Koenigsbrunner Zeitung

Der Fall Gurlitt sorgt für Diskussion­en

Der Kunstsamml­er besaß Hunderte gestohlene Werke. Wie deutsches Recht zwischen Besitzer und Eigentümer unterschei­det und welche Folgen das hat, wurde in einem Vortrag in Königsbrun­n deutlich

- VON PETRA MANZ

Königsbrun­n Mit dem Vortrag „Münchener Kunstfund – Macht die Zeit Unrecht zu Recht?“von Dr. Martin Klose von der juristisch­en Fakultät der Universitä­t Augsburg startete die diesjährig­e Vortragsre­ihe Königsbrun­ner Campus.

Auch wenn die Zahl der Zuhörer an diesem Abend klein war, tat dies der Lebendigke­it des Vortrags und dem regen Austausch zwischen Zuhörer und Referenten keinen Abbruch. Denn Geschichte der Sammlung und Umstände der Auffindung, die juristisch­en Verflechtu­ngen und Folgen des Münchener Kunstfunds, der in der Schwabinge­r Wohnung des Kunstsamml­ers Cornelius Gurlitt gemacht wurde und seine Beschlagna­hmung, haben nahezu Krimichara­kter und werfen spannende juristisch­e Fragen auf:

Alles begann laut Klose im Jahr 2010 mit einer Zugfahrt von Zürich nach München und dem Verdacht der Steuerhint­erziehung gegen Cornelius Gurlitt, der dabei 9000 Euro in bar mit sich führte. Dass dann 2012 in Gurlitts Wohnung 1280 Kunstwerke – darunter Gemälde von Monet und Picasso – entdeckt werden, die zumindest zu Teilen der nationalso­zialistisc­hen Raubkunst zuzuordnen sind, bringt den Stein ins Rollen. Erst 2013 wird der Fund öffentlich bekannt. 2014, wenige Zeit nach dem Fund von weiteren 238 Kunstwerke­n in Österreich, stirbt der Kunstsamml­er.

Anschließe­nd erläuterte Klose den Zuhörern die Bedeutung der Unterschei­dung zwischen einerseits „Eigentum“und anderersei­ts „Besitz“, denn Eigentümer und Besitzer einer Sache müssen nicht notwendige­rweise identisch sein. Besitzt jemand eine Sache unberechti­gt, weil er sie beispielsw­eise gestohlen hat, kann der Eigentümer die Herausgabe der Sache verlangen. Dies treffe für einen Teil der Gurlitt-Sammlung zu.

Allerdings kämen, so Klose, hier spektakulä­re zivilrecht­liche Aspekte ins Spiel: Dass der Kunstsamml­er Gurlitt die Gemälde durch „Ersitzung“erworben haben könnte, er sich also während zehn Jahren gutgläubig für den Eigentümer der Sammlung in seinem Besitz gehalten habe, scheide wohl aus. Denn Gurlitt dürfe zumindest eine Ahnung von der Herkunft der Gemälde gehabt haben.

Die unberechti­gte Trennung von Eigentum und Besitz bestehe somit juristisch fort und es könne Herausgabe der Gemälde verlangt werden – wenn da nicht 72 Jahre vergangen wären, so Klose, seitdem die Nationalso­zialisten die Gemälde ihren Eigentümer­n entzogen haben. Denn damit ist der Anspruch auf Herausgabe seit über 30 Jahren verjährt. Gurlitt – obgleich nicht der Eigentümer – konnte die Herausgabe endgültig verweigern.

Eine äußerst unbefriedi­gende Situation! Die Verjährung würde so das von den Nationalso­zialisten begangene Unrecht verfestige­n!

An das Publikum gewandt, knüpfte Klose mit den Kernfragen für seine These an und machte die juristisch­e Absurdität des Rechtsverh­ältnisses deutlich: Welche Befugnisse hat denn nun der Eigentümer eines Gemäldes, das er niemals besitzen wird und wie kann er sie umsetzen? An wen kann er sein Gemälde verkaufen, vermieten und zu welchem Preis? Wieviel ist sein Gemälde wert, wie hoch wäre der Schadenswe­rt, wenn es beschädigt würde? Die Antworten des Publikums spiegelten die kontrovers­en Meinungen der Rechtswiss­enschaftle­r in dieser Frage wider und gaben dem Referenten in seiner Schlussthe­se recht: Eine Verjährung des Herausgabe­anspruchs entwertet das Eigentum. Dieses ist jedoch nach unserem Grundgeset­z geschützt. Damit sei die Verjährbar­keit des Herausgabe­anspruchs verfassung­swidrig. Eine juristisch spektakulä­re Schlussfol­gerung, die im Fall Gurlitt dazu führen könnte, das von den Nationalso­zialisten begangene Unrecht teilweise aufzuheben – wenn sie beim Obersten Gerichtsho­f Gehör fände.

Dass in ihrem nunmehr fünften Jahr die Veranstalt­ungsreihe, eine Zusammenar­beit zwischen dem Königsbrun­ner Kulturbüro und der Universitä­t Augsburg, wieder in den Generation­enpark in der DietrichBo­nhoeffer-Straße zurückkehr­te, freute nicht nur Kulturbüro­leiterin Ursula Off-Melcher. Dies entspreche auch dem Wunsch von Unipräside­ntin Prof. Doering-Manteuffel, die 2013 diese Reihe mit aus der Taufe gehoben hatte.

Eigentum ist durch das Grundgeset­z geschützt

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Foto: Petra Manz Mit einem Vortrag von Martin Klose von der Universitä­t Augsburg startete die diesjährig­e Vortragsre­ihe Königsbrun ner Campus.

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