Koenigsbrunner Zeitung

Marwin Hitz ist die Ruhe selbst

Der Schweizer Torhüter zählt seit Jahren zu den Stützen beim Bundesligi­sten. Er erklärt, warum ihn der Abstiegska­mpf nicht nervös macht und was es mit dem Fleck auf seinem Trikot auf sich hat

- VON ROBERT GÖTZ

Der 9. Mai 2015 war einer dieser Tage, an dem für den FC Augsburg alles zusammenpa­sste. Der FC Bayern war längst Meister, drei Tage später stand für die Münchner das Champions-League-Rückspiel gegen Barcelona auf dem Programm. Trainer Pep Guardiola ließ rotieren, für Manuel Neuer stand Pepe Reina im Tor. Gegen den Fünften FCA sollte es reichen. Reichte aber nicht. Reina verschulde­te einen Elfmeter (13.), musste mit Rot vom Platz. Paul Verhaegh scheiterte nicht am eingewechs­elten Neuer, dafür am Außenpfost­en. Raúl Bobadilla sorgte aber mit seinem Siegtor zum 1:0 (71.) für die Sensation. Auch weil FCA-Torhüter Marwin Hitz unüberwind­bar war. Seit 30 Spielen ist das keinem anderen Torhüter mehr in der Allianz-Arena gelungen.

Hitz ist keiner, der sich viel aus solchen Statistike­n macht, doch es ist ein dünner Strohhalm, an den man sich klammern könnte, vor dem ungleichen Duell am Samstag (15.30 Uhr) in der Allianz-Arena. Doch die Vorzeichen sind diesmal anders. Die Formkurve der Bayern zeigt steil nach oben, da kann man gerne bei Arsenal oder Gladbach nachfragen, und der FCA ist nicht auf Europa-League-Kurs, sondern eher im leichten Sinkflug.

Dennoch ist Hitz der Meinung, dass jedes Spiel erst mal gespielt werden muss. Sein Matchplan gegen die Bayern ist simpel: „Wir müssen effektiv im Sturm und in der Abwehr sein. Wir werden vorne wohl nicht viele Chancen bekommen und wir müssen in der Defensive in jeder Minute des Spiels voll da sein. Wenn man zwei, drei Minuten nicht wach ist, kann es zu spät sein.“

Für Hitz ist es derzeit eine Saison wie eine Achterbahn­fahrt. Unter dem defensiv orientiert­en Trainer Dirk Schuster spielte er sechsmal zu null, unter dem risikofreu­digeren Manuel Baum musste Hitz schon jetzt 15-mal hinter sich greifen. In der gesamten Vorrunde waren es 19 Gegentore. Eine Bilanz, die den ehrgeizige­n Torhüter ärgert.

Und diesen Ärger behält er nicht für sich. So sparte er nach dem 0:3 auf Schalke nicht mit Kritik. Der Schweizer ist kein Lautredner, aber sein Wort hat Gewicht. An der neuen Taktik habe es aber nicht gelegen, ist er sich sicher. „Dass unsere Spielweise jetzt anders ist, sieht doch jeder. Aber in diesem Fall hatte es nicht mit der offensiver­en Aus- richtung zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie man Tore bekommt. Es gibt Tore, die kann man nicht verteidige­n, weil einfach alles gut passt beim Gegner.“Auf Schalke, glaubt er aber, „hätte man den einen oder anderen Zweikampf besser führen können“.

Eine Woche später gegen den SC Freiburg lief es besser. Beim 1:1 hatte er kaum etwas zu tun. Hitz erklärt es damit, dass er und seine Kollegen aus Fehlern lernen: „Daran haben wir auch gearbeitet und man hat das Resultat gegen Freiburg gesehen. Wir haben gegen Freiburg nicht defensiver gespielt, aber jeder hat Verantwort­ung übernommen für seinen Gegenspiel­er und wir haben kaum etwas zugelassen.“

Auch weil die taktische Variante mit drei Innenverte­idigern im Gegensatz zur Viererkett­e gegen Schal- ke gut funktionie­rte. Baum gilt als Trainer, der auf die unterschie­dlichen Gegner gerne mit unterschie­dlichen Formatione­n reagiert. Für Hitz kein Nachteil: „Was der Trainer vorgibt, hat Hand und Fuß. Er zeigt uns auf dem Trainingsp­latz und per Video, wie es umzusetzen ist, und dann liegt es an uns. Wir können in jeder taktischen Formation gute Spiele machen. Gegen eine wirklich gute Freiburger Mannschaft hat man das gesehen.“

So wird wohl auch gegen die torhungrig­en Bayern (61 Treffer ist mit Abstand der Topwert der Liga) vor Hitz mit einer Dreierkett­e agiert. Dass womöglich Spieler geschont werden, weil am Mittwoch schon das im Abstiegska­mpf wohl wichtigere Spiel gegen den FC Ingolstadt auf dem Terminplan steht, davon hält Hitz nichts: „Ich habe davon nichts gehört, irgendwelc­he Spieler zu schonen. Hier ist der Trainer der richtige Ansprechpa­rtner. Wir tun gut daran, immer auf das nächste Spiel zu schauen, und klar ist: Wir werden kein Spiel abschenken.“

Im Ringen um den Klassenerh­alt kann der FCA jeden Zusatzpunk­t gebrauchen. Dass derzeit der Abstiegska­mpf in Augsburg plötzlich so thematisie­rt wird, versteht Hitz nicht: „„Darin stecken wir schon seit Anfang der Saison. Wir waren doch nie raus aus dem Thema. Darum ist es auch jetzt für uns keine Überraschu­ng, wenn man nur zwei Punkte Vorsprung auf den Relegation­splatz hat. Aber wir haben genug Erfahrung, um damit umzugehen.“

Hitz zum Beispiel schaut durchaus auf die Tabelle. „Ich rechne schon vor jedem Spieltag, was passiert, wenn wir drei Punkte holen. Ich glaube, es könnte sein, dass diesmal 36 Punkte nicht reichen, um direkt drin zu bleiben. Aber das ist kaum vorauszuse­hen, da viele Teams, die mit hinten drin stehen, noch gegeneinan­der spielen.“Dennoch bleibt Hitz auch in dieser engen Tabellenko­nstellatio­n gelassen. Wie vor jedem Spiel wird er sich am Samstag auf sein Trikot japanische­s Minzöl tropfen, das seine Atemwege frei macht und beruhigend wirkt.

Seit vier Jahren spielt er nun für den FCA, hat sich dort längst in die Spitzengru­ppe der Torhüter vorgearbei­tet. In der Kicker-Torhüterra­ngliste liegt er mit einem Notenschni­tt von 2,86 auf Platz sieben.

Auch in der Schweizer Nationalma­nnschaft gehört er zum Stammperso­nal. Doch im Dreikampf mit Yan Sommer (Gladbach) und Roman Bürki (Dortmund) muss er sich meist hinten anstellen. Zwei Länderspie­le hat er erst absolviert, 24-mal war er ohne Einsatz im Kader. In der vergangene­n Länderspie­lpause war es wieder so. Hitz und Bürki saßen auf der Bank, Sommer spielte beim 1:0 gegen Lettland. „Ich kenne die Situation ja jetzt schon. Ich wusste, dass ich nicht spielen werde. Aber ich freue mich wie jeder andere auch, wenn wir in die Nati einrücken. Aber wenn das Kapitel abgeschlos­sen ist, freue ich mich auch wieder auf den FCA.“

Er hat gelernt, mit seiner Situation umzugehen, auch wenn es ihm schwerfäll­t. „Jeder Spieler, der es in die Bundesliga geschafft hat, hat einen gewissen Ehrgeiz, den kann man nach außen schon unterdrück­en, aber innerlich hat man immer das Ziel zu spielen.“Zumal nächstes Jahr die WM in Russland ansteht. Die Schweiz führt die Gruppe B an, wird wohl dabei sein. Ein Wechsel zu einem Verein, der regelmäßig internatio­nal spielt, würde seine Chancen auf einen Platz zwischen den Pfosten in der Nationalma­nnschaft wohl erhöhen. Sein Vertrag läuft zwar bis 2018, doch mit 29 müsste Hitz jetzt wohl wechseln. Der FCA könnte noch eine Ablöse kassieren. Was dagegen spricht: Für Hitz und seine Frau ist Augsburg zur zweiten Heimat geworden. Hier hat er geheiratet, hier sind seine zwei Kinder geboren. Hitz selbst hält sich bedeckt: „Ich rede über dieses Thema nicht. Ich habe in Wolfsburg nie darüber gesprochen und auch hier vor zwei Jahren nicht, als die Spekulatio­nen hochkochte­n.“Gesprochen hat er 2015 nicht, er hat seinen Vertrag um drei Jahre verlängert.

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Foto: Ulrich Wagner So kennt man Marwin Hitz: Der Schweizer konzentrie­rt sich auf seine Aufgabe.

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