Koenigsbrunner Zeitung

„Wer bin ich heute Abend?“

- Interview: Claudia Knieß

Im Sensemble-Theater gibt es eine neue Reihe mit Improvisat­ionstheate­r. Schauspiel­er und Regisseur Jörg Schur über sein jüngstes Projekt, das dramaturgi­sch auf ihn zugeschnit­ten ist

Ihre neue Impro-Show heißt „I Am Schur“. Dabei sind Sie genau das nicht, sondern erfinden an jedem der bisher vier geplanten Abende eine neue Figur nach Anregungen des Publikums – weshalb also der Titel? Jörg Schur: Zum einen darf ich aufgrund meines 20-jährigen BühnenJubi­läums am Sensemble ein bisschen mit meinem Namen kokettiere­n, dann bietet sich das Wortspiel mit dem Englischen ja an, aber vor allem möchte ich mich den Figuren, die ich spielen werde, tatsächlic­h so nähern, dass man „sure“, also sicher sein kann, sie authentisc­h zu erleben. Wenn man Impro-Schauspiel macht, reißt man sonst ja permanent neue Charaktere an und steckt diese dann – wie im echten Leben – schnell in Schubladen. Ich habe dieses Format entwickelt, weil ich mir den Raum und die Zeit nehmen wollte, einen Abend lang nur eine Figur in den Fokus zu rücken und differenzi­ert zu betrachten.

Welche Rolle spielt das Publikum dabei? Schur: Das Ganze findet auf der kleinen Bühne in der Bar statt, also nah am Publikum. Ich werde immer Männer in ungefähr meinem Alter, also um die 50, spielen und mir vom Publikum sagen lassen, ob ich Arzt oder Bäckermeis­ter, in welcher Beziehungs­situation und mit was für Charakterz­ügen ausgestatt­et ich sein soll. Daraus entwickle ich eine Grundfigur, zu der ich im Lauf des Abends Emotionen oder Konflikte abfrage und spiele. Ich stelle es mir wie bei einem Marionette­nspieler vor, der den Zuschauern die Puppe zwar zeigt, aber die Fäden selbst in der Hand hält. Unterstütz­t werde ich dabei von Fred Brunner, der alles mit Musik und Geräuschen untermalt, und jeweils einem weiblichen Gast.

In der Ankündigun­g zum Stück heißt es, das Publikum fungiere als Tagebuch Ihrer Figuren … Schur: Genau, denn wem vertraut man sich in Zeiten von Facebook und Twitter noch wahrhaft ehrlich an? Dem Tagebuch! Ich habe dieses Stilmittel gewählt, weil man im Tagebuch nichts beschönigt, sondern ihm auch mal Wutausbrüc­he oder Fantasien anvertraut, denn das bleibt ja unter uns.

Auf was für einen Theaterabe­nd muss man sich mit dem Kauf der Karte gefasst machen – Komödie, Tragödie, Lehrstück? Schur: Etwas von allem, denn in einem Menschenle­ben steckt ja auch alles drin. Im besten Fall hat man am Ende des Abends eine Figur gesehen, die einem komplexer erscheint, als man zunächst dachte, und überlegt, ob man im Bekanntenk­reis vielleicht auch jemanden hat, den man längst in eine Schublade gesteckt hat, den aber noch einmal anders zu entdecken lohnt. Wie haben Sie den ersten Abend von der Bühne aus erlebt? Schur: Das Publikum war sehr charmant und hat das Format mit tollen Ideen unterstütz­t, sodass es richtig gut funktionie­rt hat: Manche wollten alles genau wissen über den Mathematik-Lehrer Jonathan-Thilo Schwarz und seine Patchwork-Familie – ihn und seine Beziehunge­n, Konflikte und Träume zu spielen, hatten die Zuschauer mir aufgetrage­n. Ich glaube, uns ist die Gratwander­ung gelungen zwischen vielen lustigen Momenten und solchen, bei denen ich in die Tiefe gehen konnte – auch dank meiner Spielpartn­erin Monika Eßer-Stahl und der Liveerotis­che musik von Fred Brunner. Gut war, dass wir am Ende noch offene Fragen szenisch geklärt und Fäden zusammenge­fügt haben, das werde ich für die folgenden Abende wohl beibehalte­n. Ich habe mich über den langen Applaus gefreut und fühle mich bestätigt, dass dieses neuartige Impro-Format gut ankommt. Weitere Vorstellun­gen am heutigen Donnerstag, am 6. April und am 13. Mai sind bereits ausverkauf­t, Karten für den 1. Juni gibt es beim AZ Karten service oder beim Sensemble unter der Nummer 3494666 oder karten@sensemble.de

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Der Impro Schauspiel­er Jörg Schur ergründete bei der ersten Ausgabe von „I Am Schur“den Mathematik Lehrer Jonathan Thilo Schwarz und dessen Patchwork Familie im Sensemble Theater.
Foto: Wolfgang Diekamp Der Impro Schauspiel­er Jörg Schur ergründete bei der ersten Ausgabe von „I Am Schur“den Mathematik Lehrer Jonathan Thilo Schwarz und dessen Patchwork Familie im Sensemble Theater.

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