„Journalisten sind kritische Begleiter“
Warum es so wichtig ist, dass über Sportler und Vereine unabhängig berichtet wird
Herr Schaffrath, viele Sportfans lassen sich inzwischen auf ihrem Smartphone per Livestream auf dem Laufenden halten. Kannibalisiert das die klassische Berichterstattung? Michael Schaffrath: Es verändert ein Stück weit die Funktion von Journalismus. Sportjournalismus hat zu tun mit zügiger Informationsübermittlung. Das ist eine ganz klassische Funktion, die er auch in Zukunft erfüllen muss. Aber das Problem für Sportjournalisten besteht darin, dass über neue Anbieter und Privatpersonen diese Informationsfunktion teils übernommen wird. Fußballspieler posten heute auf Facebook, ob sie einen Verein verlassen. Oder die Vereine machen über ihre eigenen Plattformen von der Homepage bis zum Vereins-TV etliches an Informationsverbreitung. Das ist ein Nachteil für Sportjournalisten.
Könnten sie eines Tages ganz überflüssig werden? Schaffrath: Ich glaube nicht. Journalismus ist ja weit mehr als Informationsübermittlung – was oft übersehen wird. Der Sportjournalist ist auch der kritische Begleiter des Spitzensports. Das kann man von den Athleten, Spielern und Vereinen nicht erwarten. Denn für sie ist die Informationsvermittlung ein verlängerter Arm der Public Relations. Sie wollen sich als Person vermarkten; Vereine wollen in einem guten Licht dastehen. Aber die Bewertung, die Einordnung, am Ende auch Kritik und Kontrolle sind die originären Funktionen des Journalismus, die Über den TSV 1860 München, der unbequeme Journalisten ausschließen wollte
keiner ihm abnehmen kann. Insofern hat der Sportjournalismus weiter seine Berechtigung und seine Notwendigkeit für die Sportwelt.
Sie denken wahrscheinlich an die Skandale, etwa bei der Fifa, oder an die Doping-Betrüger? Schaffrath: Das ist am augenfälligsten. Daran knüpft sich die Frage, ob Redaktionen heute noch die finanziellen und personellen Ressourcen haben, um adäquate Dopingberichterstattung zu betreiben oder um Krisen und Skandale aufzudecken. Aber das meine ich nicht nur.
Was noch? Schaffrath: Auch die Einordnung eines banalen Spielertransfers. Im Fußball sind mittlerweile Ablösesummen im Spiel, die jegliche Vorstellungskraft der normalen Menschen übersteigen. Belässt es der Sportjournalist bei der bloßen Nachricht oder schafft er Sensibilität für solche Vorgänge über seine kritische Berichterstattung? Oder denken Sie an Pyrotechnik, Hooliganismus, Fanausschreitungen, Bespucken von Trainern – es gibt so viele Problemfelder im Sportjournalismus,
„Ein Skandal erster Klasse! Am Ende schadet sich der Verein höchstselbst.“ „Dass die Handball WM von der DKB AG ausgestrahlt wurde, ist sehr traurig.“
Über das Versagen von ARD und ZDF, sich die Übertragungsrechte zu sichern
die in vereinseigenen Plattformen oder von Spielern überhaupt nicht thematisiert werden. Aufklärung, Kritik und Kontrolle bleiben wichtige Funktionen, die der Sportjournalismus auch gut erfüllt.
Manchmal reagieren Vereine äußerst empfindlich – wie kürzlich der TSV 1860 München – und versuchen, unbequeme Journalisten auszuschließen. Schaffrath: Ein Skandal erster Klasse! Am Ende schadet sich der Verein höchstselbst. Das ist eine Art von Zensur, die erstens mit dem Grundgesetz kaum vereinbar ist. Und zweitens ist es aus pragmatischen Gründen wenig klug, weil sich an der Stelle, egal wie stark ihre Konkurrenz ist, alle Medien darin einig sind: Das geht nicht.
Die Handball-WM konnte man völlig an den öffentlich-rechtlichen Sendern vorbeiführen. Schaffrath: Dass die Handball-WM per Livestream von der Deutschen Kreditbank (DKB) AG ausgestrahlt worden ist, ist sehr traurig, weil es nicht gelungen ist, in Verhandlungen mit dem Rechteinhaber einen akzeptablen Deal abzuschließen. Damit haben wir es nicht im Fernsehen gesehen. Das Gleiche erleben wir jetzt bei den Olympischen Spielen. Sie werden auf Eurosport gezeigt in Deutschland – in welcher Form, in welchem Umfang, in welcher Qualität muss man abwarten. Dass ARD und ZDF nicht übertragen, ist sicher ein mittleres Sport-Medienbeben. Bei knapp acht Milliarden Euro Gebühreneinnahmen pro Jahr hätten sie die Möglichkeiten gehabt, diese Rechte zu kaufen. Sie haben es über Jahrzehnte ja auch gemacht.
Interview: Alois Knoller