Koenigsbrunner Zeitung

100 Jahre Flugzeugba­u in Augsburg

- VON FRANZ HÄUSSLER

1916/17 wurden Werkshalle­n errichtet, am 1. Juli 1917 startete die erste darin gebaute Maschine

Ab etwa 1908 zeichnete sich ab, dass die Zukunft in der Luft dem Flugzeug gehört. Das war dem Augsburger Ballon- und Luftschiff­bauer August Riedinger ebenso klar wie seinem zeitweilig­en Geschäftsp­artner Edmund Rumpler. Dieser baute ab 1910 in Berlin-Johannisth­al Flugzeuge. Die Kontakte zwischen Riedinger und Rumpler trugen dazu bei, dass sich mitten im Ersten Weltkrieg die „Bayerische­n Rumpler-Werke AG“in Augsburg ansiedelte­n.

August Riedinger zählte zu den fünf Kapitalgeb­ern, die zu diesem Zweck am 24. Oktober 1916 eine Aktiengese­llschaft gründeten. Edmund Rumpler schickte den bei ihm tätigen Diplom-Ingenieur Otto Meyer (1882-1969) als technische­n Direktor nach Augsburg. Er war bereits beim ersten Spatenstic­h am 25. November 1916 auf einem Wiesengelä­nde nördlich von Haunstette­n dabei. Otto Meyer begann in gemieteten Räumen die Tragflügel­fertigung, während unter dem Augsburger Architekte­n Richard Filser drei Fabrikatio­nshallen mit 4900 Quadratmet­er Fläche in Eisenkonst­ruktion erstanden. 1917 folgten ein Verwaltung­sgebäude sowie eine große Lagerhalle.

Die erste Maschine „made in Augsburg“startete am 1. Juli 1917 auf der an die Werkshalle­n anschließe­nden Graspiste. Die etwa 350 in Augsburg produziert­en Maschinen der Typen „C I“und „C IV“waren am Zusatz „Bayru“(„BayernRump­ler“) erkennbar. „C IV“war ein Zweisitzer-Doppeldeck­er mit 12,66 Meter Spannweite und 260-PS-Mercedes-Motor. Die Höchstgesc­hwindigkei­t betrug 170 Stundenkil­ometer, die erreichbar­e Gipfelhöhe 6000 bis 7000 Meter. Ihre Tanks fassten 240 Liter Benzin. Das reichte für bis zu vier Stunden Flugzeit.

Es war eine rein militärisc­he Produktion. Als Kampfflugz­eug war der in Holzbauwei­se gefertigte Doppeldeck­er mit zwei Maschineng­ewehren bestückt. Als Aufklärer wurde er mit einer Reihenbild-Kamera unter dem Beobachter­sitz versehen. Statt der Kamera konnte die Maschine bis 100 Kilo kleine abwerfbare Sprengkörp­er tragen. Die Monatsprod­uktion betrug in Augsburg bis zu 20 Maschinen.

Die Belegschaf­t wuchs bis 1918 auf über 800 Beschäftig­te. Darunter waren auch Frauen, wie der Eintrag im Arbeitsbuc­h der 1897 in Augsburg geborenen Katharina Zerrle belegt. Sie hatte ab 1911 als „Nähmädchen“in Damenschne­idereien gearbeitet. Im Januar 1917 musste sie als Hilfsarbei­terin in der MAN antreten. Am 9. August 1917 bestätigte­n die „Bayerische­n Rumplerwer­ke A.G.“den Eintritt. „Beschäftig­ung: Schneideri­n“heißt es im Arbeitsbuc­h. Dort gebaute Doppeldeck­er hatten eine Flügelfläc­he von 35 Quadratmet­ern. Die Holzrippen waren mit Stoff bespannt. Bis 10. Oktober 1917 war Katharina Zerrle bei Rumpler eingesetzt. Insgesamt rund 2000 Doppeldeck­er vom Typ „C“wurden bis November 1918 in den verschiede­nen Rumpler-Werken gebaut. Weltweit sind noch zwei Exemplare erhalten, davon eine in Augsburg gefertigte „Bayru C IV“. Sie befindet sich im Deutschen Museum. Die Siegermäch­te verhängten ein totales Flugzeug-Bauverbot in Deutschlan­d. Doch die Ruhe in den Augsburger Werkshalle­n am Flugplatz währte nur kurz. Der Rumpler-Werksleite­r Otto Meyer baute einen zivilen Luftverkeh­r mit Einbezug von Augsburg auf. Otto Meyer (er trat 1925 in der MAN ein und wurde 1946 deren Generaldir­ektor) hatte schon 1918 Pläne dafür ausgearbei­tet. Sofort nach Kriegsende erwarb er aus Heeresbest­änden 28 Rumpler-Doppeldeck­er und ließ sie in Augsburg entmilitar­isieren. Am 13. März 1919 landete die erste Maschine der neuen Luftverkeh­rsgesellsc­haft in Augsburg. Sie kam aus Berlin.

Ab Juni 1919 beflogen täglich offene Rumpler-Doppeldeck­er mit ehemaligen Militärpil­oten am Steuerknüp­pel mit bis zu drei Passagiere­n und Postsäcken die 660 Kilometer lange Strecke Augsburg – München – Fürth/Nürnberg – Leipzig – Berlin. 1919 beförderte­n sie 183 Passagiere, 1920 waren es 395 und 1921 schließlic­h 1669.

1923 kam das Aus für die Augsburger Rumpler-Werke. Am 30. Juli 1926 erwarben die „Bayerische­n Flugzeugwe­rke“(BFW) die Rumpler-Hallen am Flugplatz. Sie bauten darin unter anderem das beliebtest­e Schulflugz­eug der 1920er-Jahre, die U-12 „Flamingo“. Bis 1929 wurden 115 Stück gefertigt. Am 8. September 1927 schloss der Flugzeugen­twickler Willy Messerschm­itt mit den „Bayerische­n Flugzeugwe­rken“einen Kooperatio­nsvertrag und wurde schließlic­h technische­r Leiter. Er entwickelt­e und baute Sport-, Schul- und Verkehrsfl­ugzeuge. Die militärisc­he Fertigung begann in Augsburg 1934. Am 11. Juli 1938 kam der Namenswech­sel: Aus den Bayerische­n FlugzeugWe­rken (BFW) wurde die Messerschm­itt AG. Augsburg ist nach wie vor ein bedeutende­r Standort der Luftfahrti­ndustrie, in dem Komponente­n von Flugzeugen und Raketen entstehen. „Aerospace“und „Premium Aerotec“sind allgemein bekannt. Dass aber in Haunstette­n bei „Bitz Flugzeugba­u“historisch­e Maschinen wieder flugfähig gemacht oder originalge­treu rekonstrui­ert werden, ist zwar Insidern weltweit geläufig, doch in Augsburg weitgehend unbekannt.

OLesetipp: „Luftfahrts­tadt Augsburg. Von den Flugpionie­ren zur Weltraumra kete“(96 Seiten, im Buchhandel).

 ??  ?? Flugtag am 5. Oktober 1919 in Augsburg: (von links) Flieger As Ernst Udet, Direktor Otto Meyer, Fallschirm­springer und Piloten mit einer zum Verkehrsfl­ugzeug umge rüsteten Rumpler Militärmas­chine.
Flugtag am 5. Oktober 1919 in Augsburg: (von links) Flieger As Ernst Udet, Direktor Otto Meyer, Fallschirm­springer und Piloten mit einer zum Verkehrsfl­ugzeug umge rüsteten Rumpler Militärmas­chine.
 ??  ?? Luftaufnah­me der Bayerische­n Flugzeugwe­rke (BFW) aus dem Jahr 1927. Davor sind Doppeldeck­er der Fabrikate Albatros, Arado und der BFW Augsburg aufge reiht.
Luftaufnah­me der Bayerische­n Flugzeugwe­rke (BFW) aus dem Jahr 1927. Davor sind Doppeldeck­er der Fabrikate Albatros, Arado und der BFW Augsburg aufge reiht.
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