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Bei Hochwasser schwammen die „Bockwürschtla“kielauf und wenn die Sickergrube geleert wurde, stank das schrecklich. Dennoch waren die Wohnverhältnisse nach dem Krieg auch schön
Nach den Zerstörungen, die der Zweite Weltkrieg auch in Augsburg angerichtet hatte, war die Wohnungsnot groß. Zudem strömten viele Heimatvertriebene (auf Augschburgerisch: „Flichtling“) nach Augsburg, die dringend Wohnraum benötigten. Ich selbst wuchs bei „Pflegegroßeltern“in Oberhausen in der Neuhoferstraße auf. Die Eltern – beide berufstätig – hatten nur eine Ein-Zimmer Wohnung in der Donauwörther Straße.
1954 zogen wir nach Vogelsang und bekamen eine Baracke zugewiesen. Ein Jahr später wurde eine kleine Wohnung in einem „Steinhaus“daneben frei, 1956 schließlich zogen wir nach Steppach – wegen meiner Einschulung. Die Wohnung war im „Koppoldblock“, benannt nach den Eigentümern des Blocks, die am Ort die Bäckerei Koppold betrieben. Parterre, zwei Zimmer und eine kleine Küche, aber kein Bad und keine eigene Toilette. Die befand sich für alle fünf Parteien im ersten Stock. Da führte ein langer Gang zum „Thron“– der war meistens besetzt.
Im ersten Stock wohnte die Familie Glaser, die aus Neudeck kam – so wie viele Heimatvertriebene in Augsburg. Herr Glaser arbeitete bei den Lechwerken als Zählermonteur und war der Erste im Haus, der sich ein Auto leisten konnte, eine BMW-Isetta. Da Herr und Frau Glaser auch zwei Kinder hat-
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ten, musste bei den Sonntagsausflügen im Auto eng zusammengerückt werden. Familie Glaser war auch die einzige im Block, die ein Telefon besaß. Dieses Telefon durfte auch – in absoluten Notfällen – von anderen Familien im Haus genutzt werden. Die beiden Kinder Brigitte und Gerlinde wurden noch in einem „Schaff“(NichtAugsburger sagen dazu Plastikwanne) im Wohnzimmer gebadet und ich selbst ging zur wöchentlichen Körperreinigung ins öffentliche Wannenbad nach Kriegshaber.
Heutzutage heißt es ja oft: „Jetzt wohnen wir schon seit einem Jahr in diesem Haus und kennen hier immer noch niemanden.“Das war in den 50er-Jahren im Block unmöglich! Damals kannte man jeden und bekam alles haargenau mit, was die Nachbarn bewegte.
So schimpfte Malermeister Fischer jeden Sonntagvormittag seinen Sohn Hugo aus, was wir die „Fischer’sche Sonntagspredigt“nannten. Neben Familie Fischer wohnte Familie Igelspacher, die erste im Haus, die sich einen Fernsehapparat anschaffen konnte. Wir Kinder im Haus durften am Nachmittag die Sendung „Sport – Spiel – Spannung“mit Klaus Havenstein anschauen. Hier begeisterte uns auch Luis Trenker, der lebhaft von seinen Kindheitserlebnissen erzählte. Ab und an kam nach der Tagesschau um 20.15 Uhr eine Tiersendung. Aber um 21 Uhr kamen die Eltern und bliesen zum Zapfenstreich.
Der Hof im Block war oft eine „Problemzone“. Denn der Hof gehörte den (lärmenden) Kindern. Die alleinstehende Dame – Kriegerwitwe – im Parterre beschwerte sich über uns nicht selten beim Hausbesitzer. Da die Alte Reichsstraße in Steppach zu dieser Zeit noch nicht kanalisiert war, gab es jährlich Überschwemmungen im Keller, wo dann die „Bockwürschtla“im Wasser kielauf schwammen. Da damals die wenigsten einen Kühlschrank besaßen, wurden die Lebensmittelvorräte im Keller gelagert. Hinten im Hof befand sich auch eine Sickergrube, die jährlich – mit viel Gestank – geleert wurde.
Auch Schulfreund Peter wohnte in einem Block. Da befand sich im Erdgeschoss ein Milchladen, bei dem auch am Sonntagvormittag geläutet werden konnte, wenn einem die Hefe zum Backen ausgegangen war. Auch in Augsburg wurden in den 50er-Jahren eilig neue
Blöcke errichtet. Entlang der Gabelsberger Straße, in Lechhausen, zum Beispiel in der Steinernen Furt, wo mein „Big Apple“-Freund Edgar aufwuchs.
ODer Autor Silva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettist ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburger“in Reinform. Er ist regelmäßig bei Hitradio rt1 zu hören.