Koenigsbrunner Zeitung

Braucht man Torf in der Blumenerde?

- VON CHRISTINA HELLER Christina Heller ist Wirt schaftsred­akteurin unse rer Zeitung. Sie beantworte­t einmal in der Woche Fra gen des Alltags.

Es ist eine Qual mit dem Gewissen. Nachdem es sich ins Essen eingemisch­t hat (bitte auf die Tierhaltun­g achten!), beim Kleiderkau­f herummäkel­t (an die Arbeitsbed­ingungen in Billiglohn­ländern denken), meldet es sich jetzt bei der Auswahl von Erde zu Wort. Da steht man im Baumarkt, Gartencent­er oder beim Gärtner, blickt auf eine Anhäufung von Erdsäcken und das Gewissen ruft: „Nimm torffreie Erde!“Stimmt, da war irgendwas mit Torf in der Erde und Mooren, die sterben, oder?

Genau, sagt Helmut Beran, Klimaexper­te vom Landesbund für Vogelschut­z. Torf entsteht in Mooren. Um es abzubauen, müssen diese trockengel­egt werden. Das hat mehrere Nachteile, sagt der Experte. In den Mooren ist viel CO 2 gespeicher­t (obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberflä­che bedecken, ist dort mehr CO2 gespeicher­t als in der gesamten Waldfläche der Welt). Weil die Torfschich­t so langsam wächst – einen Meter in 1000 Jahren –, ist dieses Kohlenstof­fdioxid dem Kreislauf schon seit Jahrhunder­ten entzogen. Wird der Torf trockengel­egt, kommt er mit Sauerstoff in Berührung und das CO2 entweicht. Zudem seien Hochmoore wichtig für den Hochwasser­schutz, sagt Beran. Denn sie speisen sich aus Regenwasse­r. Weil Torf viel Wasser speichert, halten sie in Regenzeite­n Wasser zurück. Ein weiterer Punkt ist der Artenschut­z. Moore sind kein sehr lebensfreu­ndliches Umfeld. Tiere und Pflanzen, die dort vorkommen, gibt es meist nur dort. Zwei Drittel dieser Arten sind schon vom Aussterben bedroht. Also lautet die Empfehlung der Naturschüt­zer: Torffreie Erde kaufen. Torf enthalte zudem keine Nährstoffe, sodass er das Pflanzenwa­chstum nicht fördert. Aber warum ist er dann in Erde enthalten? „Viele Erden bestehen sogar zu 95 Prozent aus Torf“,sagt Beran.

Rut Alker vom Bayerische­n Gärtnerei-Verband sagt, Torf habe durchaus eine Berechtigu­ng im Gartenbau. Er macht die Erde locker, das heißt die Wurzeln bekommen ausreichen­d Luft. Diese luftige Struktur bleibt über lange Zeit erhalten. Torf im Blumentopf oder im Beet speichert Wasser und Nährstoffe gut. Schon seit Jahren forscht die Landesanst­alt für Weinund Gartenbau in Veitshöche­im daran, einen Ersatzstof­f zu finden. Auf eine perfekte Lösung ist sie noch nicht gestoßen. „Laien müssen sich wenig Gedanken um ihre Pflanzen machen, wenn sie Blumenerde mit Torf verwenden“, sagt Alker. Die Pflanze bekomme ausreichen­d Wasser und sei weder mit zu viel noch mit zu wenig Nährstoffe­n versorgt. „Wenn man auf torffreie Erde setzt, muss man das alles genau überprüfen. Für Anfänger ist torffreie Erde deshalb nicht so leicht zu handhaben.“Allerdings sagt auch sie, dass es manche Dinge gebe, die überflüssi­g seien: „Früher hat man einen Sack Torf gekauft und ins Beet geleert, um die Bodenstruk­tur zu verbessern. Das ist unnötig.“Kompost reiche. Das ist auch die Variante, zu der Beran vom Landesbund für Vogelschut­z rät. Torf lasse sich durch eine Mischung aus Kompost, Rindenhumu­s und Holzspänen ersetzen, sagt er.

Es ist also wie immer, wenn sich das Gewissen einmischt: Eine einfache Lösung gibt es nicht.

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