Das Geigenfest der Isabelle Faust
Vor 30 Jahren begeisterte die Gewinnerin des 1. Leopold-Mozart-Wettbewerbs erstmals die Augsburger. Jetzt kehrte sie wieder einmal in die Stadt ihres Karriere-Beginns zurück und bot einen sprühenden Abend mit Bach
„Isabelle Faust ist ein fantastisches Talent. Man muss sie fördern, sollte sie aber in Ruhe heranreifen lassen“– nicht nur Josef Suk, der große tschechische Geiger, war als JuryVorsitzender nach Fausts Sieg beim 1. Leopold-Mozart-Wettbewerb vor 30 Jahren überzeugt.
Auch das Publikum riss die damals erst 15-jährige Geigerin hin. Augsburg bedeutete für den Teenager den Schritt in die große Karriere, war aber auch ein Glücksfall für den frisch ins Leben gerufenen Wettbewerb. Wer Isabelle Faust 1987 nicht selbst erlebte, konnte vielleicht glauben, ihr sagenhaft junges Alter sei relativierend in die Jury-Entscheidung eingeflossen. Doch sie präsentierte neben ihrer geschmeidig funktionierenden Technik eine bereits phänomenale Gestaltungssicherheit. Es zeigte sich, dass sie den Noten mit reicher musikalischer Fantasie unerhörte Aspekte zu entlocken imstande ist. Ihr Auftritt in St. Anna am Wochenende war in dieser Hinsicht ein erneut hinreißendes Erlebnis. Mit den Barock-Spezialisten der Akademie für Alte Musik Berlin bildete sie eine organische Einheit.
Die Vielseitigkeit machte Isabelle Faust in Werken aus Barock, Klassik, Romantik und Moderne für Eliteorchester ebenso wie für SpezialEnsembles (u. a. Berliner Philhar- moniker, Boston Symphony, NKK Tokio, Freiburger Barockorchester) und Pultgrößen (John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Daniel Harding, Claudio Abbado, Andris Nelsons) zusehends interessant.
Wer sie nach den ersten Wettbewerbserfolgen (Augsburg, „Paganini“-Competition Genua) sofort förderte, war kein Geringerer als Yehudi Menuhin: Die Geigenlegende war selbst Dirigent des 2. Leopold- Mozart-Wettbewerbs 1991. Und was die Moderne betrifft, so werden vielleicht nur Anne Sophie Mutter noch so viele Kompositionen wie Isabelle Faust gewidmet. Sie erklärte in einem Interview: „Ich wollte schon immer eine Zeit lang heraus aus Deutschland…“
So folgten neun Jahre in Paris, wo sie in relativer Ruhe reifte, aber nicht vergaß, die schwierige Musikszene zu erobern. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen, heute ist sie Mutter eines Sohnes. Ihr „Ich wollte immer mal heraus“bedeutete einst sicherlich auch, dass sie neue Ausdrucksformen suchte. Jetzt lebt sie mit ihrer Familie in Berlin. Die ganze Bandbreite ihrer bisherigen Discografie führt mit verblüffender Regelmäßigkeit zu Auszeichnungen, und man ist erstaunt, wenn sie mal nicht in Bestenlisten auftaucht, sei es im Rahmen der Kammermusik oder der großen Solokonzerte. Als jüngstes CD-Juwel brachte sie Mozarts Konzerte heraus – Amadé als Ausdrucksvulkan im Rahmen einer beherrscht modellierten Form, unverzärtelt, feurig.
All dies kam in den Sinn, als jetzt die begeisterten Zuhörer in St. Anna den anderen großen alten Meister von ihr hörten, Johann Sebastian Bach. Mit der kongenialen Akademie für Alte Musik Berlin standen die beiden Violinkonzerte des Thomas-Kantors im Mittelpunkt – eine CD der Bach-Werke wird folgen. Die einfachen Dreiklang-Intervalle des E-Dur-Konzerts, fein, elektrisierend und bebend getuscht, stimmten ein auf ein schelmisch flatterndes, auch betörend bewegtes musikalisches Figurentheater Faust’scher Spielkunst. Sie stellte Bachs scheinbar streng trocken konstruierten Duktus als fantasiesprühendes und tänzerisches Geigenfest dar. Ebenso „las“man beim Hören des a-Moll-Konzerts wie in einem Märchenbuch: Die stoische, unbeirrbar-exakt wie ein Riese marschierende Bewegung des Orchesters im langsamen Satz forderte Isabelle Fausts fast listig intonierte, farblich wunderbar changierende „weibliche“Antwort heraus.
In der a-Moll-Suite, deren Soli in der Version BWV 1067a anstelle der Flöte (Badinerie!) der Violine vorbehalten sind, boten Isabelle Faust und ihre Begleiter einen furiosen, tänzerischen, manchmal fast zu stürmischen Pas de deux. Nachdem sich die Akademie mit einer expressiven Zeichnung der Symphonie h-Moll des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel präsentiert hatte, zog Isabelle Faust mit dem Konzertmeister und seinem Orchester im Doppelkonzert für zwei Violinen mit ineinander verschlungenen Klangströmen virtuos an einem Strang. Den stürmischen Beifall des Publikums, zu dem viele musikalische Augsburger Persönlichkeiten gehörten (stellvertretend genannt sei hier Generalmusikdirektor Domonkos Heja), belohnten Faust und Akademie mit einem tollen VivaldiSpuk.
Der Faust-Abend war der erste in einer Reihe von „Konzerten Mozartstadt Augsburg“, wie Simon Pickel, Leiter des Mozartbüros, verkündete. Er wurde von der Viermetz-Stiftung ermöglicht – in Gedenken an den 2016 verstorbenen großen Kultur-Mäzen.