„Der Bürgermeister ist immer der Depp“
Andreas Scharf wurde in Graben vor drei Jahren wiedergewählt. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er, was er zur Hälfte seiner zweiten Amtszeit erreicht hat, woran er gescheitert ist und was er noch alles plant
Herr Scharf, Sie sind vor neun Jahren zur Wahl angetreten mit dem Ziel, die Bürger für öffentliche Belange und die Gemeinde zu begeistern. Haben Sie das erreicht? Andreas Scharf: Ich hatte damals keine Ahnung von Wahlkampf. Da muss ich selbst schmunzeln, mit welchem Idealismus ich damals rangegangen bin. Es gibt einen bestimmten Kreis, der bei verschiedensten Veranstaltungen immer präsent ist und sich sehr für die Gemeinde interessiert. Aber die große Masse interessiert sich nur dann, wenn sie persönlich von einer Entscheidung betroffen ist. Mein Erfolg ist also überschaubar (lacht).
Vor drei Jahren war die Ergänzung baulicher Infrastruktur sowie die dauerhafte Steigerung der Lebensqualität ihr Ziel. Wie sieht es damit aus? Scharf: 2014 hatten wir praktisch schon alles. Ein Einkaufsmarkt hat uns noch gefehlt, aber das ändert sich bald. Zudem wäre ein Nachfolger für einen Hausarzt schön. Wir haben auch alles Mögliche versucht, aber da tut sich wenig. In Untermeitingen soll ein Ärztehaus entstehen – das ist zwar dann nicht bei uns im Ort, aber das ist nicht schlimm. Ich sehe niemanden, der zum Arzt läuft – es fahren alle mit dem Auto. Ob die Patienten nun innerhalb Grabens oder nach Untermeitingen fahren, ist fast schon egal.
Welche Bauprojekte sind in den nächsten drei Jahren geplant? Scharf: Wir sind nach dem Bau der neuen Turnhalle bei der Infrastruktur perfekt aufgestellt. Jetzt geht es um die Sanierungsmaßnahmen, beispielsweise die alte Turnhalle und den Pfarrhof. Außerdem wird ein Supermarkt gebaut. Im Idealfall dauert das noch neun Monate, aber eine Bauzeit von einem Jahr ist wegen der komplexen Betriebstechnik doch realistischer. Es ist auch ein neues Wohngebiet geplant.
Welche Zeitschiene gibt es für dieses Vorhaben? Scharf: Das Wohngebiet wollen wir 2018/19 anpacken. Es soll südlich des Edeka-Marktes sowie auf der anderen Seite der Lechfelder Straße entstehen. Geplant sind 35 bis 40 Wohneinheiten; möglich wird das aber erst, wenn die Lärmschutzzonen des Flugplatzes wegfallen.
Wo kann sonst noch Wohnraum geschaffen werden? Scharf: Das ist schwierig, denn der Grundstücksmarkt ist ein großes Wir müssen die Grundstücke von den Landwirten kaufen, aber wenn sie die Einnahmen nicht innerhalb von vier Jahren reinvestieren, müssen sie es sehr hoch besteuern. Das erschwert die Grundstückskäufe.
Gibt es in der Gemeinde eine Wohnungsnot? Scharf: Eine Wohnungsnot haben wir sicher nicht. Es gibt eine Notwendigkeit für Familien mit Kindern, denen die bisherige Wohnung zu klein geworden ist. Allerdings gibt es auch die Generation über 50, wo die Kinder ausgezogen sind und denen das Haus zu groß geworden ist. Die möchten zum Teil ein kleineres Haus bauen, weshalb wir beim nächsten Baugebiet auch diesen Personenkreis berücksichtigen.
Sie haben vor Kurzem gesagt, dass die Kindergartenplätze in Graben ausreichen. Wie ist das, wenn in Zukunft weitere junge Familien herziehen? Scharf: Viele Eltern übergeben die Verantwortung bei der Kindererziehung immer mehr dem Staat. Das ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Ich habe die Hoffnung, dass bald ein Umdenken bei den Eltern einsetzt und sie die Zeit mit ihrem eigenen Kind wieder mehr wertschätzen. Es werden zwar mehr Kinder in den Kindergarten gehen, aber ich gehe davon aus, dass diese Kinder weniger Zeit dort verbringen. Wir haben sechs Kindergartengruppen und sind für nächstes Jahr noch nicht ganz voll – da ist also noch etwas Luft.
Welchen Mehrwert versprechen Sie sich durch einen Umbau des Rathausplatzes? Scharf: Konkret sind das drei Punkte: Die Parkplatzsituation reicht hinten und vorne nicht aus. Die Zahl soll verdoppelt werden, weshalb auch der Brunnen etwas verschoben wird. Die Grünfläche wird zudem etwas verkleinert, damit es auf dem Areal mehr Platz für Stände bei den verschiedenen Veranstaltungen gibt. Außerdem wollen wir durch den Umbau die Sichtverhältnisse und damit die Verkehrssicherheit im Einmündungsbereich der Ulrichstraße in die Lechfelder Straße verbessern.
Ist eine Ausweitung des Gewerbegebiets westlich von Lidl vorstellbar? Scharf: Nein, das verfolgen wir auf keinen Fall. Wir sind in ersten Gesprächen mit Kleinaitingen, denn auf dem Gutshof befindet sich eine Fläche von zwölf Hektar, die wir kaufen und in ein interkommunales Gewerbegebiet einbringen können. Haben Sie die Sorge, dass die Lärmschutzzone wegen der Stationierung des A400M rückgängig gemacht wird? Scharf: Wenn nur 13 der Maschinen dort zwischenzeitlich stationiert werden, dann nicht. Wenn aber ein gewisser regelmäßiger Dauerbetrieb geplant ist, dann müssen sie die Lärmschutzzonen fast wieder anfassen. Ich halte das aber für höchst unwahrscheinlich.
Verliert die Gemeinde durch die Baumaßnahmen nicht die gewachsene Struktur und Identität? Scharf: Das glaube ich nicht. Die Neuausweisungen bei Baugebieten sind sehr überschaubar. Dadurch finden die Neubürger schnell Anschluss an unsere Gemeinde und das Vereinsleben. Der Büchereisonntag ist eine weitere Begegnungs- und Austauschplattform für alle Bevölkerungsgruppen.
Zur bayerischen Tradition gehört eine Wirtschaft, in Graben gibt es solch eine Kneipe quasi nicht mehr. Wie schätzen Sie die Situation ein? Scharf: Das ist tatsächlich ein Riesenproblem und ein ganz heißes EiHindernis. sen. Wir im Gemeinderat wissen auch nicht, was wir dagegen tun können. Vielleicht ist die Nachfrage aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr so hoch. Dass wir als Gemeinde eine Wirtschaft verpachten sehe ich allerdings kritisch – auch wenn es beispielsweise in Untermeitingen mit dem Imhofstüberl gut läuft.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Gemeinden auf dem Lechfeld aus? Scharf: Ich habe bei meinem Amtsantritt 2008 versucht, die Zusammenarbeit auszuweiten. Das war aber schwierig, weil die Offenheit dafür noch nicht sehr ausgeprägt war. Komplett verändert hat sich alles 2014. Wir treffen uns seitdem alle sechs Wochen in der Runde der GEL-Gemeinden (Untermeitingen, Obermeitingen, Klosterlechfeld, Graben) und diskutieren intensiv. Wir überlegen, was wir gemeinsam machen und wo wir effizienter sein können. Wir stellen uns dabei die virtuelle Stadt Lechfeld vor, in der wir quasi als Stadtteilbürgermeister agieren und uns so aufstellen, dass wir alle Bürger gleichermaßen zufriedenstellen. Ist eine Stadt „Lechfeld“irgendwann denkbar? Scharf: Das ist noch ganz weit weg. Die Betonung liegt auf „virtueller“Stadt Lechfeld. Die Mentalität ist in jedem Ort eine andere und die Kompetenz als Bürgermeister würde ich schon aus Eigeninteresse nicht aufgeben (lacht). Die nächsten 50 Jahre wird es meiner Meinung nach also keine Stadt Lechfeld geben.
Planen Sie eine dritte Amtszeit? Scharf: Der Beruf macht mir viel Spaß, auch wenn ich vor der ersten Wahl Angst hatte, dass sich meine Persönlichkeit durch das Amt verändert. Das ist aber nicht geschehen, glaube ich (lacht). Wir haben im Gemeinderat 17 gleichberechtigte Menschen, ich bin nur derjenige, der die Entscheidung nach außen verkaufen muss. Der Bürgermeister ist immer der Depp, bekommt aber andererseits auch Lob, das ihm vielleicht gar nicht zusteht. Ich denke, dass eine weitere Amtszeit noch drin ist.