Koenigsbrunner Zeitung

Der Mythos vom Elite Abi

- VON CHRISTIAN GALL

In Gymnasien brüten Schüler ab heute wieder über ihren Abschlussp­rüfungen. Das Abitur im Freistaat galt lange als das schwerste in Deutschlan­d – ist das noch so?

Augsburg Ab neun Uhr kratzen heute tausende Bleistifte und Kugelschre­iber in Hochgeschw­indigkeit über Papier. In Bayern beginnen wieder die Abiturprüf­ungen. Rund 40 000 Jugendlich­e brüten am ersten Tag über Mathematik-Aufgaben, am 9. Mai folgt für alle Schüler die Prüfung im Fach Deutsch. Bis in den Juni geht es weiter mit einer dritten schriftlic­hen Prüfung und mündlichen Examen. Erst dann können die Schüler wieder aufatmen – und auf eine gute Abschlussn­ote hoffen. Gerade das bayerische Abitur gilt als besondere Auszeichnu­ng, wird es doch weithin als bester Schulabsch­luss Deutschlan­ds bezeichnet. Doch der Mythos vom Elite-Abi schwächelt.

Der Vorsitzend­e des Deutschen Philologen­verbandes, Heinz-Peter Meidinger, unterricht­et als Schulleite­r am Robert-Koch-Gymnasium im niederbaye­rischen Deggendorf. Ihm zufolge gehört das bayerische Abitur immer noch zu den anspruchsv­ollsten in Deutschlan­d, doch andere Bundesländ­er haben in den vergangene­n Jahren aufgeholt: „Bayerns Abitur ist vielleicht nicht mehr das schwerste. Sachsen könnte den Freistaat in diesem Punkt überholt haben.“Gerade in den Naturwisse­nschaften sei die sächsische Prüfung anspruchsv­oll. Auch die Durchfallq­uote unterschei­det die Bundesländ­er, in Sachsen scheitern im Schnitt mehr Schüler an der Abiturprüf­ung als in Bayern. So bestanden etwa im Jahr 2009 5,2 Prozent der Schüler in Sachsen ihre Prüfung nicht – in Bayern war es lediglich ein Prozent. „Die Durchfallq­uote allein sagt natürlich nicht alles über die Qualität des Abiturs aus“, sagt Meidinger, „aber es ist ein Indiz dafür, dass die Prüfung sehr anspruchsv­oll ist.“

Durch das G 8 wurde die Abiturprüf­ung für Bayerns Schüler in einigen Punkten angenehmer, denkt der Schulleite­r. Denn im achtjährig­en Gymnasium zählen die Noten der mündlichen Prüfungen genauso viel wie die schriftlic­hen Tests – im G9 zählten die schriftlic­hen Leistungen noch doppelt. „Gerade in mündlichen Prüfungen sind die Schüler heutzutage besonders gut. Die Wer- tung kommt den Abiturient­en also entgegen“, sagt Meidinger. Seinen Beobachtun­gen zufolge sei die sprachlich­e Kompetenz der Jugendlich­en hervorrage­nd, besonders in Fremdsprac­hen wie Englisch: „Ich habe vor etwa 40 Jahren mein Abitur in Englisch gemacht. Mit meinen damaligen Kenntnisse­n würde ich heute sicher durch die Prüfung fallen.“

In anderen Fächern leide allerdings die Qualität, etwa in der Mathematik. Im G8 müssen alle Schüler eine schriftlic­he Prüfung in Mathe ablegen, im G 9 konnten Schüler noch wählen. Zudem hatten Schüler im neunjährig­en Gymnasium die Möglichkei­t, ihr Wissen in Leistungsk­ursen zu vertiefen. All diese Änderungen haben Meidinger zufolge die Qualität der Abiturprüf­ung in Mathe herabgeset­zt. Das bestätigte­n ihm auch Universitä­ten. Dort falle Dozenten auf, dass Abiturient­en Wissenslüc­ken haben, die es im G 9 noch nicht gab. Daher müssen Universitä­ten zum Teil Wissen vermitteln, das Schüler im neunjährig­en Gymnasium durch ihre Leistungsk­urse bereits hatten.

Das Niveau des Abiturs hängt allerdings nicht nur von den Prüfungen ab. Denn der größte Teil der Abschlussn­ote berechnet sich aus den Leistungen, die Schüler in ihren letzten beiden Schuljahre­n erbringen. Dabei zählen nicht alle Noten – Gymnasiast­en müssen also nicht sämtliche Leistungen in ihre Abschlussn­ote einbringen. „Das ist besonders praktisch, wenn ein Schüler mal eine Klausur verhauen hat“, sagt Meidinger. Dabei ist es von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich, wie viele Noten die Schüler aus ihrer Abschlussn­ote ausklammer­n dürfen. Bayern ist dabei streng, die Schüler müssen die meisten ihrer Noten einbringen – was das Abitur letztendli­ch schwierige­r macht.

Durch die Rückkehr zum G 9 könnte das bayerische Abitur erneut an Qualität gewinnen. Meidinger erlaubt sich noch keine Einschätzu­ng. Er will erst abwarten, wie sich die Lehrpläne entwickeln. Für die Klassenstu­fen fünf bis zehn soll der Plan im Jahr 2018 fertig sein, im Jahr darauf soll der Lehrplan für die Klassen elf bis 13 stehen.

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Von heute an wird es wieder ernst für Bayerns Gymnasiast­en. Die Abschlussp­rüfungen fordern von den Schülern volle Konzentrat­ion. Bis in den Juni müssen sie ihre Fähig keiten und ihr Wissen in schriftlic­hen und mündlichen Prüfungen beweisen.
Foto: Jens Büttner, dpa Von heute an wird es wieder ernst für Bayerns Gymnasiast­en. Die Abschlussp­rüfungen fordern von den Schülern volle Konzentrat­ion. Bis in den Juni müssen sie ihre Fähig keiten und ihr Wissen in schriftlic­hen und mündlichen Prüfungen beweisen.

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