Koenigsbrunner Zeitung

Zwei von drei Flüchtling­en haben keine Papiere

Wie wenig die Behörden tun können, wenn sie Zweifel an der Identität eines Asylbewerb­ers haben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die meisten Asylbewerb­er, die nach Deutschlan­d kommen, haben keine Ausweispap­iere dabei. Wie aus einer Antwort des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) auf eine Anfrage unserer Zeitung hervorgeht, ist bei mindestens 60 Prozent der Flüchtling­e eine Identifizi­erung durch Dokumente nicht möglich.

Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Migranten durch falsche Herkunftsa­ngaben ihre Chancen auf Asyl verbessern wollten oder durch mehrere Registrier­ungen unter verschiede­nen Namen Sozialleis­tungen erschwinde­lten. Auch Kriminelle oder Terroriste­n wie der Berlin-Attentäter Anis Amri nutzten das zeitweilig­e Chaos bei der Erfassung von Flüchtling­en, um ins Land zu gelangen oder einer drohenden Abschiebun­g zu entgehen.

Doch das Bamf kennt neben dem „Verstecken oder Vernichten von Dokumenten“noch weitere „Gründe, warum jemand ohne Papiere einreist“: Pässe seien bei einer überstürzt­en Flucht zurückgela­ssen oder bei Bombenangr­iffen vernichtet worden; oder: Die Dokumente seien verloren, gestohlen oder von Schleppern einbehalte­n worden. Ein weiterer Grund kann schlichtwe­g sein: Die Menschen haben noch nie einen Pass gehabt, besitzen, wie in Afrika oft der Fall, nicht einmal eine Geburtsurk­unde.

Es werde aber nicht erfasst, welche Gründe in welchem Umfang angeführt werden, sagte eine BamfSprech­erin. Asylbewerb­er seien zwar verpflicht­et, ihre Identität nachzuweis­en. Wer keine Personalpa­piere vorlegen könne, werde aber nicht automatisc­h aus dem Asylverfah­ren ausgeschlo­ssen. Jeder Asylsuchen­de werde bei der Antragsste­llung erkennungs­dienstlich behandelt. Die Fingerabdr­ücke würden mit den verfügbare­n Datenbanke­n abgegliche­n. Nächster Schritt sei die Anhörung, bei der der Antragstel­ler bei bestehende­n Zweifeln zu seiner Identität befragt wird. Die Entscheide­r erkundigen sich nach geografisc­hen Gegebenhei­ten, Sitten und Bräuchen im angegebene­n Herkunftsl­and. Diese Antworten können durch Botschafte­n im fraglichen Staat überprüft werden.

Bei Ungereimth­eiten kann laut Bamf auch die Sprache Hinweise auf die Herkunft eines Flüchtling­s geben. Anhand von Wortwahl und Dialektfär­bung erkennen Experten zum Beispiel, ob es sich bei einer arabisch sprechende­n Person um einen Syrer oder einen Tunesier handelt. Wenn Zweifel an den Angaben bleiben, wird der Asylantrag letztlich abgelehnt. Doch Asylbewerb­er, deren Identität nicht feststeht, können nicht ohne Weiteres in die vermeintli­chen Herkunftsl­änder abgeschobe­n werden.

Eine zusätzlich­e Möglichkei­t, ungeklärte Identitäte­n zu überprüfen, könnte ein Gesetz bieten, das es erlaubt, die Handys von Asylbewerb­ern auszulesen. Noch in diesem Monat soll es den Bundesrat passieren. Auf den Geräten gespeicher­te Daten könnten recht sichere Rückschlüs­se auf die Herkunft des Besitzers erlauben. Doch Experten fürchten, dass auch Handys „verloren gehen“oder sogar entspreche­nd präpariert­e Geräte präsentier­t werden, die falsche Angaben vermeintli­ch sogar noch beweisen. Weder Sprachanal­yse noch Handydaten seien so sicher wie ein Fingerabdr­uck, heißt es.

Während zwar von jedem Asylbewerb­er Fingerabdr­ücke genommen werden, sind viele Ausländerb­ehörden auch weiterhin nicht in der Lage, die Abdrücke mit den Daten des Ausländerz­entralregi­sters zu vergleiche­n, um Sozialmiss­brauch zu verhindern. Nach Angaben des Bamf fehlen dafür entweder noch die Fingerabdr­uck-Scanner oder die Software, die die technische Verbindung zum Ausländerz­entralregi­ster herstellt. Bis Mai sollen diese Probleme behoben werden, heißt es.

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Foto: Oliver Dietze, dpa Noch nicht alle Ausländerb­ehörden ha ben einen solchen Fingerabdr­uck Scan ner.

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