Der Aufstieg einer Tänzerin
Mit vier Jahren begann Sarah Schäfer mit dem Ballettunterricht, mit 14 gewann sie den Kunstförderpreis. Inzwischen ist sie Mitglied der Junior Company des Bayerischen Staatsballetts und steht im Nationaltheater auf der Bühne
Wer im hellen Ballettsaal der HeinzBosl-Stiftung mitten im Münchner Stadtteil Schwabing durch die Luft springt, seine Pirouetten dreht, die Armhaltung im Spiegel kontrolliert, ist seinem Traum, als Tänzer auf der Bühne zu stehen, ein großes Stück näher gekommen. Hier erhalten die Mitglieder der Junior Company des Bayerischen Staatsballetts ihren letzten Schliff. Dieses Glück und der Stolz darüber, Mitglied dieses Ensembles zu sein, lassen auch Sarah Schäfer aus Biberbach (Landkreis Augsburg), ehemals Kunstförderpreisträgerin in Augsburg, strahlen.
Als Sarah vier Jahre alt war, begann sie mit dem Ballett. „Da war das noch ein richtiges Mädchenhobby“, erinnert sie sich heute. Mittlerweile ist sie 21, steht regelmäßig im Nationaltheater auf der Bühne und tourt mit ihrem Ensemble durch die Welt – nach Hong Kong etwa, wo sie im Februar auftrat.
Wer irgendwann als Ballerina über die Bühne schweben möchte, muss schon früh wissen, dass er dieses Ziel hat – in einem Alter, in dem man sich normalerweise noch nicht ernsthaft überlegt, welchen Beruf man einmal ergreifen möchte. In einem Alter vor allem, in dem man andere Dinge tun möchte, als täglich mehrere Stunden im Ballettsaal zu stehen. Sarah Schäfer war elf, als sie zum ersten Mal darüber nachdachte, Ballett professionell zu betreiben. Damals erlebte sie, wie einige ihrer Freunde bei der Tanzschule Otevrel an staatliche Akademien abgingen.
Mit 13 tanzte sie selbst in Berlin, Stuttgart und München vor, und erhielt bei allen drei Schulen eine Zu- sage. Sie entschied sich für Stuttgart, tauschte das Elternhaus in Biberbach gegen das Internat der John-Cranko-Schule, ging dort noch ein Jahr ins Gymnasium, verzichtete dann aber auf das Abitur und widmete sich ganz ihrer Ausbildung zur klassischen Tänzerin. Vor vier Jahren wechselte Sarah Schäfer nach München an die Akademie der Heinz-Bosl-Stiftung, weil sie dort ihre Ausbildung mit dem Bachelorgrad abschließen konnte. Dies sei ihr und ihren Eltern wichtig gewesen, denn es eröffne ihr später mehr Möglichkeiten, vom Tanz umzusatteln auf einen anderen Beruf, erklärt die 21-Jährige.
Doch noch macht sie sich darüber nicht viele Gedanken. „Was die Zukunft bringt, weiß ich doch gar nicht“, sagt sie und konzentriert sich deshalb erst einmal auf ihr Engagement in der Junior Company. Das ist eine Art Ausbildungscompany des Bayerischen Staatsballetts, in die man nach der Akademie wechselt. Zwei Jahre dauert dieses Engagement, das auch bezahlt wird. Nicht alle Absolventen der Akademie haben diese Chance, doch Sarah Schäfers Talent war offensichtlich, erzählt Ballettmeister Olivier Vercoutére. „Es braucht natürlich die körperlichen Voraussetzungen, aber auch eine gute Auffassungsgabe, um Anweisungen schnell umzusetzen“, beschreibt der Franzose die Anforderungen an Tänzer. Nicht zu vergessen sei auch die Persönlichkeit, die einer Tänzerin ihre Ausstrahlung gebe.
Da die Junior Company oft auch an den Produktionen des Staatsballetts beteiligt ist, kann Sarah Schäfer jetzt Bühnenerfahrung sammeln. In der jüngsten Münchner Produktion „Alice im Wunderland“tanzt sie mit, auch in „Giselle“und „La Bayadère“. Hinzu kommt das eigene Repertoire der Junior Company. „Noch nie habe ich so viel gelernt wie in diesem letzten Jahr“, sagt sie. „Jetzt weiß ich, wofür ich all die Jahre gearbeitet habe“. Choreografien von weit mehr als zehn klassischen und zeitgenössischen Balletten hat sie einstudiert, teilweise auch in unterschiedlichen Positionen, sodass sie schnell einspringen kann. „Ballett, das ist mehr als ein bisschen Rumhüpfen im Tutu zu Musik von Tschaikowsky“, sagt Sarah Schäfer mit einem Lächeln. Logisches Denken und Intelligenz gehören für sie genauso dazu wie die körperlichen Fähigkeiten und Musikalität. Nur so sei es möglich, sich die verschiedenen Choreografien einzuprägen.
Bisher sieht die junge Tänzerin ihre Stärke vor allem im klassischen Ballett. Nicht nur weil dies ihrem Typ und ihren körperlichen Voraussetzungen – lange Beine, hoher Fußspann – entspreche, sondern auch, weil der Schwerpunkt ihrer Ausbildung bisher darauf lag. „Für das Moderne braucht mein Körper mehr Zeit, um diese Bewegungen zu erfahren und zu erkunden“, hat sie festgestellt, „doch das interessiert mich jetzt immer mehr.“
Seit sie 14 ist, lebt Sarah Schäfer nicht mehr zuhause. „Heimweh habe ich aber nur ganz selten gehabt“, erinnert sie sich. Im Gegensatz zu ihren Mitschülern und Kollegen, die aus aller Welt kommen, habe sie es ja nie weit nach Hause gehabt. „Meine Eltern haben mich auch immer unterstützt und waren für mich da.“In München wohnt Sarah wie die anderen Mitglieder der Junior Company in einem kleinen Appartement im Haus der Heinz-Bosl-Stiftung. Gesellschaft hat sie also immer. Zusammen wird gekocht und gefeiert, gelacht und manchmal auch gelitten, wenn mal jemand verletzt ist und nicht tanzen kann. Hier ist Sarah eine unter vielen, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Und das genießt sie. „Als Kind haben mich meine Schulkameraden oft nicht verstanden und ernst genommen, wenn ich jeden Tag ins Ballett gegangen bin“, sagt sie. Viele von denen wüssten aber heute noch nicht, wie sie ihr weiteres Leben gestalten. „Ich bin stolz auf das, was ich mir in den letzten Jahren erarbeitet habe und habe immer ein Ziel gehabt.“Dem geht sie auch weiterhin Schritt für Schritt entgegen.