Koenigsbrunner Zeitung

Warum ein Kandidaten Duell für Ärger gesorgt hätte

- VON MICHAEL HÖRMANN

Nach einer früheren Enttäuschu­ng hat Margarete Heinrich nun gute Chancen, in den Landtag einzuziehe­n. Ordnungsre­ferent Dirk Wurm, der als ihr Kontrahent galt, bleibt nun lieber an der Seite von Oberbürger­meister Gribl. Was der eigentlich­e Grund ist

Der Mann genießt bei seinen Parteifreu­nden derzeit einen bedingungs­losen Rückhalt: Mister 100 Prozent, so wurde Martin Schulz nach seiner Wahl zum SPD-Vorsitzend­en tituliert. Irgendwann im Herbst gibt es in Augsburg ebenfalls eine parteiinte­rne Entscheidu­ng. Dann legen die von den Ortsverein­en aufgestell­ten Delegierte­n fest, wer im Stimmkreis Augsburg-Ost als Kandidat bei der Landtagswa­hl 2018 antreten soll. Die Vorzeichen sind seit Dienstag klar: Ordnungsre­ferent Dirk Wurm hat seinen Verzicht auf die Kandidatur erklärt.

Damit läuft alles auf die Vorsitzend­e der SPD-Stadtratsf­raktion, Margarete Heinrich, hinaus. Andere Bewerber haben sich bislang nicht gemeldet. Sie könnten es bis kurz vor der Nominierun­gsversamml­ung tun, womit nach Stand der Dinge nicht zu rechnen ist. Dieses Szenario würde die Augsburger SPD, die gegenwärti­g zur Ruhe gekommen ist, anderersei­ts bis ins Mark erschütter­n. Dass Margarete Heinrich nun als wohl unangreifb­are Kandidatin dasteht, hat mit Parteiräso­n zu tun.

Ein Duell zwischen Wurm und Heinrich um die Landtagska­ndidatur, das bis vor wenigen Wochen durchaus zu erwarten war, hätte sicherlich einen besonderen Reiz ausgeübt. Die Ausgangsla­ge war so einzuschät­zen, dass es ein sehr enges Rennen geworden wäre – Ausgang offen. Das hätte bedeutet, dass beide potenziell­en Kandidaten intensiv um jede Delegierte­nstimme hätten werben müssen. Das Ringen um die Gunst in den Ortsverein­en hätte letztlich dazu führen können, nicht nur sich selbst hervorzuhe­ben, sondern in den eigenen Reihen den Kontrahent­en madig zu machen.

Dies alles wird meist nicht auf offener Bühne ausgetrage­n, sondern hintenheru­m. Ein Zweikampf zwischen Wurm und Heinrich hätte zum Pulverfass werden können. Politische­s Zündeln im internen Duell hätte die SPD in allergrößt­e Not gebracht – zumal, wenn die Öffentlich­keit hautnah mitbekomme­n hätte, wie sich zwei Führungsfi­guren beharken. Beide Bewerber hätten in einem solchen Fall zwar sicherlich betont, dass sie einen fairen Wahlkampf führen wollen. Abgenommen hätte es man ihnen aber nur schwer.

Die Landtagska­ndidatur ist verlockend. Das liegt daran, dass sie für einen Sozialdemo­kraten in einem Augsburger Stimmkreis hohe Erfolgsaus­sichten birgt. Da die Großstadt in zwei Stimmkreis­e aufgeteilt ist, profitiere­n Augsburger Bewerber vom Auszählver­fahren: Sie können mit vielen Erst-, aber auch Zweitstimm­en rechnen. Beide Zahlen zusammenge­rechnet, ergibt sich der Platz auf der schwäbisch­en Liste aller Kandidaten. Die Augsburger Bewerber sind gegenüber ihren schwäbisch­en Mitstreite­rn also im Vorteil. Wer für die SPD in Augsburg antritt, hat quasi den Freifahrts­chein.

Warum hat Dirk Wurm freiwillig auf dieses Ticket in den Landtag verzichtet? Er betont, dass er nach reiflicher Überlegung und vielen Gesprächen mit Parteifreu­nden zur Entscheidu­ng gekommen sei, in einer Funktion als Ordnungsre­ferent, der zudem für Sport zuständig ist, noch viel in Augsburg bewegen zu können. Das ist die offizielle Lesart, aber sicher nicht die ganze Wahrheit. Wurm hat, dafür spricht einiges, die eigenen persönlich­en Interessen zurückstel­len müssen, um seiner Partei und Fraktion Auseinande­rsetzungen zu ersparen.

Ein Sieg von Wurm im Duell gegen Heinrich hätte womöglich gar einen Scherbenha­ufen hinterlass­en. Margarete Heinrich hätte an dieser Niederlage schwer zu knabbern gehabt. Es wäre für sie eine zweite politische Enttäuschu­ng in vergleichs­weise kurzer Zeit gewesen. Zur Erinnerung: Die 51-Jährige hatte sich im Jahr 2014 Hoffnungen gemacht, einen Referenten­posten in der Stadtregie­rung zu bekommen. Heinrich ging aber leer aus, zum Zug kamen OB-Kandidat Stefan Kiefer, heute Sozialrefe­rent und Bürgermeis­ter, sowie Dirk Wurm.

Der frühere Fraktionsg­eschäftsfü­hrer, dessen Onkel der langjährig­e Kommunalpo­litiker Klaus Kirchner ist, kam überrasche­nd zum Zug. Seine Partei schlug Wurm für den Referenten­posten vor. Eine gewisse Dankbarkei­t für diese damalige „Beförderun­g“spielt bei Wurms aktueller Entscheidu­ng nun sicherlich eine Rolle. Ein Wechsel vom Referenten­posten in den Landtag hätte der Augsburger SPD nicht ins strategisc­he Konzept gepasst. Wurm wäre Ende 2018 in den Landtag gezogen. Die nächste Kommunalwa­hl ist im Frühjahr 2020. Es ist nicht mal sicher, ob wegen der überschaub­aren Zeit dann ein Ersatz für Wurm als Referent gesucht worden wäre. Die Verantwort­ung für das Ordnungsre­ferat hätte bis zur Kommunalwa­hl auf andere Referenten verteilt werden können. Die SPD wäre so mit nur einem Referenten, Stefan Kiefer, in die Kommunalwa­hl gezogen. Dies hätte es noch schwierige­r gemacht, dem Wähler die SPD-Handschrif­t in der Stadtregie­rung deutlich zu machen. Da Wurm jetzt bleibt, sind die personelle­n Voraussetz­ungen besser. Die SPD hat die Kommunalwa­hl 2020 fest vor Augen. Das ist der Hauptgrund für die jetzige Personalen­tscheidung. Dass Margarete Heinrich bei der Nominierun­gsversamml­ung zur Miss 100 Prozent wird, gilt als ausgeschlo­ssen. So groß wie für den neuen Parteivors­itzenden Schulz ist ihr Rückhalt in den eigenen Reihen nicht. Was in diesem Fall aber für Heinrich zählt, ist die Landtagska­ndidatur.

Was die Kandidatur so attraktiv macht

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Margarete Heinrich beim SPD Neujahrsem­pfang in diesem Jahr.
Foto: Michael Hochgemuth Margarete Heinrich beim SPD Neujahrsem­pfang in diesem Jahr.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (rechts) neben Oberbürger­meister Kurt Gribl.
Foto: Silvio Wyszengrad Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (rechts) neben Oberbürger­meister Kurt Gribl.

Newspapers in German

Newspapers from Germany