Mit diesem Sofa beginnt für Millionen der Tag
Das „Morgenmagazin“von ARD und ZDF läuft seit 25 Jahren. Für viele ist die Sendung mit ihrer Mischung aus Unterhaltung, Politik und Wetter wie die erste Tasse Kaffee. Hinter der meist leichten Fernsehkost steckt harte Arbeit
Das wussten Sie bestimmt nicht: Ohne den Zweiten Golfkrieg im Irak und Kuwait sähe das deutsche Fernsehprogramm heute etwas anders aus. Es gäbe das „Morgenmagazin“von ARD und ZDF nicht. Denn die Idee zum „moma“ist 1991 während des Golfkrieges entstanden. Die Zuschauer sollten schon frühmorgens über die aktuellen Entwicklungen informiert werden.
Und das wurden sie auch – allerdings erst seit dem 13. Juli 1992 in der ARD und eine Woche später im ZDF. Inzwischen ist das wöchentlich abwechselnd produzierte und ausgestrahlte TV-Magazin aus dem Programm der öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr wegzudenken und feiert sein 25-jähriges Bestehen. Pünktlich ab 5.30 Uhr geht das „moma“werktäglich auf Sendung und versorgt Deutschland dreieinhalb Stunden lang mit Nachrichten, Reportagen und dem Wetterbericht – manchmal ernst, oft unterhaltsam, bisweilen recht witzig.
Einer der Moderatoren ist Sven Lorig. Der 45-Jährige moderiert seit Juli 2003 die ARD-Variante. Dafür steht der Westfale spätestens um ein Uhr nachts auf und fährt ins Studio nach Köln, wo der WDR das „moma“produziert (das ZDF-Studio steht in Berlin). Lorig schreibt dann Moderationstexte und bereitet sich auf die Themen der mehrfach preisgekrönten Sendung vor. Das ist richtig harte Arbeit. Würde er natürlich nie so sagen.
Trotz der zehrenden Arbeitszeiten, die von den Zeitabläufen denen eines Bäckers nicht unähnlich sind, spricht er nach wie vor begeistert von seinem Job. „Es ist toll, mit dem Land und seinen Menschen zusammen wach zu werden und den Tag zu erobern. Wir blicken, anders als zum Beispiel die ,Tagesschau‘, nicht zurück auf den Tag, sondern nach vorne: Was wird heute wichtig?“, sagt er. Das „moma“sei so reichhaltig wie das Leben. Zu Gast im Studio oder auf dem „moma“-Sofa sind Superstars, einfache Menschen, Politiker. Es gibt traurige und glückliche Momente. „Keine Sendung ist wie die andere“, sagt Lorig.
Nicht jeder ist dabei so ein begnadeter Frühaufsteher wie er. Seine ZDF-Kollegin Dunja Hayali räumt „Ich bin eigentlich ein Morgenmuffel!“An „moma“-Arbeitstagen steht sie trotzdem um 3.45 Uhr auf. Zu dieser Zeit saß Cherno Jobatey, der 2012 als ZDF-„Morgenmagazin“-Moderator ausschied, bereits auf seinem Heimtrainer.
Das frühe Aufstehen lohnt sich, das belegen die Zahlen: Mit einem Marktanteil von 20,1 Prozent im Jahr 2016 war das „Morgenmagazin“der Spitzenreiter unter den deutschen Frühinformationsprogrammen, wie sie bezeichnet werden. Die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer, die täglich das „moma“einschalten, liegt gegenwärtig bundesweit bei durchschnittlich 4,01 Millionen; zum Start 1992 waren es 1,76 Millionen. Auch beim jüngeren Publikum ist es erfolgreich: In der Altersgruppe der 14bis 49-Jährigen schalten täglich 1,09 Millionen ein. „Kaum eine Sendung im deutschen Fernsehen bietet so viel Rundum-Information über das aktuelle Geschehen in Deutschland und der Welt“, lobt denn auch pflichtschuldigst ZDF-Intendant Thomas Bellut. Die frühere WDRIntendantin Monika Piel beschrieb den Stellenwert der Sendung so: „Aus gutem Grund ist das öffentlich-rechtliche Frühstücksfernsehen für viele Menschen ebenso unverzichtbar wie die erste Tasse Kaffee am Morgen.“
Das liegt auch daran: Bei der Brexit-Entscheidung im vergangenen Jahr verkündeten die Moderatoren das Resultat des Referendums in Großbritannien live in der Sendung. Ebenfalls berichteten sie über die „Nacht der Entscheidung“bei der US-Präsidentschaftswahl vom 8. auf den 9. November 2016. Hinzu kamen immer wieder unvorhersehbare „Breaking News“-Situationen: Etwa als am 11. März 2011 um kurz nach 7.30 Uhr in den Nachrichtenein: agenturen gemeldet wurde, dass es in Japan ein Erdbeben gegeben und ein Tsunami die Küste erfasst hatte. Umgehend wurde zu den Korrespondenten nach Tokio geschaltet.
Unter dem Eindruck der Diskussionen um Geschlechtergerechtigkeit und eine Frauenquote produzierte die Redaktion am 13. Mai 2013 einen Tag nach dem Muttertag eine komplett „weibliche“Sendung. Der Redaktionsleiter wurde in Urlaub geschickt und sowohl vor als auch hinter der Kamera agierten ausschließlich Frauen – von den Reporterinnen und Moderatorinnen über die politischen Gesprächsgäste bis hin zur Live-Band.
Auch für eine ganze Reihe von „moma“-Moderatoren hat sich das frühe Aufstehen ausgezahlt: Für Maybrit Illner beispielsweise, die aus Ostberlin stammt, war die Sendung der Beginn ihrer TV-Karriere im wiedervereinigten Deutschland. Beim „moma“des ZDF war sie Moderatorin der ersten Stunde, 1998 wurde sie dessen Leiterin. 1999 bekam sie dann die Talkshow „Berlin Mitte“, die schließlich nach ihr benannt wurde. Das „Morgenmagazin“sei „die beste Schule der Fernseh-Welt“, sagte sie einmal in Erinnerung an „Schalten, die nicht standen, Interview-Gäste, die verschliefen, Scheinwerfer, die implodierten“– das sei Training fürs Leben. Auch andere machten Karriere: Steffen Seibert etwa wechselte später zu den „heute“-Nachrichten und wurde 2010 Regierungssprecher. Anne Gesthuysen ist inzwischen Bestseller-Autorin.
Manchmal macht das „moma“seine Moderatoren auch einfach nur glücklich: Als Sven Lorig die Rockheroen von Deep Purple zu Gast hatte, schenkte ihm deren Trommler Ian Paice seine Stöcke – Lorig ist passionierter Hobbyschlagzeuger.