seine Begeisterung für die Jugendarbeit wurde während eines Praktikums im Jugendzentrum in der Augsburger Kanalstraße geweckt. Als Grund für seine Bewerbung zum Sozialpädagogikstudium an der Uni nennt er den damals hohen Frauenanteil von 97 Prozent. Für das Jugendzentrum entwarf er den Eintrittstempel „k15“, angelehnt an das ehemalige Polizeipräsidium K14. Die damals zahlreichen Polizeieinsätze vom K14 inspirierten ihn bei der „Namensgebung“. Heute trägt die Jugendeinrichtung den Namen „k15“. Von den jugendlichen Besuchern erhielt der mutige
k15-und Mitarbeiter Engelstätter einen Stuntmangutschein „um endlich einmal an Grenzen zu stoßen“. Aber dem war nicht so. Engelstätter erhielt statt dessen ein paar Aufträge.
Dabei kam ihm bestimmt auch seine körperliche Fitness zugute. Bereits als Kind war er oft auf dem Bolzplatz anzutreffen. Beim TSG Augsburg spielte er auf der 10er Position, machte einen Übungsleiterschein und wechselte nach dem Abitur zur Leichtathletik. Hier entdeckte er seine Marathon-Leidenschaft. Um für diverse Wettkämpfe fit zu sein, spulte er bis zum 23. Lebensjahr ein wöchentliches Laufpensum von 180 Kilometer ab. Und dem Fußball blieb er als B-LizenzTrainer in der Bezirksoberliga, Bayernliga sowie Landesliga treu.
Doch Ralf Engelstätter ist auch nichts ohne The Mannish Boys – oder besser gesagt, The Mannish Boys sind nichts ohne den Namen Engelstätter. 1992 gründete Ralf Engelstätter mit seinem Bruder Jörg, der die Gitarre „teuflisch spielt“, die Rock’n’Roll-Band. Einmal wöchentlich taucht das Trio, zu dem noch Drummer Andy Weidner gehört, im Keller vom Abraxas zur musikalischen Bandprobe ab. Für ihre inzwischen legendären Auftritwerker te – auch mal in knappen Tigerunterhosen – besuchen die Künstler sogar ein Fitnessstudio. Allerdings steckt hinter den Auftritten in Tigerunterhosen keine „EngelstätterGeschichte“, sondern rein zufällig wurden die zum Höhepunkt ihrer Auftritte.
Engelstätters heute 15- und 18-jährige Söhne sehen ihren Vater als Vorbild oder auch als „coole Socke“. Vor 10 Jahren waren es die beiden kleinen Jungs, die der Mama und dem Papa das Rauchen abgewöhnt haben. Das EngelstätterQuartett ist oft gemeinsam anzutreffen. Zusammen als Familie sind sie aktiv oder begleiten sich bei diversen sportlichen Aktivitäten oder Aktionen. Ehefrau Birgit wünscht sich für „ihre Männer“mehr sportliche Coolness und weniger Verbissenheit.
Alle sind ehrenamtlich in der Matrix eingebunden und das mit Leidenschaft. Im Gespräch mit unserer Zeitung lüftet Engelstätter auch, dass Bodenturnen und Schwimmen nicht zu seinen favorisierten Sportarten gehört. Seine „stille“Leidenschaft ist Sudoku, das einzige Spiel auf seinem Handy. Und er liest gerne die Bücher von Tom Sharpe und John Irving. Sein Leitspruch heißt: „Nur ein Genie beherrscht das Chaos.“