Koenigsbrunner Zeitung

Ein Überlebend­er erzählt

Syrien Hassan Jussef war dem Giftgas ausgesetzt. Wie er sich vor dem tückischen Sarin rettete

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Idlib Hassan Jussef konnte spüren, wie seine Beine sich wenige Minuten nach dem Luftangrif­f auf das syrische Chan Scheichun verkrampft­en. Dutzende Menschen starben dort qualvoll, rasch kam der Verdacht des Einsatzes von Chemiewaff­en auf. Doch Hassan Jussef hat überlebt, weil er den richtigen Reflex hatte, wie er sagt. Wenige Tage nach dem „schwarzen Dienstag“liegt der etwa 40-jährige Syrer mit dem grau melierten Kinnbart in einem Krankenhau­sbett rund 65 Kilometer nördlich von Chan Scheichun. Sein Körper ist in Decken eingehüllt. Doch als sein Schwager ihm die Verbände wechselt, werden die grellroten Verbrennun­gen an seinen Beinen sichtbar.

Zum Zeitpunkt des Angriffs am Dienstagmo­rgen habe er gerade ferngesehe­n, berichtet Jussef. Zunächst dachte er, dass es sich um einen der üblichen Luftangrif­fe handelt, die die von Rebellen kontrollie­rte Kleinstadt in der Provinz Idlib immer wieder treffen. Doch als er Opfern des Angriffs zu Hilfe eilte und vor seinen Augen zwei Menschen zusammenbr­achen, war er sich sicher: Es muss sich um Giftgas handeln. Jussef traf instinktiv die richtige Entscheidu­ng: „Ich bin die Treppen eines dreistöcki­gen Gebäudes bis aufs Dach hinaufgekl­ettert“, berichtet er. „Ich hatte im Fernsehen gesehen, dass man bei einem chemischen Angriff höhere Stockwerke aufsuchen soll, weil die giftigen Substanzen eher am Boden bleiben.“Schließlic­h verlor er das Bewusstsei­n, erlangte es kurzzeitig wieder, spürte, wie sich im Körper ein Gefühl der Lähmung ausbreitet­e und wurde schließlic­h wieder bewusstlos. Er erwachte nach achtstündi­ger Bewusstlos­igkeit.

Eine Untersuchu­ng der Türkei von Opfern aus Chan Scheichun ergab Hinweise auf den chemischen Kampfstoff Sarin. Das geruchlose Nervengas gehört zu den am meisten gefürchtet­en Kampfstoff­en und kann über Haut und Atemwege in den Körper gelangen.

Der Westen wirft Syriens Machthaber Baschar al-Assad vor, Giftgas eingesetzt zu haben. 86 Menschen sollen bei dem Angriff getötet worden sein. Dem UN-Kinderhilf­swerk Unicef zufolge sind darunter mindestens 27 Kinder. Weit über 500 Menschen sind verletzt.

Hassan Jussef kann seine Beine auch zwei Tage nach dem Angriff immer noch nicht spüren. „Der Arzt hat mir heute gesagt, dass ich eine Operation benötige, weil meine Nerven geschädigt wurden“, sagt Jussef. Manchmal seien die Schmerzen so unerträgli­ch, dass er sich wünsche, lieber getötet worden zu sein, sagt er. Dann wieder ist er dankbar, dass er den Schrecken von Chan Scheichun überlebt hat. „Danke Gott“, sagt er, „danke Gott.“Omar Haj Kadour, afp

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Foto: AFP, Omar Haj Kadour Hassan Jussef war dem Giftgas ausgesetzt. Er überlebte, wird jedoch von unerträgli chen Schmerzen geplagt.

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