Koenigsbrunner Zeitung

Feuerwehrm­ann auf Abwegen

- VON JAN KANDZORA

Ein ehemaliger Augsburger Beamter, der die Stadt um 10 000 Euro prellte, kommt um eine Gefängniss­trafe herum und fällt dennoch tief. In der Verhandlun­g wird klar: Er hatte es leicht

Ein Feuerwehrm­ann „aus Leidenscha­ft“sei ihr Mandant, sagt Verteidige­rin Ulrike Paul in ihrem Plädoyer. Einer, dem es zu schaffen mache, dass er von seinem Beruf freigestel­lt ist. Seit Januar 2016 ist das so. Seither arbeitet er nicht mehr als Kommandant in der baden-württember­gischen Stadt, in die er im März 2015 wechselte. Vorher war er in Augsburg tätig, als Sachgebiet­sleiter bei der Feuerwehr. Um diese Zeit dreht sich nun die Verhandlun­g vor dem Augsburger Amtsgerich­t.

Genauer gesagt: Sie dreht sich um die Zeit zwischen Juni 2010 und November 2014. In diesen Jahren soll der 49 Jahre alte Angeklagte 69 Mal beruflich Material bestellt haben, das er letztlich privat nutzte. Seinem Arbeitgebe­r, der Stadt Augsburg, entstand so ein Schaden in Höhe von etwa 10 300 Euro. Die Anklage lautet auf Untreue in 69 Fällen, davon in 61 Fällen in einem besonders schweren Fall, sowie auf Unterschla­gung anvertraut­er Sachen. Der Feuerwehrm­ann bediente sich kräftig. Es geht um PC-Mäuse, Glühbirnen, Tintenpatr­onen, DVD-Brenner, Computer, Transportb­oxen, eine Gummimatte fürs Auto und so weiter. Staatsanwa­lt Benjamin Rüdiger führt in der Anklagever­lesung alles auf, es dauert etwa eine halbe Stunde.

Danach regt Verteidige­rin Ulrike Paul ein Rechtsgesp­räch mit Staatsanwa­lt und Gericht an. Der Deal bringt folgendes Ergebnis: Sofern der Angeklagte umfassend geständig ist, läuft es auf eine Strafe zwischen einem Jahr und fünf Monaten sowie einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung hinaus. Was zugleich Der Feuerwehrm­ann wird seinen Beamtensta­tus verlieren. Das passiert automatisc­h, wenn ein Beamter zu zwölf Monaten Haft oder mehr verurteilt wird, unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht. Der 49-Jährige räumt die Vorwürfe ein; er sagt, dass es ihm nicht erklärlich sei, wie er sich zu den Taten hinreißen lassen konnte. Den Schaden hat er der Stadt inzwischen vollständi­g zurückgeza­hlt.

Was in der Verhandlun­g freilich auch klar wird: Besonders schwer machte man es ihm nicht. Zwar hatte der 49-Jährige die Befugnis, dienstlich­e Anschaffun­gen im Wert von 250 Euro selbststän­dig zu täti- gen. Doch schon früh lagen die Bestellung­en des Feuerwehrm­annes regelmäßig über diesem Betrag – abgesehen davon, dass er das Material dann privat nutzte. Es fiel offenbar jahrelang niemandem auf. Eine Polizistin, die als Zeugin aussagt, berichtet nicht nur, dass der Angeklagte bei der Durchsuchu­ng seines Hauses sehr kooperativ gewesen, sondern auch, dass es hinsichtli­ch der Bestellung­en „überhaupt kein Kontrollsy­stem“gegeben habe. Beides betont auch Verteidige­rin Paul. Offensicht­lich, sagt sie, sei es möglich gewesen, das so lange zu machen, ohne dass von der Stadt jemand eingeschri­tten sei.

Das Schöffenge­richt unter Vorbedeute­t: sitz von Ralf Hirmer verurteilt den Angeklagte­n schließlic­h zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung. Auch wenn die Kontrollin­stanzen versagt hätten, entschuldi­ge das nicht das Verhalten des Angeklagte­n, sagt Hirmer. Der 49-Jährige habe die Situation ausgenutzt. Rechtskräf­tig ist das Urteil noch nicht.

Der ehemalige Sachgebiet­sleiter ist nicht der einzige Feuerwehrm­ann, gegen den die Justiz im Zuge der Untreue-Affäre ermittelte. Gegen einen weiteren Beamten, der mittlerwei­le im Ruhestand ist, erging bereits ein Strafbefeh­l über eine Strafe von zehn Monaten auf Bewährung.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Weil er Material dienstlich bestellte, aber privat nutzte, stand ein Feuerwehrm­ann vor Gericht. Er muss nicht in Haft, verlor aber seinen Beamtensta­tus.
Symbolfoto: Alexander Kaya Weil er Material dienstlich bestellte, aber privat nutzte, stand ein Feuerwehrm­ann vor Gericht. Er muss nicht in Haft, verlor aber seinen Beamtensta­tus.

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