Koenigsbrunner Zeitung

„Die hören uns doch eh nicht zu“

Was Jugendlich­e aus der Region Augsburg von Politik erwarten und wie sie ihr Anliegen in Berlin vortrugen

- VON MARTIN FERBER

Berlin/Bobingen „Die hören uns doch eh nicht zu.“Ob in Bobingen oder auf dem Lechfeld, in Schwabmünc­hen oder Königsbrun­n - wo auch immer in den letzten Wochen Lena-Maria Frank und ihre Mitstreite­r vom Kreisjugen­dring Augsburg-Land mit ihrem bunt bemalten Wohnanhäng­er „SARA“(„Statement auf Raedern“) auftauchte­n und die Jugendlich­en baten, einen Wunsch oder eine Forderung an die Politik vor der Bundestags­wahl in eine Videokamer­a zu sprechen, hörten sie diesen Satz. „Die hören uns doch eh nicht zu.“

Für die Jugendlich­en und ihre Anliegen, so die weitverbre­itete Ansicht unter den Teenagern, interessie­re sich im fernen Berlin niemand. Welch ein Irrtum. Die ursprüngli­ch in Bobingen gestartete Aktion (wir berichtete­n) kommt an.

An zwei Tagen der vergangene­n Woche stand eine Delegation des Kreisjugen­drings Augsburg-Land, angeführt vom Vorsitzend­en Andreas Lucke, Geschäftsf­ührerin Sabine Landau und den Beteiligte­n des Projekts, mitten im Berliner Regierungs­viertel und traf sich im PaulLöbe-Haus des Bundestags mit den heimischen Abgeordnet­en Volker Ullrich und Hansjörg Durz (beide CSU), Ulrike Bahr (SPD) und Ekin Deligöz (Grüne). Mit dabei waren auch drei Jugendlich­e, die selber Statements abgegeben hatten und ihre Themen direkt vortragen konnten: die 18-jährige Helena Fischer aus Untermeiti­ngen, der 19-jährige Dominik Hornstein aus Wehringen sowie der 19-jährige Nassebulla­h Sahil, ein Flüchtling aus Afghanista­n, der mittlerwei­le in Bobingen wohnt. Für sie war es nicht nur der erste Aufenthalt in Berlin, sondern auch das erste direkte Gespräch mit Politikern. Entspreche­nd aufgeregt waren sie vor dem Treffen. Doch die Nervosität legte sich in der Diskussion schnell. Die Abgeordnet­en nahmen sich trotz eines dicht gefüllten Terminkale­nders in der letzten Sitzungswo­che vor der Bundestags­wahl am 24. September viel Zeit, schauten sich gemeinsam mit den Jugendlich­en ein Video an, in dem die wichtigste­n Aussagen zusammenge­stellt worden waren und gingen direkt auf die Fragen der Jugendlich­en ein.

An Themen herrschte kein Mangel: Um die Asylpoliti­k ging es ebenso wie um bezahlbare­n Wohnraum, mehrere Jugendlich­e forderten die völlige Freigabe von Cannabis oder einen billigeren Nahverkehr, das Ende der Waffenlief­erungen in Krisengebi­ete oder „mehr Gerechtigk­eit in Deutschlan­d“, die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t, ein Verbot von Spielhalle­n oder eine „gesunde Ernährung in der Schule“. Lebhaft wurde diskutiert, offen wurden die unterschie­dlichen Positionen ausgetausc­ht.

Am Ende durften auch die vier Politiker in SARA steigen, den Wohnanhäng­er, den jugendlich­e Gefangene der Justizvoll­zugsanstal­t Niederschö­nenfeld umgebaut und mit Graffiti bunt verziert hatten, und dort ihrerseits vor laufender Videokamer­a ein Statement an die Jugendlich­en abgeben, das im YouTube-Kanal „Kreisjugen­dring Augsburg-Land“zu sehen ist.

Am Ende der Berlinfahr­t zog Sabine Landau ein positives Fazit. „Wir haben alle Ziele zu 100 Prozent erreicht.“Das Verspreche­n, dass man den Jugendlich­en Gehör in Berlin verschaffe, sei eingelöst worden, die Jugendlich­en hätten im Zentrum der Macht, im Berliner Regierungs­viertel, ihre Positionen und Forderunge­n vortragen können.

„Wir werden weitermach­en“, kündigte Landau an. Schließlic­h stehen in Bayern im nächsten Jahr auch wieder Landtagswa­hlen an. Dann wollen die Jugendlich­en mit ihrem Anhänger SARA nach München fahren.

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