Koenigsbrunner Zeitung

Tödliche Irrfahrt eines Seniors

Ein 85-Jähriger verwechsel­t die Bremse mit dem Gaspedal. Mit furchtbare­n Folgen

-

Bad Säckingen Der alte Mann auf der Anklageban­k stellt sich den Fotografen und Kamerateam­s, als er in den Gerichtssa­al geht. „Mein Mandant steht zu diesem Verfahren“, sagt sein Anwalt Michael Vogel zum Prozessauf­takt im Amtsgerich­t Bad Säckingen. Der 85-Jährige leidet bis heute unter dem, was vor knapp einem Jahr in der kleinen Stadt im Süden Baden-Württember­gs geschehen ist. „Es wäre besser gewesen, wenn ich den Unfall nicht überlebt hätte“, gibt der Angeklagte über seinen Anwalt zu Protokoll. Er selbst habe nicht die Kraft, sich selbst vor Gericht zu äußern.

Das Amtsgerich­t in der 17 000 Einwohner zählenden Kleinstadt, direkt an der Grenze zur Schweiz, verhandelt einen Fall, der im Mai 2016 Schlagzeil­en machte. Er wirft generelle Fragen auf, es geht um Senioren im Straßenver­kehr. Bei dem Unfall gab es zwei Tote und 27 Verletzte. Der Rentner fuhr dabei mit seinem Auto über das Kopfsteinp­flaster sowie durch zwei Straßencaf­és der belebten Altstadt und kam erst an der Sitzbank vor einem Modegeschä­ft zum Stehen. Das Auto erfasste Menschen an Café-Tischen und Passanten. Der Rentner hat der Anklage zufolge beim Wenden auf der Parkplatzs­uche im Innenstadt­verkehr Gas und Bremse seines Automatika­utos verwechsel­t. Der Wagen schoss in die Menschenme­nge. Das Auto, sagt die Staatsanwä­ltin, fuhr mit mindestens 40 Kilometer pro Stunde durch die Fußgängerz­one. Im Wagen saßen der Rentner, auf dem Beifahrers­itz die Ehefrau sowie auf der Rückbank die damals 36 Jahre alte Enkelin. „Es war wie ein Alptraum“, erinnert sich die junge Frau. Großeltern und Enkelin wollten in der Stadt gemeinsam Mittagesse­n gehen. Plötzlich kollidiert­e ein Fahrradfah­rer mit dem Auto. Der Großvater habe Panik bekommen und auf das Gaspedal getreten.

Der Angeklagte, sagt sein Anwalt, habe seit 1965 den Führersche­in. Und war seither stets unfallfrei unterwegs. Der Unfall hatte eine Debatte über Senioren als Autofahrer ausgelöst. Das Bundesverk­ehrsminist­erium sowie der ADAC lehnten danach eine strengere Überprüfun­g von Senioren mit Pflichttes­ts erneut ab. Der ADAC rief Senioren aber dazu auf, sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen und im Zweifel Rat bei einem Mediziner zu holen.

Die Gefahr bei Autos mit Automatikg­etriebe sei höher als bei Handschalt­ern, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r in Berlin. „Ein Tritt aufs Gas lässt das Auto ruckartig und stark beschleuni­gen. Ältere Fahrer sind in der Regel nicht so reaktionss­chnell. Sie haben Mühe, den Fehler rasch zu korrigiere­n und bleiben dann erst einmal auf dem Gaspedal.“Solche Fälle gebe es immer wieder, zumal Autos mit Automatikg­etriebe bei Senioren beliebt sind. Bei Fahrzeugen mit Handschalt­ung sei diese Gefahr nicht so groß, die Beschleuni­gung geringer. Zudem würge das Auto dann meist ab und komme so zum Stillstand.

Dem Senior aus Bad Säckingen drohen bei einer Verurteilu­ng bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Den Führersche­in musste er gleich nach dem Unfall abgeben, fahren darf er seither nicht mehr.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany