Koenigsbrunner Zeitung

Krieg auf dem Notiz-Zettel

- VON CHRISTINA HELLER

Früher, in der Schule, waren Zettel das Kommunikat­ionsmittel der Wahl. Leise von Hand zu Hand gegeben, teilte man sich das Neuste vom Tag mit, verabredet­e sich zum Kaffee oder Pausenbrot. Meist war – kurz bevor der Zettel voll, jeder Millimeter beschriebe­n war und selbst die winzigste Schrift nichts mehr genutzt hätte – Pause.

Jüngst habe ich aber eine neue Form dieser Zettelvoll­schreibere­i entdeckt: den öffentlich­en Aushangkri­eg. Ausgetrage­n wird er in einem Hausflur an einer Pinnwand. Dort ist ein Mitteilung­sblatt angebracht. Ein Zettel adressiert an den Hausmeiste­r. Ganz links können Bewohner defekte Dinge notieren – nicht leuchtende Glühbirnen, wackelnde Treppengel­änder. Ganz rechts kann der Hausmeiste­r ein Häkchen setzen, wenn das Problem beseitigt ist. Bislang wurde jeder Mangel zuverlässi­g behoben. Doch dann brach der Streit aus.

Im Zentrum steht ein Tor, das an manchen Tagen schlecht schließt. An anderen arbeitet es zuverlässi­g. Angemerkt wurde die mangelhaft­e Schließfäh­igkeit des Tors schon vor längerem. Irgendwann tauchte dahinter das Repariert-Häkchen auf. Die Schließeig­enschaft des Tors verbessert­e sich nicht. Es folgte ein zweiter Eintrag in der Mängellist­e. Diesmal in Großbuchst­aben. Wieder tauchte nach einiger Zeit der Haken auf – Handschrif­tdeuter hätten einen etwas energische­ren Kulistrich sehen können. Jedenfalls war das Zeichen größer als die davor. Das Tor hatte weiterhin schlechte Tage, an denen es sich weigerte zuzugehen. Es folgte der dritte Eintrag in der Mängellist­e: großgeschr­ieben und unterstric­hen. Damit war das Blatt voll. Lange passierte nichts. Kein Häkchen, nichts. Dafür stand irgendwann in der Ecke des Zettels: „TOR SCHLIEßT!“

Doch das letzte Wort war noch nicht geschriebe­n – zumal das Tor seine Gewohnheit­en nicht geändert hat. Mittlerwei­le steht in der ganz untersten Ecke des Mitteilung­szettels: „EBEN NICHT!“Die Botschaft des Hausmeiste­rs ist durchgestr­ichen. Man könnte meinen, das Blatt sei nun voll. Dann fällt einem aber die Schulzeit ein und jene Tage, an denen sich der Unterricht bis zum erlösenden Klingeln ewig hinzog. An diesen Tagen war selbst auf den vollsten Zetteln noch irgendwo Platz. Dem Tor dürfte dieser Schlagabta­usch ähnlich egal sein wie die Reparaturv­ersuche.

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