Stadt will Betteln mit Kleinkindern nicht dulden
Die Gruppen aus Osteuropa haben immer wieder Kinder dabei, um Mitleid bei den Passanten zu erregen. Wie zwei rumänische Frauen damit auf dem Stadtmarkt ankommen – und was Stadt und Polizei in solchen Fällen tun
Die beiden jungen Frauen halten Kleinkinder auf ihren Armen. Sie gehen durch die Gassen des Stadtmarkts und betteln Besucher an. Ein Kind hat die Augen offen, das zweite, es ist etwa ein Jahr alt, scheint zu schlafen. Die Frauen gehen auch an die Stände. Eine Obstverkäuferin hat Mitleid und gibt ihnen Äpfel, an einem anderen Stand bekommt ein Kind eine Banane. Mit etwas Abstand beobachtet ein junger Mann die Frauen. Er kommt zu einem Obststand hinzu und greift sich einfach eine Orange. Nur weil die Händlerin ihm deutlich zu verstehen gibt, dass sie ihm nichts geben will, legt er die Frucht zurück.
Die Gruppe kommt, das sagt der Mann auf Nachfrage, aus Rumänien. Die beiden Bettlerinnen treten fordernd auf. Wer nichts gibt, bekommt einen bösen Blick ab oder wird auf Rumänisch angemault. Auf dem Stadtmarkt haben die Bettlerinnen an diesem Tag wenig Erfolg.
Wer nichts gibt, der erntet mindestens böse Blicke
Die meisten Besucher reagieren verärgert darauf, dass die Frauen kleine Kinder bei sich haben – und wenden sich teils kopfschüttelnd ab. Eine Marktfrau meint: „Mitleid hab’ ich schon, sie sind ja arm dran.“Dennoch stört das Betteln die Händler, es ist nicht gut für das Geschäft. Eigentlich ist Betteln auf dem Stadtmarkt ohnehin verboten. Trotzdem probieren es Bettler immer wieder. In den vergangenen Wochen waren sie gehäuft dort zu sehen.
Bei der Polizei ist man darüber nicht verwundert. Nach Weihnachten sind meist nur noch wenige Menschen in der Stadt zu sehen, die Passanten um Geld bitten. Erst mit dem Frühjahr kommen auch wieder organisierte Gruppen aus Osteuropa hierher. Das Betteln mit kleinen Kindern sehen weder Polizei noch Stadtverwaltung gern. Kontrolliert werden die Bettler in aller Regel von den Mitarbeitern des städtischen Ordnungsdienstes. Die Polizei kommt meist dann hinzu, wenn es Schwierigkeiten gibt. Wenn ein Bettler sich zum Beispiel weigert, einen Platz vor einem Geschäft zu verlassen, an dem er sich schon seit Stunden aufhält. Wenn er aggressiv reagiert – oder wenn Kinder mit dabei sind. Im Innenstadtbereich gebe es eine städtische Allgemeinverfügung, die das Betteln mit Kindern verbiete, sagt der städtische Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD).
Darüber hinaus sei der Ordnungsdienst angewiesen, in solchen Fällen immer die Polizei hinzuzuziehen. Die Beamten müssen dann prüfen, ob das Kindeswohl gefähr- det ist und im Zweifel das Jugendamt einschalten. Dass ein Kind einer Bettlerin zumindest vorübergehend weggenommen wird, kommt aber so gut wie nicht vor. „Dazu muss es schon konkrete Anhaltspunkte geben, dass es dem Kind nicht gut geht“, sagt Polizeisprecher Michael Jakob. Eine dauerhafte Überwachung durch das Jugendamt ist ebenfalls nur schwer möglich, da die Bettlergruppen nur eine gewisse Zeit bleiben und dann weiterziehen. Ein Massenphänomen ist das Betteln mit Kindern bislang nicht. Seit der Ordnungsdienst im vorigen Jahr seine Kontrollen gegen Bettelbanden verschärft hat, seien zwei solche Fälle bekannt geworden, sagt Dirk Wurm. Auch bei der Polizei heißt es: Es kommt immer wieder vor, aber bislang nicht gehäuft.
Polizei und Stadt haben in den vergangenen Jahren insgesamt einen „enormen Anstieg“von Bettlern verzeichnet. „Es tauchen fast regelmäßig alle zwei bis drei Wochen organisierte Banden auf“, sagt Dirk Wurm. „Im Regelfall halten sich die rumänischen Bettler mehr in der Innenstadt auf, während sich die slowakischen Bettler mehr auf die Randgebiete spezialisieren.“Kasse machen bei den Banden vor allem die Hintermänner. Weil der Ordnungsdienst die Bettler kontrolliert und auch dauerhaft im Auge behält, gelinge es regelmäßig, die Banden innerhalb einer Woche dazu zu bringen, die Stadt zu verlassen, so Wurm. Ziel sei es, dass sie künftig einen Bogen um Augsburg machen.
Viel Geld nehmen die Frauen mit den kleinen Kindern auf dem Stadtmarkt nicht ein. Allerdings haben sie am Ende zumindest eine große Tüte mit Obst gesammelt. So wichtig scheint ihnen das aber nicht zu sein. Eines der Kinder lässt eine halbe Banane fallen, an der außen noch die Schale dran ist. Dennoch bleibt die Banane einfach auf dem Boden liegen, als die Gruppe zur Annastraße weitergeht. »Kommentar