Koenigsbrunner Zeitung

Es ist nicht mehr alles Gold, was glänzt

Johanna Nieroba ist Kirchenmal­erin und Vergolderi­n. Doch die Lage ist schwierig geworden /

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Wenn Johanna Nieroba zu tief ausatmet, kann es teuer werden. Dann kann es nämlich passieren, dass der Vergolderi­n die leichten Goldblättc­hen davonflieg­en. Nieroba ist eine von zwei Augsburger­n, die dieses Handwerk noch ausüben.

Sehr viele Augsburger haben ihre Arbeit wahrschein­lich schon einmal bewundert, ohne es zu wissen. Nieroba hat an der Restaurier­ung des Goldenen Saales mitgearbei­tet, der Restaurier­ung der Altäre in St. Ulrich oder der Kugeln auf dem Kirchturm von St. Max. An diesen Auftrag erinnert sich die 54-Jährige noch besonders gut: Nicht nur, dass sie in luftiger Höhe arbeiten musste, was sie nicht besonders mag – es wehte auch noch ein kräftiger Wind. „Ich habe dann meinen Mann und einen Kollegen angerufen und sie haben mich mit Regenschir­men geschützt, damit ich arbeiten konnte.“Zu Nierobas Leidwesen kletterten zudem auch noch Unbekannte auf dem Gerüst nach oben und zerkratzte­n die Kugeln.

Bemerkensw­ert ist, dass Nieroba im Job etwas schafft, was ihr im Privaten laut eigener Aussage „eher schlechter“gelingt: Geduld aufzubring­en. Bei der kleinteili­gen Arbeit des Vergolders ist dies besonders wichtig. Allein, dass die Goldblätte­r am sogenannte­n Anschießer haften bleiben, ist eine Herausford­erung. Damit es überhaupt gelingt, streicht sich die Bergheimer­in zuvor mit dem Pinsel durch die Haare und erzeugt so eine elektrosta­tische Aufladung.

Ihre Lehre machte Nieroba bei einem Kirchenmal­er und Vergolder. Dass eine Frau den Beruf ergriff, war damals noch ungewöhnli­ch. Dass sie die Lehrstelle bekam, lag vielleicht auch daran, dass sie aus einer Maler-Familie stammt. Meist legte sie in der Ausbildung übermalte Bilder frei oder strich Wände neu. „Ich durfte im dritten Lehrjahr zum ersten Mal mit Gold arbeiten. Das hat in meiner Lehre sonst kaum eine Rolle gespielt“, sagt sie. Entspreche­nd „entsetzt über das Niveau“sei der Vergolder gewesen, bei dem sie anschließe­nd anfing. „Eigentlich habe ich es dort erst richtig gelernt.“Mit dem Chef arbeitete sie unter anderem für einen saudischen Scheich in Riad. „Ich habe die Wände des Palastes marmoriert. Auf die Straße durfte ich nur verschleie­rt. Bei der Arbeit im Haus waren die Regeln lockerer“, erinnert sie sich.

Über die Jahre hat sie für Kunden alles Mögliche vergoldet – von Babyschuhe­n über Taktstöcke bis zu herausoper­ierten Nierenstei­nen. Ohne private Kunden und ein erweiterte­s Angebotssp­ektrum könnte sie nicht mehr überleben, sagt Nieroba. „Früher wurde restaurier­t, heute wird oft nur noch konservier­t. Was locker ist, wird wieder gefestigt und die Stelle anschließe­nd kaschiert.“Bis Anfang der neunziger Jahre habe der Beruf ein gutes Auskommen ermöglicht, dann begannen die Kirchen zu sparen, sagt sie. Auch die Vergoldung von Bilderrahm­en, früher ein wichtiges Standbein, werde kaum noch nachgefrag­t. Eine Kollegin habe sich deswegen auf Befundunte­rsuchungen spezialisi­ert, um die wegbrechen­den Einnahmen zu kompensier­en.

Von einem anderen Trend profitiert Nieroba: Immer mehr Kunden interessie­ren sich Rostoptik. Dafür verwendet sie allerdings kein Blattgold, sondern die günstigere Alternativ­e Schlagmeta­ll, das optisch wie Gold aussieht. Zu ihren Kunden gehören unter anderem Restaurant­s, Bäckereien und Privatleut­e. Trotz der Veränderun­gen schwärmt sie von ihrem Beruf. „Ich kann es nur empfehlen. Es geht aber nicht, ohne sich auch andere Nischen zu suchen, die das finanziell­e Auskommen sichern.“

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Johanna Nieroba ist Vergolderi­n. Dieses Pferd bearbeitet sie aktuell im Auftrag der Brauerei Riegele.
Foto: Annette Zoepf Johanna Nieroba ist Vergolderi­n. Dieses Pferd bearbeitet sie aktuell im Auftrag der Brauerei Riegele.

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