Drei Räder gleichen müde Beine aus
Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind, Ausflüge ermöglichen – das ist das Ziel des Vereins „Radfahren ohne Alter“. Die erste Fahrradrikscha hat Initiator Jürgen Müller am AWO-Heim vorgestellt, sie soll nicht die einzige bleiben
Königsbrunn Der Frühling lockt die Menschen ins Freie, raus in die Natur, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Manchen älteren Menschen sind solche Ausflüge ins Freie aber verwehrt. Wenn die Beine nicht mehr mitmachen, sind keine Ausflüge mehr drin. Oder doch? Jürgen Müller, der Vorsitzende der Zeitbörse und das AWO-Seniorenheim in Königsbrunn haben jetzt ein Projekt gestartet, das alten Menschen den Weg in die Natur per Fahrradrikscha ermöglicht. Die Königsbrunner gehören zu den ersten in Deutschland, die solch ein Modell anbieten.
„Radfahren ohne Alter“nennt sich das Projekt, das als Verein organisiert ist. Das Prinzip ist simpel. Die Mitglieder werden als „Piloten“für die seniorengerechten Rikschas geschult. Einzige Regel ist, dass die Fahrten die Fahrgäste nichts kosten dürfen. Die Piloten geben beim Altenheim per Kurznachricht durch, wann sie Zeit für eine Fahrt haben. Die Bewohner dürfen sich melden und mitfahren.
Das Projekt hat seinen Ursprung in Dänemark. Der radsportbegeisterte Ole Kassow bot 2012 einem Seniorenheim in Kopenhagen an, gelegentlich Bewohner mit einer Fahrrad-Rikscha herumzufahren. Das Angebot war so erfolgreich, dass ein Verein daraus gemacht wurde und das Konzept mittlerweile in 29 Ländern angewendet wird. In Deutsch- land ist die Initiative noch relativ jung: Königsbrunn ist eine von nur zwölf Städten, in denen es „Radfahren ohne Alter“gibt. Jürgen Müller lernte den Verein bei einem Ausflug mit der Zeitbörse nach Berlin kennen und arbeitete daran, es nach Schwaben zu bringen. „Wir sind stolz, dass wir nun dabei sind. In Augsburg oder München gibt es das noch nicht“, sagt Holger Repen- der Leiter des AWO-Heims. Das spezielle Fahrrad, bei dem die Gästesitze vorne eingebaut sind, wurde angeschafft. Sponsoren, wie der Königsbrunner Hilfsfonds halfen bei der Finanzierung der 6500 Euro teuren Geräts. Dafür bietet das Gefährt Komfort für Passagiere und Pilot: Die Sitze haben Anschnallgurte, darunter gibt es Stauraum für die Handtaschen. Ein Dach und eine Decke sorgen dafür, dass die Passagiere es auch bei schlechterem Wetter warm und trocken haben. Der Pilot hat ebenfalls ein Staufach und einen Getränkehalter in Griffweite.
Und sein zweitwichtigstes Arbeitsgerät neben dem Lenker: den Gashebel für den Elektromotor. „Das Rad selbst wiegt 60 Kilo, vorne dürfen etwa 150 Kilo zugeladen werden. Mit Gepäck und Fahrer fährt man fast 300 Kilo durch die Gegend“, sagt Müller. Ohne Antrieb würden da schon kleine Anstiege wie bei Unterführungen zu unüberwindlichen Hindernissen. Mithilfe des Motors geht es immer gemütlich mit sechs bis acht Stundenkilometern dahin.
Wohin die Fahrt geht, ist unterschiedlich: „Wir haben eine Dame ins Altersheim St. Hedwig gefahren. Dort wohnt eine ehemalige Nachbarin und die beiden hatten sich lange nicht gesehen“, sagt Jürgen Müller. Wenn es keinen speziellen Wunsch gibt, drehen die Piloten mit den Fahrgästen eine Runde durch die Stadt und zum Lochbach. Die bisherigen Passagiere seien total begeistert gewesen, sagt Müller. Bei der Fahrt durch die Stadt und speziell bei Ausflügen in die Natur hätten die Menschen viel erzählt und sich an Erlebnisse von früher erinnert.
Damit es auch ein sicheres Erlebnis wird, werden die Piloten geschult. 14 Freiwillige haben sich gemeldet, vier sind schon voll einsatzbereit. Die Piloten bekommen eine theoretische Einweisung und werning, den dann an die Beförderung von Passagieren herangeführt. Denn die Lenkung der Rikscha ist gewöhnungsbedürftig und wegen des Gewichts muss man vorausschauend fahren und den Antrieb einsetzen.
Diese Erfahrung machte auch Bürgermeister Franz Feigl, der mit Bewohnerin Maria-Theresia Durnberger und Betreuerin Christine Mikut eine Runde um das AWO-Heim drehte. Die ersten Meter gestalteten sich durchaus schwierig, doch Feigl hatte den Bogen schnell heraus. „Jeder geübte Radfahrer bekommt die Steuerung bald in den Griff“, sagt Jürgen Müller. Bei seinen Piloten fährt er bei der ersten Ausfahrt mit Passagieren auf dem Fahrrad nebenher, um bei etwaigen Problemen helfen zu können.
Das AWO-Heim soll in Königsbrunn nur der Anfang sein. Jürgen Müller möchte das Angebot Stück für Stück auf weitere Heime in der Stadt ausdehnen. Das findet auch Brigitte Holz gut, die Referentin für Soziales der Stadt: „Als Herr Müller mir davon erzählt hat, fand ich die Idee sofort gut.“Für alte, weniger bewegliche Menschen sei das eine tolle Möglichkeit, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. „Erstaunlich, dass man jetzt erst draufkommt, das ist so eine simple, gute Idee“, sagt Bürgermeister Feigl. Bevor andere Heime angefragt werden, werden aber erst einmal alle Piloten geschult. Jürgen Müllers Nahziel ist, es auch an Wochenenden Fahrten anbieten zu können.