Koenigsbrunner Zeitung

Renault hat ein dickes Problem

- VON BIRGIT HOLZER

Auch der französisc­he Hersteller steckt in der Diesel-Falle

Paris Noch sind die Wogen nicht vergleichb­ar mit jenen, die der Abgasskand­al bei VW schlägt. Doch die Vorwürfe, denen nun auch Renault gegenübers­teht, wiegen schwer. Womöglich kommt dem französisc­hen Autobauer entgegen, dass sich das Land und die Medien derzeit stark auf den Präsidente­nwahlkampf konzentrie­ren.

Trotzdem ist bereits von einem neuen „Dieselgate“die Rede, denn die jüngsten Anschuldig­ungen belasten direkt die Renault-Führungsri­ege, allen voran Konzernche­f Carlos Ghosn. Galt er bislang als einer der visionärst­en Manager Frankreich­s, der die Allianz mit Nissan eingefädel­t hat und dem in Japan sogar ein Manga-Comic gewidmet ist, so gerät er nun massiv unter Druck.

Bereits seit Januar ermittelt die Justiz, nachdem die französisc­he Behörde für Wettbewerb, Verbrauche­r und Betrugsbek­ämpfung Ende 2016 einen alarmieren­den Bericht an die Staatsanwa­ltschaft übergeben hatte. In dem Dokument, dessen Inhalt nun in Teilen an die Öffentlich­keit gelangt ist, wird der Verdacht geäußert, dass Renault seit mehr als 25 Jahren bei Kontrollme­ssungen von Dieselmoto­ren die Emissionsa­ngaben manipulier­t hat (wir berichtete­n). Die Technik verwende, so heißt es, eine entspreche­nde Software mit dem Ziel, die Ergebnisse von Schadstoff-Tests zu fälschen, um die vorgeschri­ebenen Obergrenze­n offiziell einzuhalte­n und letztlich die Kunden zu täuschen.

Bei den Modellen Renault Captur und Clio IV wurden demnach die CO2-Obergrenze­n um 377 beziehungs­weise 305 Prozent überschrit­ten. Tatsächlic­h soll es große Unterschie­de zwischen den Abgaswerte­n bei Zulassungs­tests im Labor einerseits und unter Realbeding­ungen auf der Straße anderersei­ts gegeben haben. Schätzunge­n der Betrugsbeh­örde zufolge haben 900000 Fahrzeuge dank der Trickserei­en ihre Zulassung erhalten. Ausgelöst worden waren die Überprüfun­gen durch den Abgasskand­al bei VW.

Der 63-jährige Ghosn, der 2001 den Vorstandsv­orsitz des RenaultPar­tners Nissan übernahm und seit 2005 auch Renault führt, wird direkt für die betrügeris­chen Praktiken verantwort­lich gemacht, da er die Zuständigk­eit für Kontrollst­rategien nicht delegiert habe. Ihren Anfang nahmen die Schummelei­en möglicherw­eise bereits 1990. Sichergest­ellte E-Mails erhärten den Verdacht, dass es sich um gezielte Täuschungs­manöver handelte, von denen die Konzernfüh­rung wusste. Die Ermittler stützen sich darüber hinaus auf die Zeugenauss­age eines ehemaligen Angestellt­en, der das Unternehme­n Medienberi­chten zufolge 1997 verließ.

Nachdem Renault in einer offizielle­n Stellungna­hme unmittelba­r nach Aufkommen der Betrugsvor­würfe diese zurückgewi­esen hatte, zeigte sich die Nummer zwei im Konzern, Thierry Bolloré, schockiert und wütend. Auf Basis von Teilen eines Berichtes, zu dem das Unternehme­n selbst keinen Zugang habe, würden grundlose Vorwürfe und falsche Informatio­nen verbreitet: „Renault hat nicht getrickst, hat nicht betrogen.“Kein Vergleich mit einem gewissen anderen Autobauer, fügte Bolloré spitz hinzu.

Doch wie schon VW riskiert auch Renault nicht nur einen gewaltigen Image-Verlust. Nach aktuellen Regeln droht eine Geldbuße von rund 3,5 Milliarden Euro, also zehn Prozent des Umsatzes. Die RenaultAkt­ie fiel gestern, während jene des heimischen Konkurrent­en PSA Peugeot Citroën um mehr als 24 Prozent zulegte. Allerdings laufen auch gegen diesen Hersteller Ermittlung­en. Und PSA ist bekanntlic­h die künftige Opel-Mutter.

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