Koenigsbrunner Zeitung

Auf einem Quadratmet­er wächst genug Weizen für 15 Semmeln

Der Landwirt Johann Fröhlich aus Thierhaupt­en erklärt, wie das Getreide wächst und warum er für seine Arbeit ein Mikroskop braucht. Die Tests sind auch deshalb wichtig, damit das Brötchen nicht gummiartig wird / Serie (1)

- VON STEFFI BRAND

Thierhaupt­en Wenn die Mähdresche­r über die Felder und Landstraße­n fahren, dann ist Erntezeit. Viele wissen gar nicht, was dabei auf die Wagen geladen wird. Und auch was mit dem Getreide passiert, ist vielen Verbrauche­rn fremd, obwohl sie doch fast tagtäglich Getreidepr­odukte konsumiere­n. Bei Johann Fröhlich in Thierhaupt­en lässt sich so manches Geheimnis lüften. Auf seinen Äckern baut er hauptsächl­ich Wintergers­te, Winterweiz­en und Hafer an – und zwar in dieser Reihenfolg­e: Die Gerste wird Mitte September ausgesät und ist ab Anfang/Mitte Juli reif zur Ernte. Die Weizensaat läuft von Ende September bis in den November, geerntet wird ab Ende Juli. Hafer wird im zeitigen Frühjahr ausgesät und zeitgleich mit dem Weizen geerntet.

Am meisten Platz hat der 57-Jährige für den Winterweiz­en reserviert. Aus den 60 Hektar Fläche ergibt sich ein Ertrag von acht bis zehn Tonnen. Ein Quadratmet­er Weizen bringt etwa 900 Gramm Körner – das entspricht etwa 750 Gramm Mehl. Daraus kann man ungefähr 15 Semmeln backen. Von einem Kilogramm Mischbrot, das der Verbrauche­r im Laden kauft, bekommt der Landwirt 14 Cent, sagt Fröhlich.

Wintergers­te baut er auf 30 bis 40 Hektar an und erntet im Durchschni­tt achteinhal­b bis neun Tonnen. Hafer liegt mit vier bis fünf Hektar Fläche und einem Ertrag von sechs Tonnen auf dem letzten Rang. Fröhlich gesteht: „Der Hafer ist eigentlich nur ein Lückenfüll­er.“Wichtig ist er dennoch, denn er lockert die Fruchtfolg­e auf. Dafür hat er ein ganz persönlich­es Erfolgskon­zept: Zweimal wird Getreide angebaut, dann einmal eine Hackfrucht wie Raps, Zuckerrübe, Mais oder Soja. Warum er so akribisch genau darauf achtet, dass es seinem Boden gut geht, erklärt Fröhlich kurz und bündig: „Der Boden ist das wichtigste Gut des Landwirts.“

Für die Qualität des Getreides ist aber natürlich nicht nur die Pflege des Bodens entscheide­nd. Beim Weizen ist auch die Sorte ausschlagg­ebend. Die Züchtungen von heute ermögli- chen im Vergleich zu früheren Jahren deutlich höhere Erträge: etwa zwei Tonnen mehr. Bei der Auswahl der Getreideso­rten helfen das Bundessort­enbuch, die Landessort­enversuche und der große Erfahrungs­schatz. Fröhlich setzt heuer auf die Sorte „Reform“, die als A-Sorte klassifizi­ert und als Qualitätsw­eizen eingestuft ist. Das bedeutet, dass bei der Überprüfun­g des Eiweißgeha­lts ein Wert zwischen 13 und 14,5 Prozent herauskomm­en soll. Weizen, der über einem Wert von 14,5 Prozent Eiweiß liegt, wird beispielsw­eise als Aufmischwe­izen oder für die Nudelprodu­ktion verwendet und gilt als E-Sorte mit höchster Qualität. C-Weizen wird als Futter- oder Keksweizen genutzt und hat Eiweißwert­e unter 11,5 Prozent. Dazwischen liegt der reguläre Brotweizen („B-Weizen“), dazu gibt es noch den Brauweizen. Die zweite A-Weizen-Sorte, auf die Fröhlich momentan setzt, ist die Sorte „Boregar“. Die baut er vor allem auf Feldern in Waldnähe an. Wegen seiner Grannen wird er nämlich von Wildschwei­nen gemieden. Auf den ersten Blick erinnert „Boregar“an Gerste. Und während dieser frühreif und schon sehr weit ist, beginnt die Sorte „Reform“gerade erst mit der Einkörnung. Das hat für den Landwirt auch den Vorteil, dass er die Sorten zu unterschie­dlichen Zeiten ernten kann.

Pro Hektar Anbaufläch­e Gerste und Weizen investiert Fröhlich etwa sechs bis acht Stunden von der Aussaat bis zur Ernte. Mit Blick auf die vergangene­n Jahre weiß der 57-Jährige, der bereits seit 40 Jahren als Landwirt tätig ist: „Die Schlagkraf­t hat sich durch die Maschineri­e deutlich verändert.“Früher musste man zehn bis zwölf Stunden pro Hektar aufwenden, heute sind es nur noch ungefähr sechs.

Während der Hauptwachs­tumsphase von Anfang April bis Mitte Juni ist eine ständige Bestandsko­ntrolle erforderli­ch. Auch muss sein Weizen – und der der anderen Bauern, die Fröhlich um Hilfe bitten – regelmäßig unters Mikroskop, um rechtzeiti­g krankhafte Veränderun­gen zu bemerken. Bei der Entscheidu­ng, ob Pflanzensc­hutzmittel angewendet wird oder nicht, helfen zusätzlich das Landwirtsc­haftsamt und ein Prognosemo­dell. Fröhlich sagt: „Wenn ich rechtzeiti­g mit einer Blattbehan­dlung beginne, brauche ich oft nur die Hälfte an Pflanzensc­hutzmittel. Das spart Geld und hält mein Feld sauber.“Doch an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Mit zwei hartnäckig­en Gerüchten möchte Fröhlich jedoch aufräumen: „Nur weil wir nachts fahren, heißt das nicht, dass wir etwas zu verbergen haben.“Er nutzt die kühleren Nachtstund­en, weil es windstille­r und die Verdunstun­g geringer ist. So sei die Behandlung möglichst effektiv. Und zum Zweiten wird nicht immer, wenn der Landwirt mit seiner Feldspritz­e unterwegs ist, Pestizid ausgebrach­t, betont er: Auch die N-Düngung (in flüssiger Form) werde so erledigt.

Die Qualitätsp­arameter „Eiweiß“und „Fallzahl“beeinfluss­en später in den Semmeln und im Brot das Backvolume­n und entscheide­n beim Bauern auch über den finanziell­en Ertrag. Fröhlich misst diese Werte direkt nachdem er vom Erntegut eine Probe entnommen hat. Auch die Prüfung des Feuchtegeh­alts ist Pflicht. Das teure Gerät lässt sich auf jede Getreidear­t einstellen. Und dann ist da noch die Bemessung der Fallzahl. Der 57-Jährige führt es vor: Mitten im Hof mahlt er schnell einige Körner zu Mehl. Davon füllt er wenige Gramm in ein Reagenzgla­s und gibt Wasser dazu. Nun wird das Wasser-Mehl-Gemisch für 60 Sekunden gepumpt. Anschließe­nd wird es spannend: Wie lange braucht der Stab, bis er fällt? Das Ergebnis dieses Tests zeigt, ob die Weizenqual­ität durch Auswuchs geschädigt ist. Quillt das Mehl kaum, ist die Fallzahl, die das Gerät nach einem Aufheizvor­gang misst, niedrig. Eine Semmel aus diesem Mehl würde gummiartig werden, wie ein Gummibärch­en.

Unsere gemessene Probe hatte einen Fallzahlwe­rt (FZ) von 346. Fröhlich erklärt: „Die Mühlen nehmen einen Weizen mit schlechter Fallzahl nur dann, wenn wir generell ein nasses Erntejahr haben.“Nur dann sei es möglich, einen Weizen auch mit 180 FZ zu verkaufen. Ansonsten wird dieser zu Futterweiz­en verarbeite­t. Der schlechtes­te Wert, der bis jetzt auf dem Hof gemessen wurde, lag bei 62 FZ. Der Weizen war wegen zu viel Regens während der Erntezeit bereits auf dem Acker ausgekeimt. Und so ist der Wunsch nach Regen auch ein gefährlich­er – denn zwischen wichtigem Regen und dem Regen, der die Fallzahl komplett ruiniert, liegt zur Erntezeit nur ein schmaler Grat.

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Johann Fröhlich aus Thierhaupt­en baut Wintergers­te, Winterweiz­en und Hafer an. Am meisten Fläche hat er für den Weizen reserviert. Daraus ergibt sich ein Ertrag von acht bis zehn Tonnen.
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