Dieser Jäger ist des Hasen Freund
Natur Wie es an Ostern bei Meister Lampe und seiner Familie zugeht. Mit Kindergeschichten hat das wenig zu tun
Wehringen Seit fünf Jahren ist KarlHeinz Geißlinger Jäger. Mit Beginn seines Ruhestandes hat er sich diesen Traum erfüllt und setzt seitdem im Raum Wehringen oft auf Rehund Schwarzwild an. Auch so manches andere Tier kann er von seinem Hochsitz aus gut beobachten. Nur eines, das sucht Karl-Heinz Geißlinger vergebens. Den scheuen Osterhasen hat er noch nie entdecken können. Ob es ihn überhaupt gibt? Wenn nicht einmal der Jäger es ganz genau weiß? „Tja, das kann ich auch nicht so genau beantworten“, sagt Geißlinger. Dabei kennt er das Leben von Meister Lampe und seiner Familie ganz gut und fühlt mit ihnen, wenn sie im Winter wenig Futter finden oder er jetzt durch sein Fernglas Junge auf ihre Eltern warten sieht.
Karl-Heinz Geißlinger klärt auf: „Es ist zwar so, dass jetzt im Frühjahr vermehrt Hasen zu sehen sind, aber dass sie, wie in den Kindergeschichten, den Winter verschlafen, um im Frühjahr rechtzeitig zur Osterzeit aufzuwachen, das stimmt nicht.“Und was macht der Hase dann im Winter, wenn er nicht warten muss, bis ihn die Schneeglöcklein mit ihrem Gebimmel wecken? „Unsere Feldhasen halten sich im Winter mit Vorliebe auf den umgepflügten Äckern auf und lassen sich gerne in der Sasse, der Kuhle, die sie für sich und ihre Jungen vertieft haben, einschneien.“Schon früh im Jahr beginnt die Paarungszeit und so wurden jetzt bereits die ersten Hasenjungen geboren. „Die nennt man Märzhasen“, erzählt Geißlinger. „Eine Häsin hat normalerweise drei, seltener viermal pro Jahr zwischen zwei und vier Junge.“
Die glückliche Osterhasenfamilie gibt es also doch um diese Jahreszeit? Ein deutliches „Nein“ist von Geißlinger dazu zu vernehmen. „Die Rammler, also die Hasenväter, kümmern sich nicht um den Nachwuchs“, beobachtet der Jäger. „Die Häsin legt die Jungen oft getrennt voneinander ab und kommt nur zwei- bis dreimal am Tag zum Säugen vorbei. Die übrige Zeit sind die jungen Hasen sich selbst überlassen.“
Sie müssen einiges lernen, bis sie erwachen sind. Aber nicht Farben mischen und Muster malen. Das Hakenschlagen, wie es in Gedichten oft besungen ist, können die kleinen Hasen hingegen von Anfang an. Dafür müssen sie lernen, wo es das beste Essen für sie gibt. Schon nach zwei bis drei Wochen nehmen die Junghasen ein wenig Grünfutter auf. Häsin und Hase sind sowieso die meiste Zeit des Tages damit beschäftigt, sich frische Kräuter zu suchen. „Hasen knabbern mal hier und mal dort“, weiß Karl-Heinz Geißlinger. „Die suchen sich so die leckersten Futterstellen.“
In diesem Frühjahr war es schön warm und sonnig. Ein Osterhase hätte seine wahre Freude daran gehabt, denn der könnte dann seine Eier auf der Wiese vor dem Hasenhaus schön bunt bemalen. Trockenes und sonniges Wetter kommt auch den Feldhasen entgegen, denn Regen und Feuchtigkeit mögen sie nicht. Sie machen sich aber doch nicht wirklich im Sonnenschein auf die Suche nach bunten Farben? „Nein“, lacht der Jäger. „Bei Tag liegen sie meist gut versteckt in ihrer Sasse. Erst in der Abenddämmerung rücken die Mümmelmänner zur Äsung, also zum Fressen aufs freie Feld. Am frühen Morgen kehren die Tiere wieder in ihre Ruhestätten zurück. Sie könnten also wohl am frühen Morgen die Eier verstecken, danach aber nicht den Kindern beim Eiersuchen zusehen.“Denn für die Hasen ist es tagsüber am sichersten im Versteck.
Ihre natürlichen Feinde, zu denen Fuchs, Marder, Iltis, Wiesel, Habicht, Roter Milan und Krähen gehören, haben es dann schwerer, sie zu jagen. Und die weiße Schwanzunterseite, die man im Buch beim Osterhasen immer fröhlich wippen sieht? „Das ist die Blume“, erklärt Karl-Heinz Geißlinger. „Und die ist beim Feldhasen auf der Oberseite schwarz und auf der Unterseite weiß. Bei einem laufenden Hasen erscheint sie also immer schwarzweiß.“Falls man das Tier überhaupt auf dem Feld entdeckt. Der auf der Oberseite rötlich bis gelbbraun gefärbte Hasenbalg ist nämlich für die Tarnung gemacht.
Auf dem Feld sieht man den Hasen also kaum. Das zumindest hätte er dann mit dem Osterhasen gemeinsam. Der ist ja auch nur sehr schwer und äußerst selten zu entdecken, wenn er die Eier und kleinen Geschenke in die Osternester der Kinder im Garten legt. Und wer weiß - wenn er so schwer zu entdecken ist: Vielleicht gibt es ihn ja dann doch! In Jäger Geißlinger hätte er jedenfalls einen fachkundigen Freund gefunden, der diese seltene Art zu hegen und schützen wüsste.