Auf Du und Du mit dem „Schiffschaukelbremsrr“Woisch no
Der Plärrer war in Augsburg schon immer eine Attraktion. Die Leopardenspur gibt es noch heute, einiges andere wurde abgeschafft. Und das hat auch gute Gründe...
Ende des 19. Jahrhunderts zog der Vorgänger des „Plärrers“von der Dult zum Kleinen Exerzierplatz. Ob dieser Vergnügungsort den Namen „Plärrer“bekam, weil da richtig „geplärrt“wurde, ist nicht sicher. Aber der Plärrer gehört zu Augsburg wie auch der Perlachturm oder die Fuggerei. Mehr „Augschburg“als der Plärrer geht fast nicht.
Natürlich war der Plärrer in den 50er und 60er Jahren nicht von Hightech-Maschinen dominiert, sondern von Muskelkraft, Mechanik und Handarbeit. Fangen wir an beim „Hau den Lukas“, wo Männer ihre Muskelkraft – oft bedingt durch reichlich Bierkonsum – sehr oft überschätzten. Mit dem schweren Holzhammer versuchten sie, die Eisenkugel möglichst weit hinauf zu befördern. Wenn dann ein Möchtegern-Schmeling die Kugel nur 80 Zentimeter über den Erdboden brachte, gab es unter den vielen Schaulustigen großes Gelächter. Aber der Höhepunkt eines jeden Plärrerbesuchs war zweifelsohne das „Teufelsrad“. Interaktives Vergnügen vom Besten. Für die jüngeren Leser: Es gab zwei Varianten, um auf dem Teufelsrad Erfolg zu haben. Die eine: Kinder und Jugendliche sprangen auf das sich drehende Teufelsrad, setzten sich hin und rückten eng zusammen – ungefähr so wie Schafe bei einem Wolfsangriff. Der Zeremonienmeister auf seiner Kuppel versuchte nun mit einem schweren Ball, der an einem Seil von der Decke herabhing, die auf dem Teufelsrad Versammelten herunterzustoßen. Die zwei, drei Personen, die sich bis zuletzt auf dem Teufelsrad hielten, konnten sich als Sieger fühlen. Am Ende wurden aber auch sie von der sich immer schneller drehenden Scheibe heruntergeschleudert.
Die zweite Variante des Teufelsrads war nicht so harmlos: Muskelbepackte Augsburger zogen sich Boxhandschuhe an und versuchten Kontrahenten von der Scheibe zu „hauen“. Traditionell waren Kämpfe zwischen amerikanischen Soldaten (auch keine Grischpela) gegen Oberhauser „Halbstarke“, die den „Backfischen“imponieren wollten.
Für die Kleinen gab es andere Sensationen. Das Karussell mit Feuerwehr oder Polizeiauto oder für Mutige die Geisterbahn. Auch „Fadenziehen“war für Kinder ein Muss. Mir lag das Fadenziehen ganz besonders und einmal gewann ich dort einen riesigen Teddybären. Ein Wurfspiel würde heute bestimmt nicht mehr zugelassen werden. Mit Bällen konnte man – sorry, aber es war so – auf „Türkenköpfe“(mit rotem Fez) zielen, die, wenn sie getroffen wurden, nach hinten umklappten.
Dann kam die „Leopardenspur“und das nasal gesprochene Hochdeutsch der Propagandisten: „Schnell noch dabei sein, das macht Freude, das macht Spaß, die nächste Fahrt geht rückwärts“– höre ich heute noch. Aber DER Ort des Nervenkitzels für uns Halbwüchsige war der Autoscooter. Der Autoscooter erfüllte zwei Sehnsüchte: Zum einen war das für uns hormongebeutelte Jungmänner der Ort auf dem Plärrer, um Mädchen kennenzulernen. „Die neue Fahrt beginnt“– und schon rannten wir Buben wie wild los, suchten uns einen Scooter aus und erspähten die zwei Mädchen, in deren Scooter wir hineinbumsen wollten. Aber der Autoscooter war auch eine Art frühe Disko. 1964 gab es wenig „Rockmusik“im Radio und beim Autoscooter kam den ganzen Tag Musik aus den Lautsprechern. Besonders erinnere ich mich an „Wooly Bully“– ein Lied, bei dem wir, des Englischen noch nicht mächtig, immer „volle Pulle“mitsangen. Aber auch Roy Blacks „Du bist nicht allein“gehörte damals zu meinen Lieblingsliedern.
Ja, auch Kettenkarussell und Schiffschaukel gehörten zum Standardrepertoire eines jeden Plärrers. Der „langhoradä Schiffschaukelbremsrr“hat sich bis heute im Augsburger Dialekt gehalten.
Ja, und beinahe vergessen: Jede Menge Leckereien gab es für uns auf dem Plärrer! Für die Kleinen Liebesperlen, abgefüllt in BabyNuckelfläschchen, gebrannte Mandeln (klar, die gibt es heute noch), rosarote Zuckerwatte, türkischer Honig und Magenbrot. Was an Letzterem gut sein sollte, habe ich nie richtig verstanden.
Ein Plärrergenuss war auch die Lachssemmel, von der ich erst viel später erfahren habe, dass das nur rot eingefärbte Fischschnitzel waren. Und nicht zuletzt der Steckerlfisch beim „Fischer Toni“. Während ich das schreibe, bekomme ich richtig Lust auf den nächsten Plärrer. Dauert aber noch. Leider ... Der Autor Silva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettist ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburger“in Reinform. Er ist auch bei Hitradio RT.1 zu hören.