Es ist nicht mehr alles Gold, was glänzt
Johanna Nieroba ist Kirchenmalerin und Vergolderin. Doch die Lage ist schwierig geworden /
Wenn Johanna Nieroba zu tief ausatmet, kann es teuer werden. Dann kann es nämlich passieren, dass der Vergolderin die leichten Goldblättchen davonfliegen. Nieroba ist eine von zwei Augsburgern, die dieses Handwerk noch ausüben.
Sehr viele Augsburger haben ihre Arbeit wahrscheinlich schon einmal bewundert, ohne es zu wissen. Nieroba hat an der Restaurierung des Goldenen Saales mitgearbeitet, der Restaurierung der Altäre in St. Ulrich oder der Kugeln auf dem Kirchturm von St. Max. An diesen Auftrag erinnert sich die 54-Jährige noch besonders gut: Nicht nur, dass sie in luftiger Höhe arbeiten musste, was sie nicht besonders mag – es wehte auch noch ein kräftiger Wind. „Ich habe dann meinen Mann und einen Kollegen angerufen und sie haben mich mit Regenschirmen geschützt, damit ich arbeiten konnte.“Zu Nierobas Leidwesen kletterten zudem auch noch Unbekannte auf dem Gerüst nach oben und zerkratzten die Kugeln.
Bemerkenswert ist, dass Nieroba im Job etwas schafft, was ihr im Privaten laut eigener Aussage „eher schlechter“gelingt: Geduld aufzubringen. Bei der kleinteiligen Arbeit des Vergolders ist dies besonders wichtig. Allein, dass die Goldblätter am sogenannten Anschießer haften bleiben, ist eine Herausforderung. Damit es überhaupt gelingt, streicht sich die Bergheimerin zuvor mit dem Pinsel durch die Haare und erzeugt so eine elektrostatische Aufladung.
Ihre Lehre machte Nieroba bei einem Kirchenmaler und Vergolder. Dass eine Frau den Beruf ergriff, war damals noch ungewöhnlich. Dass sie die Lehrstelle bekam, lag vielleicht auch daran, dass sie aus einer Maler-Familie stammt. Meist legte sie in der Ausbildung übermalte Bilder frei oder strich Wände neu. „Ich durfte im dritten Lehrjahr zum ersten Mal mit Gold arbeiten. Das hat in meiner Lehre sonst kaum eine Rolle gespielt“, sagt sie. Entsprechend „entsetzt über das Niveau“sei der Vergolder gewesen, bei dem sie anschließend anfing. „Eigentlich habe ich es dort erst richtig gelernt.“Mit dem Chef arbeitete sie unter anderem für einen saudischen Scheich in Riad. „Ich habe die Wände des Palastes marmoriert. Auf die Straße durfte ich nur verschleiert. Bei der Arbeit im Haus waren die Regeln lockerer“, erinnert sie sich.
Über die Jahre hat sie für Kunden alles Mögliche vergoldet – von Babyschuhen über Taktstöcke bis zu herausoperierten Nierensteinen. Ohne private Kunden und ein erweitertes Angebotsspektrum könnte sie nicht mehr überleben, sagt Nieroba. „Früher wurde restauriert, heute wird oft nur noch konserviert. Was locker ist, wird wieder gefestigt und die Stelle anschließend kaschiert.“Bis Anfang der neunziger Jahre habe der Beruf ein gutes Auskommen ermöglicht, dann begannen die Kirchen zu sparen, sagt sie. Auch die Vergoldung von Bilderrahmen, früher ein wichtiges Standbein, werde kaum noch nachgefragt. Eine Kollegin habe sich deswegen auf Befunduntersuchungen spezialisiert, um die wegbrechenden Einnahmen zu kompensieren.
Von einem anderen Trend profitiert Nieroba: Immer mehr Kunden interessieren sich Rostoptik. Dafür verwendet sie allerdings kein Blattgold, sondern die günstigere Alternative Schlagmetall, das optisch wie Gold aussieht. Zu ihren Kunden gehören unter anderem Restaurants, Bäckereien und Privatleute. Trotz der Veränderungen schwärmt sie von ihrem Beruf. „Ich kann es nur empfehlen. Es geht aber nicht, ohne sich auch andere Nischen zu suchen, die das finanzielle Auskommen sichern.“