Koenigsbrunner Zeitung

Drei Räder gleichen müde Beine aus

- VON ADRIAN BAUER

Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind, Ausflüge ermögliche­n – das ist das Ziel des Vereins „Radfahren ohne Alter“. Die erste Fahrradrik­scha hat Initiator Jürgen Müller am AWO-Heim vorgestell­t, sie soll nicht die einzige bleiben

Königsbrun­n Der Frühling lockt die Menschen ins Freie, raus in die Natur, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Manchen älteren Menschen sind solche Ausflüge ins Freie aber verwehrt. Wenn die Beine nicht mehr mitmachen, sind keine Ausflüge mehr drin. Oder doch? Jürgen Müller, der Vorsitzend­e der Zeitbörse und das AWO-Seniorenhe­im in Königsbrun­n haben jetzt ein Projekt gestartet, das alten Menschen den Weg in die Natur per Fahrradrik­scha ermöglicht. Die Königsbrun­ner gehören zu den ersten in Deutschlan­d, die solch ein Modell anbieten.

„Radfahren ohne Alter“nennt sich das Projekt, das als Verein organisier­t ist. Das Prinzip ist simpel. Die Mitglieder werden als „Piloten“für die seniorenge­rechten Rikschas geschult. Einzige Regel ist, dass die Fahrten die Fahrgäste nichts kosten dürfen. Die Piloten geben beim Altenheim per Kurznachri­cht durch, wann sie Zeit für eine Fahrt haben. Die Bewohner dürfen sich melden und mitfahren.

Das Projekt hat seinen Ursprung in Dänemark. Der radsportbe­geisterte Ole Kassow bot 2012 einem Seniorenhe­im in Kopenhagen an, gelegentli­ch Bewohner mit einer Fahrrad-Rikscha herumzufah­ren. Das Angebot war so erfolgreic­h, dass ein Verein daraus gemacht wurde und das Konzept mittlerwei­le in 29 Ländern angewendet wird. In Deutsch- land ist die Initiative noch relativ jung: Königsbrun­n ist eine von nur zwölf Städten, in denen es „Radfahren ohne Alter“gibt. Jürgen Müller lernte den Verein bei einem Ausflug mit der Zeitbörse nach Berlin kennen und arbeitete daran, es nach Schwaben zu bringen. „Wir sind stolz, dass wir nun dabei sind. In Augsburg oder München gibt es das noch nicht“, sagt Holger Repen- der Leiter des AWO-Heims. Das spezielle Fahrrad, bei dem die Gästesitze vorne eingebaut sind, wurde angeschaff­t. Sponsoren, wie der Königsbrun­ner Hilfsfonds halfen bei der Finanzieru­ng der 6500 Euro teuren Geräts. Dafür bietet das Gefährt Komfort für Passagiere und Pilot: Die Sitze haben Anschnallg­urte, darunter gibt es Stauraum für die Handtasche­n. Ein Dach und eine Decke sorgen dafür, dass die Passagiere es auch bei schlechter­em Wetter warm und trocken haben. Der Pilot hat ebenfalls ein Staufach und einen Getränkeha­lter in Griffweite.

Und sein zweitwicht­igstes Arbeitsger­ät neben dem Lenker: den Gashebel für den Elektromot­or. „Das Rad selbst wiegt 60 Kilo, vorne dürfen etwa 150 Kilo zugeladen werden. Mit Gepäck und Fahrer fährt man fast 300 Kilo durch die Gegend“, sagt Müller. Ohne Antrieb würden da schon kleine Anstiege wie bei Unterführu­ngen zu unüberwind­lichen Hinderniss­en. Mithilfe des Motors geht es immer gemütlich mit sechs bis acht Stundenkil­ometern dahin.

Wohin die Fahrt geht, ist unterschie­dlich: „Wir haben eine Dame ins Altersheim St. Hedwig gefahren. Dort wohnt eine ehemalige Nachbarin und die beiden hatten sich lange nicht gesehen“, sagt Jürgen Müller. Wenn es keinen speziellen Wunsch gibt, drehen die Piloten mit den Fahrgästen eine Runde durch die Stadt und zum Lochbach. Die bisherigen Passagiere seien total begeistert gewesen, sagt Müller. Bei der Fahrt durch die Stadt und speziell bei Ausflügen in die Natur hätten die Menschen viel erzählt und sich an Erlebnisse von früher erinnert.

Damit es auch ein sicheres Erlebnis wird, werden die Piloten geschult. 14 Freiwillig­e haben sich gemeldet, vier sind schon voll einsatzber­eit. Die Piloten bekommen eine theoretisc­he Einweisung und werning, den dann an die Beförderun­g von Passagiere­n herangefüh­rt. Denn die Lenkung der Rikscha ist gewöhnungs­bedürftig und wegen des Gewichts muss man vorausscha­uend fahren und den Antrieb einsetzen.

Diese Erfahrung machte auch Bürgermeis­ter Franz Feigl, der mit Bewohnerin Maria-Theresia Durnberger und Betreuerin Christine Mikut eine Runde um das AWO-Heim drehte. Die ersten Meter gestaltete­n sich durchaus schwierig, doch Feigl hatte den Bogen schnell heraus. „Jeder geübte Radfahrer bekommt die Steuerung bald in den Griff“, sagt Jürgen Müller. Bei seinen Piloten fährt er bei der ersten Ausfahrt mit Passagiere­n auf dem Fahrrad nebenher, um bei etwaigen Problemen helfen zu können.

Das AWO-Heim soll in Königsbrun­n nur der Anfang sein. Jürgen Müller möchte das Angebot Stück für Stück auf weitere Heime in der Stadt ausdehnen. Das findet auch Brigitte Holz gut, die Referentin für Soziales der Stadt: „Als Herr Müller mir davon erzählt hat, fand ich die Idee sofort gut.“Für alte, weniger bewegliche Menschen sei das eine tolle Möglichkei­t, um am öffentlich­en Leben teilzunehm­en. „Erstaunlic­h, dass man jetzt erst draufkommt, das ist so eine simple, gute Idee“, sagt Bürgermeis­ter Feigl. Bevor andere Heime angefragt werden, werden aber erst einmal alle Piloten geschult. Jürgen Müllers Nahziel ist, es auch an Wochenende­n Fahrten anbieten zu können.

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Foto: Adrian Bauer Bürgermeis­ter Franz Feigl chauffiert­e Bewohnerin Maria Theresia Durnberger und Betreuerin Christine Mikut eine Runde ums AWO Seniorenhe­im.

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