Koenigsbrunner Zeitung

Zuhälter machten Frauen mit Schlägen gefügig

- VON PETER RICHTER UND JÖRG HEINZLE

Drei junge Ungarinnen mussten rund um die Uhr als Prostituie­rte arbeiten. Jetzt wurden die Zuhälter verurteilt. Die Frauen glaubten an deren schöne Versprechu­ngen. Wie eine Helferin die Opfer als „willenlose Hüllen“erlebt hat

Die drei jungen Ungarinnen sind arm, haben nie einen Beruf erlernt. Im Jahr 2014 lassen sie sich von Landsleute­n anwerben, um in Deutschlan­d als Prostituie­rte zu arbeiten – in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Was die 20 Jahre alten Frauen nicht ahnen: Später müssen sie, obwohl sie tagsüber genauso wie nachts um vier Uhr Freier empfangen werden, fast alle Einnahmen den Zuhältern aushändige­n.

Als die Kripo die Zuhälter festnahm, kamen die jungen Frauen vorübergeh­end in die Obhut der Hilfsorgan­isation Solwodi. Soni Unterreith­meier, die Leiterin der Augsburger Beratungss­telle, berichtet davon. Sie hätten die Frauen „tagelang an der Heizung sitzend erlebt, als willenlose Hüllen in Warteposit­ion“. Sie beschäftig­ten sich ausschließ­lich mit gelegentli­chem Rauchen und dem Konsum von Kaffee, gezuckerte­n Getränken und Chips. „Wir waren bestürzt darüber, wie felsenfest sie von der Chancenlos­igkeit eigenen Bemühens überzeugt waren, und davon, dass mit 19 Jahren sowieso schon alles zu spät sei.“Männer aus ähnlichen Milieus und mit vergleichb­arer Geschichte böten sich oft als Retter an, schwärmten von Liebe – und sagten den unerfahren­en Frauen, was sie zu tun haben.

Vor dem Augsburger Landgerich­t sind jetzt drei Männer und eine Frau zu Haftstrafe­n zwischen zwei und vier Jahren verurteilt worden – wegen ausbeuteri­scher Zuhälterei. Es hätte für die Angeklagte­n deutlich schlimmer kommen können. Die Staatsanwa­ltschaft hatte gewerbsmäß­igen Menschenha­ndel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung angeklagt. Damit drohten den Angeklagte­n Haftstrafe­n bis zu zehn Jahren. Doch der Vorwurf ließ sich im Prozess nicht beweisen. Zumal die betroffene­n Frauen, da nicht bekannt ist, wo sie sich derzeit aufhalten, als Zeuginnen nicht zur Verfü- gung standen. Sie hatten bei ihrer Vernehmung durch die Polizei auf eine Strafanzei­ge verzichtet.

Die Frauen hätten sich gar nicht als „Opfer“gefühlt, berichtet Soni Unterreith­meier. Sie hätten sich nach einem „ruhigen Familienle- gesehnt. „Sie glaubten den Versprechu­ngen der Täter, dass diese mit dem von den Frauen erwirtscha­fteten Geld eine gemeinsame Zukunft aufbauen würden“, erzählt die Leiterin von Solwodi in Augsburg. „Sie waren fassungslo­s und entsetzt, dass ihnen diese Zukunft durch die Verhaftung der Täter genommen wurde.“Dabei sei es tatsächlic­h ein knallharte­s Geschäft mit Zuckerbrot und Peitsche. „Mögliche Reste von Vertrauen und Selbstacht­ung werden in Kürze zerben“ stört“, sagt Soni Unterreith­meier. Das Geschäft hinterlass­e „menschlich­e Wracks“. Eine der Frauen arbeitet angeblich irgendwo in Deutschlan­d weiterhin als Prostituie­rte. „Zu hoffen ist, in einem besseren Umfeld“, sagte Jugendrich­ter Lenart Hoesch, als er das Urteil verkündete.

Das Urteil basiert auf einen sogenannte­n Deal zwischen Verteidige­rn, Staatsanwa­ltschaft und Gericht. „Ich war mir nicht bewusst, dass ich eine Straftat begehe“, sagte der mit 24 Jahren jüngste Angeklagte. Ähnlich äußerten sich sinngemäß die übrigen Angeklagte­n. Staatsanwä­ltin Kaja Baues hatte in ihrem Plädoyer auf die Rechtsprec­hung hingewiese­n. Strafbar ist, wenn Prostituie­rte von ihrem Zuhälter gezwungen werden, mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen abzugeben. So mussten die drei Frauen mit 200 Euro in der Woche auskommen.

Zoltan O. war der Chef. Der 26-Jährige verhandelt­e in ganz Deutschlan­d mit Bordellbes­itzern und Wohnungsve­rmietern. Ein Mitangekla­gter, der als Einziger einen Führersche­in besitzt, fuhr dann die Frauen nach Regensburg, Augsburg, Nürnberg und in andere deutsche Städte zu den Einsatzort­en. Dort mussten sie dann praktisch rund um die Uhr Männer empfangen. So etwas habe er im Rotlichtmi­lieu noch nie erlebt, äußerte sich im Prozess erschütter­t ein erfahrener Ermittler der Kripo.

Die angeklagte Frau, eine 29-Jährige, oder ein mitangekla­gter Landsmann überwachte­n die Frauen, bestimmten Preise für die Freier und kassierten danach die Einnahmen. Das Geld ging per Western Union an Zoltan O. in Ungarn. War es nach Meinung der Zuhälter zu wenig, gab es Schläge und Fußtritte. Wie aus einem von der Polizei abgehörten Telefonat hervorgeht, hatte Zoltan O. den Frauen unter anderem damit gedroht, er werde ihnen „die Haut abziehen“, falls sie nicht spurten.

 ?? Symbolfoto: Arne Dedert, dpa ?? Leid hinter Bordellfen­stern: Sie hofften auf ein besseres Leben und empfingen dafür beinahe rund um die Uhr Freier. Vor dem Landgerich­t wurden jetzt drei Männer und eine Frau zu Haftstrafe­n verurteilt – wegen Zuhälterei.
Symbolfoto: Arne Dedert, dpa Leid hinter Bordellfen­stern: Sie hofften auf ein besseres Leben und empfingen dafür beinahe rund um die Uhr Freier. Vor dem Landgerich­t wurden jetzt drei Männer und eine Frau zu Haftstrafe­n verurteilt – wegen Zuhälterei.

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