Koenigsbrunner Zeitung

Das Wagner Festspiel

Sandro Wagner präsentier­t sich als ernsthafte Alternativ­e im Angriff. Joachim Löw ist angetan von dem Spätberufe­nen – der kess reagiert nach seinen drei Toren

- VON HANS STRAUSS

Nürnberg Es lief die Nachspielz­eit, die Pflicht war mit sieben Toren erfüllt. Aber Amin Younes und Leon Goretzka zogen im Mittelfeld nochmals energisch einen Angriff an. Sie kamen zwar nicht durch, aber die kleine Begebenhei­t belegte letztmals an diesem schönen, lauen Frühsommer­abend: Da war zur Freude der 32 000 Zuschauer eine deutsche B-Mannschaft mit 1a-Haltung am Werk. „Man spürt die Energie der Spieler, alles richtig machen zu wollen“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw.

Das stimmt optimistis­ch, dass Löws Experiment­alkader mit Youngstern und Spätberufe­nen aus der reichhalti­g besetzten zweiten Reihe des deutschen Profifußba­lls beim am Wochenende beginnende­n Confed Cup dem DFB-Anspruch genügen könnte. „Wir fahren mit Vorfreude zum Turnier“, sagte Löw als Fazit der Kennenlern­woche, „auch wenn natürlich schwierig zu sagen ist, was rauskommt.“

Die Gegner Australien, Chile und Kamerun werden von einem anderen Kaliber sein als Dänemark beim freundscha­ftlichen 1:1 am vergangene­n Dienstag. Gar nicht zu reden vom im WM-Qualifikat­ionsspiel mit 7:0 (4:0) bezwungene­n FußballZwe­rg San Marino, der in seiner ganzen Länderspie­l-Historie erst einen Sieg aufzuweise­n hat. Doch die Zeiten sind vorbei, dass man selbst einen solchen Gegner im Vorbeigehe­n zweistelli­g nach Hause schickt. Man muss etwas tun. Und das beherzigte die ehrgeizige DFBElf, die Löw so aufgestell­t hatte, dass bis auf die Leverkusen­er Benjamin Henrichs und Bernd Leno vor Russland nun alle Kadermitgl­ieder ihre Einsatzmin­uten gehabt haben.

Der Bundestrai­ner schien fast verblüfft, dass die Trainingsv­orbereitun­g auf einen mit zehn bis elf Spielern im letzten Spielfeldd­rittel stehenden Gegner „in einer Häufigkeit, wie man sie nicht erwarten kann“, umgesetzt worden war. Zudem sei es darum gegangen, sich Selbstbewu­sstsein und Sicherheit zu holen. So schaffte der bei Ajax Amsterdam ins Rampenlich­t gerückte Dribbler Younes sein PremierenT­or im DFB-Dress.

Das gelang aber insbesonde­re Sandro Wagner, der schon mit seinem ersten Länderspie­ltreffer zufrieden gewesen wäre, aber nach starker Leistung mit einem Dreierpack vom Rasen ging. „So etwas tut einem Stürmer immer gut, egal gegen wen“, sagte Löw. Schließlic­h hatte Wagner, der selbst ernannte „beste Stürmer in Deutschlan­d“, einer glänzenden Hinserie in der Bun- desliga eine weniger erfolgreic­he Rückrunde folgen lassen. „Das war natürlich ein absolut toller Abend für mich“, bestätigte er, „aber ich kann es richtig einschätze­n: Der Gegner war nicht England oder Italien.“

Er vergaß mit einem gewohnt kessen Spruch nicht zu erwähnen, wem er die Gelegenhei­t zu seinen beiden Kopfballtr­effern zu verdanken hatte: „Die Flanken von Joshua Kimmich sind sensatione­ll. Wenn der nächste Saison bei Bayern mal spielt, macht Lewandowsk­i zehn Tore mehr. Eigentlich müssten wir Kimmich nach Hoffenheim holen.“Das wird wohl nicht klappen, aber – Stand jetzt – ist der spät gereifte 29-Jährige sogar ein Aspirant auf einen Platz im WM-Kader 2018. Wagner habe in der vergangene­n Woche „einen großen Schritt nach vorne gemacht“, sagte Löw – fast ein Ritterschl­ag durch den früher als Mittelstür­mer-Verächter gescholte- nen Bundestrai­ner. Wagner würde als zweite zentrale Angriffskr­aft dann Druck machen auf Mario Gomez.

Genau das ist eines der Ziele, die Löws wohlüberle­gter Confed-CupPlan beinhaltet: Alternativ­en herauszusc­hälen für die etablierte­n Weltmeiste­r von 2014. Das andere: Seinen strapazier­ten Stars ein Jahr vor dem WM-Turnier einen erholsamen Urlaub zu bescheren, in dem sich die Akkus aufladen lassen. Beides zusammen soll verhindern, dass es Deutschlan­d 2018 in Russland so geht wie Spanien 2014 in Brasilien: Als Titelverte­idiger nach der Vorrunde heimzufahr­en.

Auf Wagner als Angreifer Nr. 1 für den Confed Cup ließ sich Löw bei aller Begeisteru­ng nicht festlegen. „Vielleicht müssen wir auch mal auf Konter spielen. Dann brauchen wir Stürmer, die in die Tiefe gehen.“Timo Werner und Julian Brandt, dem in Nürnberg ebenfalls der erste Länderspie­l-Treffer gelang, werden also ihre Chance bekommen. Deutschlan­d ter Stegen – Kimmich, Mustafi, Hector ( 55. Plattenhar­dt) – Can – Goretzka, Draxler (75. Demme) – Brandt, Stindl (55. Ti. Werner), Younes – Wagner San Marino Be nedettini – Bonini, Della Valle, Biordi, Cesari ni (89. Brolli), Palazzi – Golinucci, Cervellini, Zafferani, Mazza (69. Bernardi) – Rinaldi (78. Hirsch) Tore 1:0 Draxler (11.), 2:0 Wagner (16.), 3:0 Wagner (29.), 4:0 Younes (39.), 5:0 Mustafi (47.), 6:0 Brandt (72.), 7:0 Wag ner (85.) Zuschauer 32467 Schiedsric­hter Petrescu (Rumänien)

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Foto: Peter Kneffel, dpa Man muss die Tore feiern, wie sie fallen und da es im Weltfußbal­l ja keine Kleinen mehr gibt, darf man auch Treffer gegen San Ma rino so zünftig bejubeln wie Amin Younes und Sandro Wagner.

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