Not macht erfinderisch
Der Mangel macht Mode. Denn im April 1917 wird von der Reichsbekleidungsstelle in Berlin eine neue Kleiderordnung erlassen, die den Verbrauch von Web-, Wirk-, Strick- und Schuhwaren drastisch einschränkten. Nach den neuen Bestimmungen stehen Frauen grundsätzlich nur noch zwei Alltagsgewänder und ein Sonntagsgewand zu. Außerdem darf sie einen Kleiderrock, zwei Blusen, einen Winter- und einen Sommermantel, drei Schürzen, ein Paar Winterhandschuhe und sechs Taschentücher besitzen. Sie müssen, wie Männer und Kinder auch, mit drei Paar Schuhen auskommen, eingeschlossen die Winterstiefel – nur Kopfbedeckungen sind unbegrenzt erlaubt. Sonstige Ausnahmen: nur wenn Beruf oder Krankheit mehr Bekleidung unbedingt und nachweislich notwendig machten…
Die Beschränkungen führen dazu, dass die modebewusste Dame kreativ wird und oftmals aus Stoffresten neue Kreationen zusammenfügt. Der Ullstein-Verlag in Berlin gibt sogar spezielle „Kriegsschnittbogen“heraus und auch Zeitungen veröffentlichen Anleitungen, wie „Neu Gewand aus altem Tand“anzufertigen war. Und so werden aus einer alten geklöppelten Spitzendecke schon mal schmucke Stehkrägen und Ärmel an der Neukreation. Und für den modebewussten Herrn wurden per Inserat feilgeboten: „Solide Frühjahrs-Anzüge, aus Resten hergestellt.“