Diese Skulpturen spielen Rollen
Die Schau mit Arbeiten von Hella Buchner-Kopper ist für das Brechthaus ein Glücksfall
Das Brechthaus gehört zu den Augsburger Sehenswürdigkeiten, in denen man als Zuschauer nicht die Angst haben muss, überrannt zu werden. 1998 hat die Stadt Bertolt Brechts Geburtshaus, in dem er die ersten Lebensmonate verbracht hat, gekauft und eine Brecht-Gedenkstätte eingerichtet. In den zurückliegenden Jahren ist immer wieder darüber gesprochen worden, ob die Dauerausstellung nicht neu gestaltet werden müsse, um sie auf dem Stand der Zeit zu halten und den Besuchern eine Abwechslung zu bieten. Nun haben die Augsburger Kunstsammlungen unter Federführung des Direktors Christof Trepesch und der Kuratorin Sarah Klein einen anderen Weg eingeschlagen: eine Kunstausstellung.
Ausschlaggebend dafür war der Umstand, dass eine Wohnung im zweiten Stock des Gebäudes gerade frei geworden ist. Diese Wohnung soll später in Augsburg arbeitenden Künstlern, Schriftstellern, Schauspielern oder Regisseuren auf Zeit zur Verfügung gestellt werden. Nun wird die noch nicht renovierte Wohnung Ausstellungsfläche. Dort und in der Dauerausstellung präsentiert die in Augsburg lebende Künstlerin Hella Buchner-Kopper ihre Schau „Die Rückkehr“. In der Dauerausstellung sind es Collagen und zum Teil kleine künstlerische Eingriffe, die erst beim zweiten Blick auffallen, etwa ein von Buch- ner-Kopper gestaltetes Theaterplakat inmitten der Nachdrucke von Brecht-Theaterplakaten.
Mit Humor hat sich BuchnerKopper der Aufgabe gestellt. Wenn sie den Dichter auf einen Sockel stellt, dann als Jack in the Box, als aus einer Schachtel springenden Teufel. Gleichzeitig ist verblüffend, wie akribisch sich die gelernte Bühnenbildnerin mit Brecht, der Dauerausstellung und mit der letzten Präsentation der neuen Ankäufe aus dem Nachlass von Barbara Brecht-Schall auseinandergesetzt hat. Das führte dazu, dass ihr auf einer jüngst erworbenen Caspar-Neher-Skizze ein rätselhaftes ErnstJünger-Zitat auffiel, das plötzlich eine Verbindung zwischen BB und Ernst Jünger herstellt. Von letzterem hielt Brecht fast nichts (wir berichteten).
Auch auf ihren Collagen ist zu spüren, dass die Verschmelzungen dort nicht beliebig sind, sondern auf der Grundlage von akribischen Nachforschungen geschehen. Auf den Bildern ist von der Mühsal der Recherche aber nichts mehr zu spüren. Vielmehr wirken dort die Motive geradezu befreit von aller Last. Alles ist möglich. Brecht und Marx verschmelzen und tauschen ihre Gesichter aus. Brecht und Luther, Brecht und Ingeborg Bachmann, Brecht und Handke – BuchnerKopper stellt auf den Collagen verschiedene Konstellationen zusammen, verknüpft Geschichten, stellt Beziehungen her. Diese Rollenspiele haben Humor und sind gleichzeitig auch klug durchdacht.
Überhaupt wirken diese Vertauschungen bei Buchner-Kopper nicht aufgesetzt, sondern geradezu zwingend. Sie kommt vom Theater, sie denkt als Künstlerin wie eine Theatermacherin. Das führt auch dazu, das manche ihrer LederSkulpturen förmlich wie Schauspieler in immer neuen Konstellationen auftreten, dass sie in der Ausstellung Rollen für Geschichten übernehmen, die Buchner-Kopper rechergerade chiert – da ist eine Künstler-Regisseurin am Werk.
Die Installation zu Brechts Fragment „Der Wagen des Ares“wirkt wie eine Bühnenszene. Der Boden ist blutrot gestrichen, an der Wand hängt der zerfetzte Mantel des Ares, ihm gegenüber drei Lederskulpturen in den Rollen des Stücks: die Trümmerfrau, die Göttin des Handels und Ares. Vor ihnen ein Trauerkranz, auf der Schleife steht „Vulkan“; das ist gespenstisch.
Auch in den anderen Räumen der Ausstellungswohnung erwarten den Besucher große Figurengruppen. Die wiederum setzen sich wie die Collagen aus unterschiedlichen Stücken zusammen. Ein Besen wird zum Helmkranz, zwei Schuhe zu Schulterstücken. Buchner-Kopper stellt mit ihren Arbeiten auch immer wieder Bezüge zu sich selbst her – mal, dass sie den Figuren ihr Gesicht leiht, mal, dass sie herausstellt, dass Brecht einen österreichischen Pass hatte und mit Salzburg liebäugelte, bevor er nach Ostberlin übersiedelte. Hier Brecht, der beinahe nach Österreich gezogen wäre, dort Buchner-Kopper, die aus Österreich stammt und in Augsburg lebt.
In dieser Ausstellung bietet sie den Betrachtern so viel, dass ein einmaliger Rundgang gar nicht ausreicht, um alle Details zu entdecken. Laufzeit der Ausstellung „Die Rück kehr“im Brechthaus bis 30. Juli 2017. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.