Koenigsbrunner Zeitung

In ihrem Beruf blüht sie auf

- VON PHILIPP KINNE

Annika Fink hat mit der Ausbildung zur Floristin ihren Traumberuf gefunden. Dafür pendelt sie sogar von Österreich nach Deutschlan­d. Weshalb sie sich keinen anderen Job mehr vorstellen kann

Der Weg zum Traumberuf führt für viele junge Menschen über eine Ausbildung. In der Lehrstelle­noffensive unserer Zeitung lassen wir fünf Wochen lang Menschen aus der Region zu Wort kommen, die genau das geschafft haben: mit der Lehre zum Traumjob zu kommen. Oberstaufe­n Eine rote und eine gelbe Primel hätte sie noch gerne. „Und haben Sie dunkelrote Nelken?“, fragt die ältere Dame in der Gärtnerei. Die würden sich gut neben den pinken Frühlingsb­lumen im bepflanzte­n Gartenkorb machen. „Und einen Osterstrau­ß brauche ich auch noch“, fügt die Dame an. Die Auszubilde­nde Annika Fink sieht noch einmal an ihrer Arbeitsste­lle bei der Gärtnerei Stehle in Oberstaufe­n im Kreis Oberallgäu nach und schaut nach den dunkelrote­n Nelken. Sie nimmt sich Zeit, berät die Stammkundi­n ausführlic­h. Seit anderthalb Jahren macht die 19-Jährige eine Ausbildung zur Floristin. Sie hat ihren Traumberuf gefunden.

Blumensträ­uße binden, Osterneste­r herrichten, das Gesteck für ein Hochzeitsa­uto kreieren – es ist die Abwechslun­g, die Annika Fink an ihrem Beruf so reizt. Kein Strauß ist wie der andere, kein Gesteck identisch. Der skurrilste Auftrag? Einmal, erzählt Fink, wollte ein Musikverei­n eine mit Blumen geschmückt­e Tuba. „Mit gelben Gerbera, lachsfarbe­nen Rosen und viel Grün“, erinnert sich die 19-Jährige.

Schon als Kind bewunderte Fink die Blumen im Beet ihrer Großmutter. Sie half ihr bei der Gartenarbe­it, lernte viel über Pflanzen, zeigte Geschick. Heute sagt die 19-Jährige: „Ich wusste schon damals, dass ich gerne einmal in einem Blumengesc­häft arbeiten möchte.“Und doch kam sie über Umwege zu ihrer Ausbildung. Fink lebt mit ihren Eltern und ihren vier Schwestern im österreich­ischen Riefensber­g in Vorarlberg (Bezirk Bregenz). Ein beschaulic­her Ort mit rund 1000 Einwoh- nern, in dem man mit Piercings oder einem Tattoo auffällt. „Aber mir ist das egal“, sagt die 19-Jährige und zeigt auf ihr Blumentatt­oo an der Schulter. „Ich glaube, ich war schon immer ein bisschen anders.“

An ihre Schulzeit erinnert sich Fink gerne: „Weil ich dort jeden Tag meine Freunde gesehen habe.“Doch es war immer schon das Praktische, das ihr mehr lag. Nach der österreich­ischen Hauptschul­e macht sie zunächst eine Ausbildung zur Schneideri­n an einer weiterführ­en- den Schule in Österreich. Das Entwerfen und Schneidern von Kleidern und Jacken macht ihr Spaß. Sie sagt: „Eigentlich konnte ich mich da kreativ ausleben.“Doch die Aussichten auf eine Festanstel­lung als Schneideri­n sind in Österreich schlecht.

Auf der Suche nach einer Lehre zur Floristin, ihrem Kindheitst­raum, wird sie in Österreich nicht fündig. Fink sucht ihr Glück im etwa 13 Kilometer entfernten Oberstaufe­n in Deutschlan­d. Eigentlich kein weiter Weg. Doch es sind mehr als die 13 Kilometer, die zwischen ihrem Heimatort und ihrer heutigen Arbeitsste­lle liegen. „Es ist schon komisch, aber keiner meiner Freunde arbeitet in Deutschlan­d“, sagt Fink. Vielleicht liege das an Vorurteile­n auf beiden Seiten. Außer dem Dialekt und dem Autokennze­ichen würden sich die Menschen jenseits der Grenze aber kaum von den Österreich­ern unterschei­den, meint die 19-Jährige.

An Finks erstem Tag zur Probearbei­t kann sich ihr Chef Thomas Stehle noch gut erinnern. Er sagt: „Sie hat ein freundlich­es Wesen und stellte sich gleich am ersten Tag geschickt an.“Nach dem Probetag sagte der Geschäftsf­ührer der Gärtnerei allen anderen Bewerbern gleich ab. „Ich habe ein Gefühl dafür, wer eine gute Floristin wird.“Seit 90 Jahren gibt es das Familienge­schäft im Allgäu, mittlerwei­le in dritter Generation. Besonders in den letzten Jahren vergrößert­e sich die Gärtnerei mit Blumenlade­n immer wieder. Heute hat Stehle zehn Angestellt­e in seinem Unternehme­n, drei davon in Ausbildung. Das Geschäft laufe gut, sagt er.

Den süßlichen Duft frischer Blumen würde Annika Fink gerne noch lange genießen. Ein anderer Beruf kommt für sie nicht mehr in Frage. Vielleicht, erzählt die Österreich­erin, möchte sie mit einer Freundin einmal ein eigenes Blumengesc­häft eröffnen.

Und dann macht sich die Auszubilde­nde wieder an ihre Arbeit. Der Osterstrau­ß für die ältere Dame wird bald abgeholt. Wie genau der aussehen wird, weiss Fink noch nicht. Zu Ostern aber, sagt sie, passen Narzissen, Tulpen oder Ranunkeln in orange, gelb oder rot.

OUnsere Lehrstelle­noffensive ist eine Aktion mit den Arbeitsage­nturen der Region, der Industrie und Handelskam mer Schwaben und der Handwerks kammer für Schwaben. Die Initiative hat zum Ziel, jungen Menschen zu helfen, ihren Wunschberu­f zu finden.

So wird man Floristin

Schulabsch­luss: Es wird ein Mittelschu­labschluss oder mittlere Reife empfohlen.

Dauer: Die Ausbildung dauert drei Jahre. Bei guter Leistung kann auf zweieinhal­b verkürzt werden

Vergütung: Während der Lehre liegt das Gehalt bei etwa 600 bis 700 Euro brutto. Ein Einstiegsg­ehalt zwischen 1500 und 1800 Euro ist als Florist üblich.

Weiterbild­ung: Nach der Gesel lenzeit ist eine Meisterprü­fung möglich. Wer Abitur hat, kann Floris tik auch auf Lehramt studieren und später als Berufsschu­llehrer arbeiten. (kinp)

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Foto: Matthias Becker Welche Blumen passen in welchen Strauß? Annika Fink kennt sich aus mit Tulpen, Narzissen und Ranunkeln. Sie wohnt in Vor arlberg, ihre Ausbildung aber macht sie in Bayern.
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