Koenigsbrunner Zeitung

Die Härte des Management­s

- VON REINHOLD RADLOFF

Der Schwabmünc­hner Schulkurs beschäftig­t sich mit einem brisanten Thema. Es geht um die Problemati­k des Entlassenw­erdens

Schwabmünc­hen Brisanter könnte das Thema gar nicht sein, das der Kurs „Darstellen­des Spiel“des Leonhard-Wagner-Gymnasiums Schwabmünc­hen auf die Bühne brachte. Es heißt: strukturel­le Arbeitslos­igkeit. Neben ganz besonderen Erkenntnis­sen aus dem hochgelobt­en Stück „Top Dogs“von Urs Widmer überrascht die Inszenieru­ng von Kursleiter­in Barbara Ammer das Publikum auch mit besonderen Elementen.

Der Inhalt des 1996 entstanden­en Stücks ist schnell erzählt: Gekündigte Topmanager, die dem normalen Leben stark entrückt sind, versuchen in einer „New ChallengeC­ompany“, ihr neues Leben in den Griff zu bekommen. Dabei erfahren sie, dass es ihnen ähnlich ergeht wie den Personen, die sie früher entlassen haben.

Dodo Deer, zum Beispiel. Er will es einfach nicht wahrhaben, dass er entlassen wurde. Er kommt in ein Outplaceme­nt-Center in der Schweiz und glaubt an eine Zusammenar­beit mit der Firma, ist aber in Wirklichke­it dort, um für eine neue Stelle vermittelt zu werden. Die ehemaligen Topmanager dort verleugnen zunächst alle ihr Problem, mit der Situation nicht fertigzuwe­rden, geben aber später zu, völlig am Boden zerstört zu sein.

In dem Stück zeigt sich, wie hart und unmenschli­ch mit Menschen in und von den Chefetagen umgegangen wird. Da fallen Sätze wie „Chefs sind wie Säue ohne Ethik“oder „der Markt braucht Monster“oder „Management ist Krieg, Blut und Tränen. Da gibt es echte Tote“.

Am härtesten unter den acht verschiede­nen Hauptdarst­ellern scheint es Heinrich Krause zu treffen, der völlig am Boden zerstört ist, Ausschläge und Allergien bekommt, sich und alle anderen umbringen will. Er ist ein einziges heulendes Elend.

Sie weinen und sie werden hysterisch

In einer Therapiest­unde in Kuschelsoc­ken kommen die wahren, tief greifenden Probleme der Manager an den Tag. Sie weinen, sie werden hysterisch, sie erleiden gesundheit­liche Probleme, haben Schwierigk­eiten in der Familie, mit den Nachbarn, aber vor allem mit sich selbst. Da kommen Streit, Unmutsäuße­rungen, ja sogar Mordgedank­en auf. Und das alles, obwohl sich die Firmen von ihren Managern, so sagen sie, im gegenseiti­gen Einvernehm­en getrennt haben.

Und kaum haben die Top Dogs den Kampf in der Firma verloren, geht er im Outplaceme­nt-Center weiter: Wer erhält als Nächster einen adäquaten Job, wer kommt wieder ganz nach oben, darf wieder zur gewohnten Hackordnun­g zurückkehr­en, den üblen Stress wieder erleben? Nur einer der Acht schafft es. Was wird aus dem Rest? Das Stück lässt es offen.

Kursleiter­in, Dramaturgi­n und Regisseuri­n war von Anfang an von dem Stück fasziniert, von der Thematik, von den Möglichkei­ten, die es bietet. „Auch die Schüler haben schnell einen Zugang dazu gefunden, denn sie werden ja bald selbst ins Berufslebe­n wechseln“, erklärt sie. Ihr Problem bestand darin, das Stück auf ihre Schauspiel­gruppe umzufunkti­onieren, was ihr hervorrage­nd gelungen ist. Das Bühnenbild hielt sie absichtlic­h klar, transparen­t, weiß, um die Thematik deutlich wirken zu lassen.

Ungewohnt war für die Zuschauer, dass das Stück an zwei verschiede­nen Orten im Schulhaus spielte, es keine feste Sitzordnun­g gab, keine klar definierte Bühne, sondern einen Laufsteg wie bei Modenschau­en, an dem die Zuschauer saßen.

Begeistert von der Aufführung zeigte sich auch Oberstudie­ndirektor Alexander Pfaffendor­f, der Top Dogs schon aus seiner Schulzeit kannte: „Mich fasziniert­e an der Aufführung, wie das Spannungsf­eld zwischen Mitleid und Schadenfre­ude herausgear­beitet wurde.“

Und tatsächlic­h, den Zuschauern blieb oftmals das Lachen im Halse stecken, die Betroffenh­eit übertrug sich auf sie. Doch am Ende überwog bei ihnen die Begeisteru­ng über die hervorrage­nde Inszenieru­ng und die schauspiel­erische Leistung des Kurses „Darstellen­de Spiel“.

 ??  ?? Sie sind die „Next Generation“, behaupten sie von sich und schmettern in der Szene, die da heißt „Schlacht der Wörter“, Schlagwört­er aus dem Ma nagementbe­reich ins Publikum. Ein wichtiger Bestandtei­l des Stücks „Top Dogs“von Urs Widmer, aufgeführt am...
Sie sind die „Next Generation“, behaupten sie von sich und schmettern in der Szene, die da heißt „Schlacht der Wörter“, Schlagwört­er aus dem Ma nagementbe­reich ins Publikum. Ein wichtiger Bestandtei­l des Stücks „Top Dogs“von Urs Widmer, aufgeführt am...
 ??  ?? In ihrer Traumszene durchlebt die Probantin, wie sie sich mit den Waffen der Frau im Management durchkämpf­en muss.
In ihrer Traumszene durchlebt die Probantin, wie sie sich mit den Waffen der Frau im Management durchkämpf­en muss.
 ??  ?? Auf dem Exerzierfe­ld: Der Kampf darum, wer von den geschasste­n Managern eine neue Stelle bekommt, ist voll entbrannt.
Auf dem Exerzierfe­ld: Der Kampf darum, wer von den geschasste­n Managern eine neue Stelle bekommt, ist voll entbrannt.
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Traumseque­nz: Was geht in den Managern wirklich vor? Was bewegt sie? Was erwar ten sie von ihrem Leben?
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Fotos: Reinhold Radloff Sie freut sich über schauspiel­erische Leistung: Regisseuri­n Barbara Ammer.
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Nein, alles Lüge: Dodo Deer (Luca Fernholtz) versucht der The rapeutin im Outplaceme­nt Center Susanne Wrage (Paula Wei gert) zu erklären, dass er überhaupt nicht entlassen ist.
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Noch bevor das Stück begann, stellte un ter anderem Julia Schips (Bild) in der Eingangsha­lle des Gymnasiums die Uto pie des Menschen in einer neuen Zeit vor.

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