Gelingt Helene wieder ein Superhit?
Deutschlands größter Schlagerstar hat sich viel Zeit gelassen mit dem neuen Album. Wie es geworden ist. Und ob es darauf ein zweites „Atemlos“gibt
Augsburg Sitzen, schwitzen und schnaufen war die Devise auf der Open-Air-Tanzfläche an der Playa de Muro auf Mallorca, nachdem die Spanierin Dolores nach „Atemlos durch die Nacht“die deutschen Urlauber (fast akzentfrei) vom Tanzparkett entlassen hatte. Bei Helene Fischer, bekanntlich fit wie ein Turnschuh, sind Atemlosigkeit und Ausruhen kein Thema.
Oder doch? Schließlich dauerte es Jahre, bis sie nun ein neues Album veröffentlichte. Es heißt „Helene Fischer“. Was nichts anderes heißen soll, als dass die Marke der Titel ist. Mehr braucht es nicht. Der absolute Knaller ist es nicht geworden. Hochprofessionell zwar, für ein deutsches Schlager/Pop-Album wohlgeraten, aber berechnend.
Der Produktion hört man an, dass sie den akustischen Spuren des Erfolgsalbums „Farbenspiel“folgt, dessen Songs sich um „Atemlos durch die Nacht“gruppierten. Oder hat irgendjemand auf dem Neuling „Helene Fischer“eine musikalische Revolution erwartet? Nicht „Herzbeben“, auch nicht „Flieger“oder „Achterbahn“schaffen den Sprung in die Kategorie „Supersong“.
Die Popularität der Helene Fischer ist unglaublich: Dass die 32-Jährige in vielen Hotelbars zwischen den Kanaren und den Balearen das Unterhaltungsprogramm mit bestreitet, liegt zum einen an der teutonischen Touristeninvasion, zum anderen an dem phänomenalen Erfolg einer Schlagersängerin, die diesen Hit gelandet hat, der seit drei Jahren auch durch Bierzelte geistert und das Land zweiteilt in HeleneFans und Helene-Hasser. Auch bei Hochzeiten ist es üblich, dass „Atemlos“gespielt wird – selbst zum Widerwillen mancher Gäste, die das Lied nicht mehr hören können. Es soll sogar Hochzeiten geben, bei denen der DJ sich weigert, es aufzulegen. Was Liebhaber des Songs ärgert. Sie wollen spätestens in der tristen Zeit zwischen Kaffee und Abendessen wissen, ob die Augen des Bräutigams, Fischer im Kopf, dessen Frau auch ausziehen.
Es ist hart, einen Millionenseller wie „Atemlos durch die Nacht“zu toppen. Der Ohrwurm-Effekt allein hat es nicht ausgemacht, sondern auch der Text, der den Zauber einer großen Nacht aufarbeitet und zeitgemäß, wenn auch simpel, Sexualität ins Spiel bringt („Lust pulsiert auf meiner Haut“). Das neue Album macht da weiter, wo „Farbenspiel“ stehen geblieben ist. Es zielt auf das Pauschal-Ferienpublikum – was ja legitim ist – mit Zeilen wie „Zurück ans Meer, in den Himmel eingetaucht, die Freiheit spür’n, ich will Sonne auf der Haut“. Es wechseln vom Akkordeon eingeleitete melodische Stücke mit einem Füller wie „Viva La Vida“, der ziemlich dreist eine „Atemlos“-Zeile aufgreift, in der es heißt „Das ist unsere Zeit, wir sind unsterblich heut’“.
Woran erkennt man eine HeleneFischer-Produktion? An der Heerschar von Autoren, Textern und Musikern, die ein Album aufmotzen. Aber auch an Texten wie in „Herzbeben“(„Durch meine Venen fließt der Bass, hämmert gegen meine Sehnen“). Und nicht zu vergessen: An einer Sängerin, die für ihr Fach eine überdurchschnittliche Stimme vorweisen kann. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Helene Fischer hatte sich medienmäßig ziemlich zurückgezogen nach ihrer Tournee durch Deutschlands Stadien im Jahr 2015.
Es wurde über Monate so ruhig um die Entertainerin wie in den letzten Wochen um die SPD-Hoffnung Martin Schulz vor der NRWWahl. Wie geht es im Frauenschlager weiter? Das Geschäft ist knallhart und auch eine Generationenfrage. Kann die im Schlager tausend Mal belogene Andrea Berg, 51, noch mal groß zurückkommen? Oder gehört die Zukunft Vanessa Mai, 25, die – siehe die RTL-Show „Let’s Dance“– wie Helene Fischer hervorragend tanzen kann. Es kommt auch auf das Glück an, den richtigen Karriereschritt zu setzen.