Koenigsbrunner Zeitung

Warum die Stadt acht Stolperste­ine ablehnt

-

Was Kulturrefe­rent Thomas Weitzel zum Vorwurf sagt, er halte sich nicht an den Stadtratsb­eschluss. Die strittigen Fälle beschäftig­ten den Fachbeirat

Am 4. Mai werden in Augsburg zum ersten Mal Stolperste­ine verlegt, die auf öffentlich­en Straßen und Plätzen an Opfer des Nationalso­zialismus erinnern. Für Debatten sorgt im Vorfeld, dass die Stadt von 20 beantragte­n Stolperste­inen acht nicht genehmigt hat. Der „Initiativk­reis Stolperste­ine“und Bernhard Lehmann von der Initiative „Gegen Vergessen-Für Demokratie“werfen Kulturrefe­rent Thomas Weitzel einen zu engen Opferbegri­ff vor, wenn es um die Genehmigun­g von Stolperste­inen geht. Er halte sich nicht an den Stadtratsb­eschluss.

Herr Weitzel, wer hat den Opferbegri­ff zeitlich eingegrenz­t, der Stadtrat oder Sie? Weitzel: Der Opferbegri­ff ergibt sich aus der Anlage zum „Augsburger Weg“. Daraus geht hervor, dass es um Opfer geht, die unter den Nationalso­zialisten zu Tode gekommen sind oder an den Folgen von Inhaftieru­ng und Zwangsarbe­it gestorben sind. Insofern kann der Begriff nicht ausschließ­lich an der Zeitachse 8. Mai 1945 festgemach­t werden.

Warum wurde er zeitlich eingegrenz­t? Weitzel: Die Kommission Erinnerung­skultur hat sich in einem langen Prozess, der zur Beschlussf­assung führte, für die Eingrenzun­g entschiede­n, da ein differenzi­erter Umgang mit den Opfern angestrebt wurde und man zu Tode gekommene Opfer nicht auf dieselbe Stufe stellen wollte wie die Überlebend­en. Diese Abwägung wurde mit großer Gewissenha­ftigkeit in der Kommission Erinnerung­skultur vorgenomme­n, zumal auch Überlebend­e und Angehörige in der Regel den Verlust des Lebens schwerer gewichten als jeden anderen Verlust. einem auf Wiedererke­nnbarkeit im öffentli- chen Raum angelegten und im Grundsatz mit Gleicharti­gkeit der Zeichen arbeitende­n Konzept war man der Auffassung, dass eine Differenzi­erung angemessen ist.

Acht Stolperste­ine wurden nicht genehmigt. Hat der Fachbeirat über jeden dieser strittigen Fälle entschiede­n? Weitzel: Der Fachbeirat hat über jeden der strittigen acht Fälle beraten und hierzu auch die Angehörige­nvertreter bzw. Angehörige­n angehört. Die Einschätzu­ng und Bewertung des Fachbeirat­s basiert auf den archivalis­chen Unterlagen zum Leben der Personen. Der Fachbeirat hat nach der Negierung der „Kopfsteinv­ariante“(für Opferfamil­ien, die Redaktion) durch Künstler Gunter Demnig dem Stadtrat unter Betrachtun­g der einzelnen Biografien keine Empfehlung zur Aufweitung der Beschlussl­age geben können. In der Stadtratss­itzung am Donnerstag wurden alle Einzelfäll­e nochmals dargestell­t und der Stadtrat hat einstimmig beschlosse­n, keine Öffnung der Klausel vorzunehme­n.

Wer sitzt im Fachbeirat und wer hat das letzte Wort? Weitzel: Der Fachbeirat setzt sich aus Prof. Becker (Juristisch­e Fakultät), Prof. Süss (Historisch­e Fakultät), Dr. Schönhagen (Jüdisches Kulturmuse­um), Dr. Cramer-Fürtig (Stadtarchi­v) und Kulturefer­ent Weitzel zusammen. Der Fachbeirat hat nur empfehlend­en Charakter. Aufweitung­en einer Beschlussl­age kann nur der Stadtrat für Ausnahmege­nehmigunge­n vornehmen.

Von Kritikern wird Ihnen ein Alleingang in der Opferfrage vorgeworfe­n, was sagen Sie dazu? Weitzel: Mir ist persönlich daran gelegen, für Augsburg eine gerechte, respektvol­le Erinnerung­skultur zu ermögliche­n. Innerhalb meines Referats empfinde ich die zuvor hier im Referat gar nicht verankerte Thematik der Erinnerung­skultur, der wir uns nun auch mit der Einrichtun­g einer halben neuen Stelle verstärkt widmen wollen, als Bereicheru­ng, weil man viel über persönlich­e Schicksale, Lebenslini­en und die jüngste Zeitgeschi­chte erfährt. Ich halte es auch gerade heute, in der zunehmend rechtsradi­kale Tendenzen wieder drohen salonfähig zu werden, für erforderli­ch, auf verschiede­nen Wegen Erinnerung wachzuhalt­en. Die Beschäftig­ung nimmt einen selbst gefangen und ich denke, dass wir gut daran tun, größte Sorgfalt bei der Auseinande­rsetzung mit den Biografien walten zu lassen. Interview: Eva Maria Knab

 ?? Foto: Anne Wall, Archiv ?? In der Peutingers­traße gibt es bereits Stolperste­ine, am Donnerstag werden im Stadt gebiet weitere verlegt. Doch acht Anträge wurden abgelehnt.
Foto: Anne Wall, Archiv In der Peutingers­traße gibt es bereits Stolperste­ine, am Donnerstag werden im Stadt gebiet weitere verlegt. Doch acht Anträge wurden abgelehnt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany