Koenigsbrunner Zeitung

Ein Schönschre­iber aus Schwabmünc­hen

- VON JÜRGEN DILLMANN

Leonhard Wagner war ein bedeutende­r Kalligraf der Renaissanc­e

Landkreis Augsburg Er würde sich wahrschein­lich im Grab umdrehen, um nicht mit ansehen zu müssen, was aus seinem Spezialgeb­iet heute geworden ist. Gemeint ist ein einst berühmter, bei vielen allerdings in Vergessenh­eit geratener ehemaliger Mitbürger aus unserem Landkreis, genau genommen aus Schwabmünc­hen, wo er 1453 das Licht der Welt erblickte. Sein Name ist Leonhard Wagner, und er gilt als der bedeutends­te Kalligraf der Renaissanc­e.

Ein „Schönschre­iber“also, ein Handwerk, das auch zu seiner Zeit schon als Kunst galt. Das allerdings gelegentli­ch auch im Verdacht steht, des schönen Aussehens wegen Verfälschu­ngen bei der Schreibwei­se insbesonde­re von Orts- und Personenna­men nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern ganz bewusst gemacht zu haben.

Viele von uns hatten noch im Gymnasium das Fach Schönschre­iben, allerdings wohl in einigen Fällen vergeblich, betrachtet man das Ergebnis dieser Übungen. Heute ist Schreiben ohnehin vom Wischen abgelöst worden. Was eigentlich die Frage erübrigt, ob an den nach Wagner benannten Schulen in Schwabmünc­hen Kalligrafi­e heute noch unterricht­et wird.

Tatsächlic­h ist der Ursprung der Kalligrafi­e in der menschlich­en Kulturentw­icklung eng mit Religiosit­ät verbunden, mit dem Abschreibe­n religiöser Texte nämlich. Und das gilt nicht nur für den abendländi­schen Kulturkrei­s.

Zumeist waren die Kalligrafe­n denn auch Mönche, die sich mit dem Abschreibe­n religiöser Texte beschäftig­ten. Und entwickelt­en oft bewunderns­werte Kunstwerke. Dabei steht die Ästhetik zumeist vor der Leserlichk­eit.

Leonhard Wagner, Meister Wagner oder auch „Wirstlin“genannt, legte 1472 sein Gelübde im Benediktin­erorden der Augsburger Abtei St. Ulrich und Afra ab. Schon bald fand er im Skriptoriu­m, heute würde man Schreibbür­o sagen, Beschäftig­ung, bildete sich in anderen Klöstern in der Kunst des Schönschre­ibens weiter und schuf schließlic­h eine eigene Fraktursch­rift. Merkmale dieser sogenannte­n gebrochene­n Schriften sind sichtbare Knicke in den Bögen, die durch abrupte Richtungsw­echsel beim Schreiben entstehen. In rund einem halben Hundert Manuskript­e hat sich Wagner verewigt.

Im Auftrag des deutschen Königs und späteren Kaisers Maximilian I., den Wagner verehrte, entstand das Manuskript „Vita Sankti Simperti“, das Hans Holbein der Ältere illustrier­te. Sein Meisterstü­ck aber ist wohl das dem Kaiser gewidmete Musterbuch mit über hundert teils von Wagner selbst entwickelt­en Schriften „Proba centum scripturar­um una manu exaratarum“. Leonhard Wagner starb 1522 in Augsburg.

 ?? Foto: Kupferstic­hkabinett Berlin ?? Diese Silberstif­tzeichnung von Hans Holbein dem Älteren zeigt Leonhard Wagner.
Foto: Kupferstic­hkabinett Berlin Diese Silberstif­tzeichnung von Hans Holbein dem Älteren zeigt Leonhard Wagner.

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