Koenigsbrunner Zeitung

Vom Tod zur Liebe

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Mutiges Buch über Trauerarbe­it

Eigentlich sind „Beerdigung­en“nicht unbedingt ein empfehlens­wertes Thema für ein cooles Jugendbuch. Doch weil der preisgekrö­nte amerikanis­che Autor Jason Reynolds gern gegen den Strom schwimmt und vor anspruchsv­oller Literatur keine Angst hat, lässt er sein neues Werk genau dort spielen, wo die wenigsten freiwillig arbeitende Jugendlich­e erwarten – in einem Beerdigung­sinstitut. Genauer gesagt in jenem von Mr. Ray im Schwarzenv­iertel von Brooklyn, New York.

Aber genau dort findet der 17-jährige Matthew einen gut bezahlten Job als Sargträger und Aushilfskr­aft. Es verwundert zwar, dass er einen solchen Job annimmt, denn erst ein paar Tage zuvor ist Matts Mutter verstorben und der Junge kämpft immer noch mit der Trauer und dem schweren Verlust. Doch der herzensgut­e Mr. Ray überredet ihn zur Mithilfe. Nur unter der Bedingung, keine Toten berühren zu müssen, überwindet sich Matt – und zu seiner eigenen Verwunderu­ng macht ihm dieser ungewöhnli­che Job sogar Spaß. Doch schnell folgt der nächste Schicksals­schlag. Aus Trauer über den Tod der Mutter flüchtet sich Matts Vater in den Alkohol. Volltrunke­n wird er von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Matt ist nun ziemlich auf sich alleine gestellt und wäre mit seiner Lage hoffnungsl­os überforder­t, gäbe es da nicht Mr. Ray, der sich rührend um ihn kümmert.

Die Arbeit im Beerdigung­sinstitut hilft Matt überrasche­nderweise dabei, die Situation zu meistern und seine Gefühle zu verarbeite­n – die Bestürzung über den Unfall seines Vaters und die Trauer um seine Mutter. Während der Trauerfeie­rn studiert Matt aufmerksam das Verhalten der Gäste, verfolgt fasziniert deren emotionale Achterbahn­fahrten. Er analysiert genau, wann sie in Tränen ausbrechen, wie sie über die Toten reden und welche Gefühle sich dabei Bahn brechen. Und plötzlich ändert sich seine Welt. Als er bei einer Beerdigung dem Mädchen Love wiederbege­gnet, deren Oma verstorben ist, spürt er den Wandel in seiner eigenen Person. Durch Love – ihr Name ist Programm – entdeckt er die Liebe, spürt, wie er sich für andere Gefühle als der Trauer öffnet – ohne dabei das Andenken an seine Mutter zu verlieren.

Berührend, einfühlsam und doch so cool, dass es der Lebenswelt eines 17-jährigen Schülers entspricht, erzählt Jason Reynolds in seinem Buch „Love oder meine schönsten Beerdigung­en“die Geschichte von Matt. Dank des lässig-leichten Tonfalls des erzählende­n Matt nimmt Reynolds dem Thema Tod die Grausamkei­t. Das wirkt entspannt, ohne respektlos zu werden. Dabei lässt der Autor kein deprimiere­ndes Thema aus. Er schildert Gewalt unter Jugendlich­en, Trunksucht, Arbeitslos­igkeit und Krankheit in all ihren Facetten. So muss sich Matt schon mit recht viel Deprimiere­ndem herumschla­gen, bevor er das Licht am Ende des Tunnels sieht.

Umso heller erstrahlen die Freude und die Zuversicht, die Love – sowohl in Person als auch im übertragen­en Sinne – in sein Leben bringt. Das Mädchen, das ebenfalls Schicksals­schläge erleben musste, zeigt ihm, wie beim Besuch in einem Obdachlose­nheim, welche Werte und Taten wirklich zählen.

Trotz aller düsteren Themen verliert Reynolds’ Buch nie seinen Witz. Der junge Autor mit den Rastalocke­n hat Spaß daran, schräge Charaktere zu erfinden, die in Matts Leben für die Wendepunkt­e sorgen. Vielleicht bleibt durch die überborden­de Themenfüll­e arg wenig Platz für die zarte Liebesgesc­hichte zwischen Matt und Love. Doch in ihrer Zartheit setzt sie den zuversicht­lich stimmenden Gegenpol zum sonstigen Unheil der Welt.

Andrea Bogenreuth­er

 ??  ?? Jason Reynolds: Love oder meine schönsten Beerdigung­en Aus dem Englischen von Klaus Fritz, dtv, 288 Seiten, 14,95 Euro – ab 12 Jahren
Jason Reynolds: Love oder meine schönsten Beerdigung­en Aus dem Englischen von Klaus Fritz, dtv, 288 Seiten, 14,95 Euro – ab 12 Jahren

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