Blutgrätschen und Eigentore
Inmitten von Dramen, die unter dem Motto „Sinnsucht“den Kapitalismus, den Selbstverwirklichungswahn und die Manipulation des Menschen auf die Bühne holen, wird es in der ersten Spielzeit des künftigen Intendanten Bücker auch schwankhaft. Und zwar in der Fußball-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“von Paul Abraham.
Während das Münchner Residenztheater für die kommende Saison das Fußball-Schauspiel „Philipp Lahm“ankündigt, in dem der Kicker wohl nicht selbst auftritt, aber – Regieanweisung – „von Szene zu Szene immer zufriedener wird“, soll in Augsburg ein anderer waschechter, ehemaliger Nationalspieler auf den Theaterrasen: Jimmy Hartwig, mittlerweile unter anderem auch Schauspieler und Gesundheitsbotschafter der AOK Nordost. Er hat sich gleichsam verpuppt und enorm weiterentwickelt – wie er es selbst sieht: „Vom Fußballer zum Schauspieler, das ist ein gewaltiger Unterschied, ein Quantensprung.“
Da will niemand widersprechen – und auch nicht seiner Auffassung: „Theater und Fußball, das ist kein großer Unterschied.“Das sehen wir genauso. Schon allein, weil es hier wie dort Fan-Kurven, Blutgrätschen und Eigentore gibt.
Aber was bedeutet dieser nur kleine Unterschied für die künftige Praxis des Theaterspiels und seine journalistische Nachbetrachtung? Wird es Trainingslager in Höhenlagen für Balletttänzer geben? Werden die nächste Opernpremiere Sportjournalisten besprechen? Und werden dann die Feuilletonisten den nächsten FCA-Auftritt einordnen? Den Kollegen vom Sport-Ressort trauen wir die feinsinnige Aufgabe schon zu. Die Stadion-Fangesänge haben auch ihr Ohr in Sachen Zwölftonmusik geschult. Aber werden die Feuilletonisten die unberührte reine Ästhetik des Fußballs zu sortieren wissen?
** * „Intermezzo“ist unsere Kultur-Kolumne, in der Redakteure der Kulturund Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.