Besondere Gäste in der Fuggerei
Ein Paar aus Japan machte gestern die zwei Millionen Besucher voll. Gezählt wird, seit 2006 zum ersten Mal Eintritt verlangt wurde. Warum der Tourismus die Existenz der Siedlung sichert und dennoch Gefahren birgt
Kenji und Sayuri Matsui aus Japan werden sich schwer tun, dieses Geschenk einzulösen: Als die beiden Deutschlandreisenden gestern in die Fuggerei kamen, um sich umzusehen und Bilder zu machen, standen sie plötzlich selbst im Mittelpunkt: Sie waren die zweimillionsten Besucher der Sozialsiedlung und bekamen – unter anderem – eine Jahreskarte überreicht.
Hätten sie sie regulär gekauft, hätten sie zehn Euro pro Person bezahlen müssen. Das ist der Preis, den die Fuggerei aktuell von Auswärtigen für ein Jahresticket verlangt; Augsburger bekommen es für die Hälfte. Ein einmaliger Besuch in der kleinen Stadt kostet vier Euro.
Bis vor gut elf Jahren war der Eintritt in die Fuggerei frei. Gegen den Widerstand der Stadt Augsburg und unter lauten Protesten der Augsburger führten die Fugger’schen Stiftungen im Mai 2006 schließlich die neue Regelung ein: Wer in die Fuggerei wollte, sollte künftig dafür bezahlen; zwei Euro waren es zunächst. Begründet wurde die unliebsame Entscheidung mit
Proteste gegen den Eintritt hört man kaum noch
der schwierigen wirtschaftlichen Lage: Die älteste Sozialsiedlung der Welt sei in ihrer Existenz bedroht, wenn man nicht neue Einnahmequellen erschließe.
Inzwischen wurden die Preise mehrmals erhöht, Proteste allerdings hört man selbst von Einheimischen kaum noch. Das mag daran liegen, dass die Fuggerei das Geld sichtbar reinvestiert: Heizungsanlagen, Dächer, Stromanschlüsse und Fenster der 67 Häuser wurden in den vergangenen Jahren sukzessive erneuert. Den laufenden Unterhalt für die Fuggerei bezifferte Stiftungsadministrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt vor einiger Zeit auf rund 500 000 Euro jährlich – ohne Renovierungen. Geld, das irgendwoher kommen muss, denn die 150 Bewohner zahlen jeweils nur 88 Cent Euro Miete kalt pro Jahr. Es ist der Preis, den Fuggerei-Gründer Jakob Fugger im Jahr 1521 festlegte. Wie im Stiftungszweck beschrieben, hat sich die Summe in 500 Jahren nie erhöht.
Die Zahl der Besucher ist erst seit der Einführung der Eintrittspreise messbar. Seitdem allerdings hat sie sich laut Auskunft von Fuggerei- Sprecherin Astrid Gabler stetig erhöht: Rund 200 000 Besucher pro Jahr kommen im Schnitt – Tendenz weiter steigend. Die Fuggerei profitiert damit von der allgemeinen Zunahme an Touristen in Augsburg; und natürlich vom eigenen Bekanntheitsgrad. Denn wer nach Augsburg reist, kommt mit ziemlicher Sicherheit auch in die Sozialsiedlung. Sie ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Bis zum Jahr 2021, wenn die Fuggerei ihr 500-Jähriges feiert, soll sich die Zahl der Besucher weiter erhöhen. Die Fugger’schen Stiftungen arbeiten bereits an entsprechenden Marketingstrategien. „Die Einnah- aus dem Tourismus sind für uns sehr wichtig“, sagt Gabler. Sie machen rund ein Viertel aller Einnahmen der Stiftung aus. Der Rest kommt aus der Wald- und Forstwirtschaft. Die allerdings wirft keine kontinuierlichen Erträge ab: In Jahren, in denen Stürme oder Schädlinge dem Forst zusetzen, drohte die Stiftungen zuletzt immer wieder in Schieflage zu geraten. Doch sie hat nun einmal eine Verantwortung gegenüber ihren Bewohnern.
Dennoch lassen sich die Besucherzahlen in der Fuggerei nicht ohne Ende steigern. Denn die Stadt mit ihren ockerfarbenen Häuschen ist kein Museum, sie ist eine Wohnanlage, deren Bewohner auch ein Recht auf Privatsphäre haben. Die Fugger’schen Stiftungen haben diesen Spagat bislang gut gemeistert. In den vergangenen Jahren haben sie zudem Wege gefunden, um die Bewohner nicht nur finanziell durch günstigen Wohnraum zu stützen, sondern sie auch sozial anzubinden. In einer Gesellschaft, in der sozial schwache Menschen immer mehr zu vereinsamen drohen, ist dies ein wichtiger Aspekt.
Die meisten Touristen kommen übrigens aus dem englischsprachigen Raum, gefolgt von Italienern, Spaniern und Franzosen. Auswärtimen gen die wahre Bedeutung der Fuggerei nahe zu bringen, ist nicht immer einfach. Deshalb arbeiten die Stiftungen auf ein noch umfassenderes Informationssystem hin. Kenji und Sayuri Matsui konnten gestern aber schon vieles genau hinterfragen – zum Teil sogar auf Deutsch, denn Kenji Matsui hat vor der Abreise nach Deutschland Vokabeln gepaukt. Die Jahreskarte übrigens werden die beiden wohl als Andenken behalten. Das zweite Geschenk, einen Gutschein für das Restaurant „Tafeldecker“in der Fuggerei, konnten die beiden sofort einlösen. Augsburg ist schließlich nicht nur schön – es schmeckt auch ...