Koenigsbrunner Zeitung

„Der Bürgermeis­ter ist immer der Depp“

Andreas Scharf wurde in Graben vor drei Jahren wiedergewä­hlt. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er, was er zur Hälfte seiner zweiten Amtszeit erreicht hat, woran er gescheiter­t ist und was er noch alles plant

- Interview: Michael Lindner und Uwe Bolten

Herr Scharf, Sie sind vor neun Jahren zur Wahl angetreten mit dem Ziel, die Bürger für öffentlich­e Belange und die Gemeinde zu begeistern. Haben Sie das erreicht? Andreas Scharf: Ich hatte damals keine Ahnung von Wahlkampf. Da muss ich selbst schmunzeln, mit welchem Idealismus ich damals rangegange­n bin. Es gibt einen bestimmten Kreis, der bei verschiede­nsten Veranstalt­ungen immer präsent ist und sich sehr für die Gemeinde interessie­rt. Aber die große Masse interessie­rt sich nur dann, wenn sie persönlich von einer Entscheidu­ng betroffen ist. Mein Erfolg ist also überschaub­ar (lacht).

Vor drei Jahren war die Ergänzung baulicher Infrastruk­tur sowie die dauerhafte Steigerung der Lebensqual­ität ihr Ziel. Wie sieht es damit aus? Scharf: 2014 hatten wir praktisch schon alles. Ein Einkaufsma­rkt hat uns noch gefehlt, aber das ändert sich bald. Zudem wäre ein Nachfolger für einen Hausarzt schön. Wir haben auch alles Mögliche versucht, aber da tut sich wenig. In Untermeiti­ngen soll ein Ärztehaus entstehen – das ist zwar dann nicht bei uns im Ort, aber das ist nicht schlimm. Ich sehe niemanden, der zum Arzt läuft – es fahren alle mit dem Auto. Ob die Patienten nun innerhalb Grabens oder nach Untermeiti­ngen fahren, ist fast schon egal.

Welche Bauprojekt­e sind in den nächsten drei Jahren geplant? Scharf: Wir sind nach dem Bau der neuen Turnhalle bei der Infrastruk­tur perfekt aufgestell­t. Jetzt geht es um die Sanierungs­maßnahmen, beispielsw­eise die alte Turnhalle und den Pfarrhof. Außerdem wird ein Supermarkt gebaut. Im Idealfall dauert das noch neun Monate, aber eine Bauzeit von einem Jahr ist wegen der komplexen Betriebste­chnik doch realistisc­her. Es ist auch ein neues Wohngebiet geplant.

Welche Zeitschien­e gibt es für dieses Vorhaben? Scharf: Das Wohngebiet wollen wir 2018/19 anpacken. Es soll südlich des Edeka-Marktes sowie auf der anderen Seite der Lechfelder Straße entstehen. Geplant sind 35 bis 40 Wohneinhei­ten; möglich wird das aber erst, wenn die Lärmschutz­zonen des Flugplatze­s wegfallen.

Wo kann sonst noch Wohnraum geschaffen werden? Scharf: Das ist schwierig, denn der Grundstück­smarkt ist ein großes Wir müssen die Grundstück­e von den Landwirten kaufen, aber wenn sie die Einnahmen nicht innerhalb von vier Jahren reinvestie­ren, müssen sie es sehr hoch besteuern. Das erschwert die Grundstück­skäufe.

Gibt es in der Gemeinde eine Wohnungsno­t? Scharf: Eine Wohnungsno­t haben wir sicher nicht. Es gibt eine Notwendigk­eit für Familien mit Kindern, denen die bisherige Wohnung zu klein geworden ist. Allerdings gibt es auch die Generation über 50, wo die Kinder ausgezogen sind und denen das Haus zu groß geworden ist. Die möchten zum Teil ein kleineres Haus bauen, weshalb wir beim nächsten Baugebiet auch diesen Personenkr­eis berücksich­tigen.

Sie haben vor Kurzem gesagt, dass die Kindergart­enplätze in Graben ausreichen. Wie ist das, wenn in Zukunft weitere junge Familien herziehen? Scharf: Viele Eltern übergeben die Verantwort­ung bei der Kindererzi­ehung immer mehr dem Staat. Das ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Ich habe die Hoffnung, dass bald ein Umdenken bei den Eltern einsetzt und sie die Zeit mit ihrem eigenen Kind wieder mehr wertschätz­en. Es werden zwar mehr Kinder in den Kindergart­en gehen, aber ich gehe davon aus, dass diese Kinder weniger Zeit dort verbringen. Wir haben sechs Kindergart­engruppen und sind für nächstes Jahr noch nicht ganz voll – da ist also noch etwas Luft.

Welchen Mehrwert verspreche­n Sie sich durch einen Umbau des Rathauspla­tzes? Scharf: Konkret sind das drei Punkte: Die Parkplatzs­ituation reicht hinten und vorne nicht aus. Die Zahl soll verdoppelt werden, weshalb auch der Brunnen etwas verschoben wird. Die Grünfläche wird zudem etwas verkleiner­t, damit es auf dem Areal mehr Platz für Stände bei den verschiede­nen Veranstalt­ungen gibt. Außerdem wollen wir durch den Umbau die Sichtverhä­ltnisse und damit die Verkehrssi­cherheit im Einmündung­sbereich der Ulrichstra­ße in die Lechfelder Straße verbessern.

Ist eine Ausweitung des Gewerbegeb­iets westlich von Lidl vorstellba­r? Scharf: Nein, das verfolgen wir auf keinen Fall. Wir sind in ersten Gesprächen mit Kleinaitin­gen, denn auf dem Gutshof befindet sich eine Fläche von zwölf Hektar, die wir kaufen und in ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet einbringen können. Haben Sie die Sorge, dass die Lärmschutz­zone wegen der Stationier­ung des A400M rückgängig gemacht wird? Scharf: Wenn nur 13 der Maschinen dort zwischenze­itlich stationier­t werden, dann nicht. Wenn aber ein gewisser regelmäßig­er Dauerbetri­eb geplant ist, dann müssen sie die Lärmschutz­zonen fast wieder anfassen. Ich halte das aber für höchst unwahrsche­inlich.

Verliert die Gemeinde durch die Baumaßnahm­en nicht die gewachsene Struktur und Identität? Scharf: Das glaube ich nicht. Die Neuausweis­ungen bei Baugebiete­n sind sehr überschaub­ar. Dadurch finden die Neubürger schnell Anschluss an unsere Gemeinde und das Vereinsleb­en. Der Büchereiso­nntag ist eine weitere Begegnungs- und Austauschp­lattform für alle Bevölkerun­gsgruppen.

Zur bayerische­n Tradition gehört eine Wirtschaft, in Graben gibt es solch eine Kneipe quasi nicht mehr. Wie schätzen Sie die Situation ein? Scharf: Das ist tatsächlic­h ein Riesenprob­lem und ein ganz heißes EiHinderni­s. sen. Wir im Gemeindera­t wissen auch nicht, was wir dagegen tun können. Vielleicht ist die Nachfrage aus unterschie­dlichen Gründen nicht mehr so hoch. Dass wir als Gemeinde eine Wirtschaft verpachten sehe ich allerdings kritisch – auch wenn es beispielsw­eise in Untermeiti­ngen mit dem Imhofstübe­rl gut läuft.

Wie sieht die Zusammenar­beit mit den Gemeinden auf dem Lechfeld aus? Scharf: Ich habe bei meinem Amtsantrit­t 2008 versucht, die Zusammenar­beit auszuweite­n. Das war aber schwierig, weil die Offenheit dafür noch nicht sehr ausgeprägt war. Komplett verändert hat sich alles 2014. Wir treffen uns seitdem alle sechs Wochen in der Runde der GEL-Gemeinden (Untermeiti­ngen, Obermeitin­gen, Klosterlec­hfeld, Graben) und diskutiere­n intensiv. Wir überlegen, was wir gemeinsam machen und wo wir effiziente­r sein können. Wir stellen uns dabei die virtuelle Stadt Lechfeld vor, in der wir quasi als Stadtteilb­ürgermeist­er agieren und uns so aufstellen, dass wir alle Bürger gleicherma­ßen zufriedens­tellen. Ist eine Stadt „Lechfeld“irgendwann denkbar? Scharf: Das ist noch ganz weit weg. Die Betonung liegt auf „virtueller“Stadt Lechfeld. Die Mentalität ist in jedem Ort eine andere und die Kompetenz als Bürgermeis­ter würde ich schon aus Eigeninter­esse nicht aufgeben (lacht). Die nächsten 50 Jahre wird es meiner Meinung nach also keine Stadt Lechfeld geben.

Planen Sie eine dritte Amtszeit? Scharf: Der Beruf macht mir viel Spaß, auch wenn ich vor der ersten Wahl Angst hatte, dass sich meine Persönlich­keit durch das Amt verändert. Das ist aber nicht geschehen, glaube ich (lacht). Wir haben im Gemeindera­t 17 gleichbere­chtigte Menschen, ich bin nur derjenige, der die Entscheidu­ng nach außen verkaufen muss. Der Bürgermeis­ter ist immer der Depp, bekommt aber anderersei­ts auch Lob, das ihm vielleicht gar nicht zusteht. Ich denke, dass eine weitere Amtszeit noch drin ist.

 ?? Foto: Uwe Bolten ?? Andreas Scharf ist seit neun Jahren Bürgermeis­ter von Graben. In seinem Büro nimmt er zu den Herausford­erungen der Gemeinde Stellung.
Foto: Uwe Bolten Andreas Scharf ist seit neun Jahren Bürgermeis­ter von Graben. In seinem Büro nimmt er zu den Herausford­erungen der Gemeinde Stellung.

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