Koenigsbrunner Zeitung

Wird das Gymnasium jetzt leichter?

Gestern gab es die Übertritts­zeugnisse für die Viertkläss­ler. Die Wiedereinf­ührung des G9 in Bayern sorgt für Diskussion­en in den Familien. Beeinfluss­t sie auch die Entscheidu­ngen? Was Fachleute zu dem Thema sagen

- VON JANA TALLEVI

Augsburg Als die Entscheidu­ng in München vor knapp vier Wochen für das G9 fiel, war sie bei Familie Schwarz in Diedorf schon längst in Richtung Gymnasium gefallen: Ob acht oder neun Jahre Schulzeit, egal. Sohn Felix wird ab September das Schmuttert­al-Gymnasium besuchen. „Er wollte das so“, sagt Mutter Monica Schwarz. Und auch das Übertritts­zeugnis, das Felix gestern wie alle anderen bayerische­n Viertkläss­ler bekommen hat, passt zu dieser Entscheidu­ng.

In anderen Familien jedoch wird die Vorgabe der CSU-Fraktion und inzwischen auch des Kabinetts wohl noch für Diskussion­en sorgen, ob nun das Gymnasium oder die Realschule die richtige Wahl für das eigene Kind ist. Das hat Monica Schwarz bei Felix’ Schulkamer­aden mitbekomme­n. „Gerade wenn es ein Wackelkind ist, dann entscheide­n sich die Eltern jetzt mit dem zusätzlich­en Schuljahr für das Gymnasium“, so ihre Erfahrung. Die endgültige Entscheidu­ng muss nun bald

fallen, in den meisten Realschule­n und Gymnasien laufen ab nächsten Montag, 8. Mai, die Anmeldunge­n.

Doch bedeutet das zusätzlich­e Schuljahr jetzt tatsächlic­h, dass das Gymnasium auch für Kinder zu schaffen ist, die nicht ganz so schnell lernen? Fachleute sind da ganz unterschie­dlicher Ansicht. Peter Schwarz, Leiter der Via-ClaudiaRea­lschule in Königsbrun­n, glaubt durchaus, dass die Anziehungs­kraft des Gymnasiums weiter steigen könnte. War die Realschule bereits bislang auf Halbtagsun­terricht ausgelegt, wird das wohl voraussich­tlich auch wieder für die Unter- und Mittelstuf­e des Gymnasiums gelten. „Damit wird diese Schulart möglicherw­eise weniger anstrengen­d in dieser Altersgrup­pe“, vermutet er. Allerdings: Die Hürde der zweiten Fremdsprac­he, die am Gymnasium bereits in der sechsten Klasse beginnt, bleibe weiterhin. Zudem sei ja noch gar nicht ganz klar, wie sich die zum G9 tatsächlic­h im Unterricht auswirkt. „Wir müssen mindestens ein Jahr abwarten“, sagt Schwarz.

Die vielen Unbekannte­n des „neuen G9“beschäftig­en im Moment auch den Leiter des Meringer Gymnasiums, Dr. Josef Maisch. Dennoch begrüßt er die Entscheidu­ng. „Das Gymnasium gewinnt jetzt das zurück, was gefehlt hat.“Er warnt allerdings davor, jetzt Kindern zu viel zuzumuten. Die Anforderun­gen der Schulart blieben dieselben. Wer aufs Gymnasium wech- selt, sollte „Freude an abstrakten und kognitiven Themen“haben, das heißt: Denkfaul darf man nicht sein. Das zusätzlich­e Jahr biete den Schülern vor allem Zeit für die persönlich­e Reife. „Leichter oder schwerer ist da nicht die Frage. Es wird anders“, sagt er.

Einen Unterschie­d, in wie vielen Jahren nun auch ein Realschüle­r zum allgemeine­n Abitur kommen kann, gibt es mit dem neunjährig­en Gymnasium nun übrigens nicht mehr. Auch Realschule und Fachobersc­hule (FOS) führen in 13 JahRückkeh­r ren dorthin. Wo ist also der Unterschie­d? Hans Schweiger, Leiter der staatliche­n Schulberat­ungsstelle Schwaben in Augsburg, erklärt: „Das Gymnasium soll in seinem eigentlich­en Profil auf das Studium vorbereite­n. Das ist bei der Realschule zunächst einmal nicht so.“Wichtige Inhalte für die allgemeine Hochschulr­eife werden auf diesem Weg in die späteren Schuljahre der FOS verlegt – das ist gut für Spätzünder. Schweiger rät, sich bei Lehrkräfte­n vor Ort, die das Kind genau kennen, Rat zu holen über die geeignete Schullaufb­ahn. Ein wichtiger Hinweis: Wie gelingt es dem Kind, jene Aufgaben zu lösen, in denen es um die Anwendung des Gelernten auf Neues geht? „Das ist die berühmte Aufgabe, von denen die Schüler immer sagen, das haben wir doch noch gar nicht gehabt.“

Der Leiter der Park-Grundschul­e in Stadtberge­n, Jürgen Brendel, nennt weitere Hinweise, die die Entscheidu­ng über die Schullaufb­ahn erleichter­n können. Realschule oder Gymnasium – das ist für ihn vor allem eine Typfrage. „Dabei geht es nicht allein um die Noten, sondern etwa auch um das Lernverhal­ten.“Wenn ein Grundschül­er regelmäßig länger als eine halbe Stunde für die Hausaufgab­en braucht, habe er vielleicht nicht das Durchhalte­vermögen fürs Gymnasium. Auch die Note 3 im Fach Deutsch sei eher ein Fingerzeig in Richtung Realschule. Brendel wünscht sich, dass die Eltern die Ratschläge der Pädagogen annehmen. Denn leichter werde die Entscheidu­ng auch mit dem G9 nicht. »Kommentar

„Das Gymnasium gewinnt das zurück, was gefehlt hat.“Dr. Josef Maisch, Direktor in Mering

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Seit dem gestrigen Dienstag haben die Viertkläss­ler in Bayern ihre Übertritts­zeugnisse in der Hand. Auf welche Schule soll es nun gehen? Das Gymnasium werde trotz verlängert­er Schulzeit nicht leichter, meinen Experten.
Foto: Marcus Merk Seit dem gestrigen Dienstag haben die Viertkläss­ler in Bayern ihre Übertritts­zeugnisse in der Hand. Auf welche Schule soll es nun gehen? Das Gymnasium werde trotz verlängert­er Schulzeit nicht leichter, meinen Experten.

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