Die heiße Harnstoff-Spur
Ob Volkswagen-Chef Müller oder Audi-Boss Stadler, beide Manager haben ein Problem, ein Erklärungsproblem. Sie drücken sich um einfache Antworten auf einfache Fragen. Und damit provozieren sie die Staatsanwälte, deren Job es ist, zu ermitteln, welche strafrechtlich relevanten Vorgänge sich im Hause „Volkswagen“zugetragen haben.
Die Razzia in Ingolstadt wirkt wie die Reaktion darauf, dass Volkswagen den Staatsanwälten nicht ausreichend Informationen liefert. Den Ermittlern ist – verständlicherweise – der Geduldsfaden gerissen. Vielleicht stoßen die Juristen bei ihren Untersuchungen auf ein Wort, das für die Recherchetrupps von Handelsblatt und Spiegel im Mittelpunkt der Dieselaffäre steht. Es geht um „AdBlue“, ein Gemisch aus künstlichem Harnstoff und Wasser. Es reduziert giftige Stickoxide. Damit VW und Audi in den USA mit den Dieselfahrzeugen erfolgreich sein konnten, mussten die Anbieter Unmengen an Stickoxiden neutralisieren. Nur so lassen sich die strengen US-Grenzwerte gesetzeskonform einhalten. Große Dieselautos bräuchten demnach große AdBlue-Tanks, um der Schadstoffe Herr zu werden. Genau das – und das werden die Staatsanwälte sicher prüfen – hatten VW- und Audi-Manager wohl verworfen. Platzfressende Harnstoffbehälter sind ein Verkaufshindernis. Bei kleineren Tanks hätten Fahrer häufiger das Zeug nachfüllen müssen. All das mögen Autokäufer nicht. Sie lieben es bequem.
So liegt der Verdacht nahe, dass VW- und Audi-Männer beschlossen haben, die Abgaswerte mit einer Software zu manipulieren, damit die Harnstoffbehälter klein bleiben und AdBlue nur bei Inspektionen nachgefüllt werden muss. Das ist die plausibelste Erklärung für den Abgasbetrug. Es ist höchste Zeit, dass Müller und Stadler das HarnstoffRätsel ganz einfach auflösen.