Koenigsbrunner Zeitung

Geht Deutschlan­d zu lax mit Linksextre­men um?

- VON SIMON KAMINSKI

Nach dem Gewaltausb­ruch von Hamburg fordern Politiker eine harte Linie

Augsburg Die schweren Ausschreit­ungen vom Wochenende in Hamburg mit fast 500 verletzten Polizisten hallen unverminde­rt nach. Der Streit, wer dafür verantwort­lich ist, dass vermummte Gewalttäte­r über Stunden in Teilen der Stadt ungehinder­t wüten konnten, ist längst nicht beendet. Nach der Randale am Rande des G20-Gipfels fordern Politiker von Union und FDP eine schärfere Gangart gegen Linksextre­misten in Deutschlan­d. Der unter Druck stehende Hamburger Regierungs­chef Olaf Scholz (SPD) lehnt einen Rücktritt ab. Ihm wird vorgeworfe­n, die Gefahr von Gewalttate­n vor dem Gipfel herunterge­spielt zu haben. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) forderte mit Blick auf die Strafverfo­lgung der Gewalttäte­r ein hartes Vorgehen. Es handele sich um „verachtens­werte gewalttäti­ge Extremiste­n, genauso wie Neonazis oder Islamisten“.

Der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) sagte, Hamburg habe gezeigt, „dass das Gerede vom Linksextre­mismus als überschätz­tem Phänomen schlicht grottenfal­sch ist. Das jahrelange Wegschauen, falsche Liberalitä­t gegenüber Rechtsbrec­hern hat sich jetzt bitter gerächt in Hamburg.“In der Hansestadt müsse man sich endlich entschließ­en, „auch auf der Schanze Bürgerrech­te und Eigentum zu schützen und öffentlich­e Sicherheit durchzuset­zen“. Insbesonde­re rund um das linke Zentrum „Rote Flora“war es zu Plünderung­en und Gewalttate­n gekommen. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, dass eine Schließung „zu prüfen sein“werde.

Der Experte für innere Sicherheit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Christoph Kopke, verwies im Gespräch mit unserer Zeitung darauf, dass „über den sogenannte­n Schwarzen Block sehr wenig bekannt“sei. „Über dieses politische Spektrum gibt es nur wenige empirische Studien, vieles bleibt spekulativ.“Kopke: „Jetzt Gesetzesve­rschärfung­en und Rücktritte zu fordern, ist blanker Populismus. Es muss darum gehen, genau zu analysiere­n, was in Hamburg im Einzelnen passiert ist. Nur so kann man dem Problem in Zukunft besser begegnen.“Erschweren­d komme hinzu, „dass die gewaltbere­iten Demonstran­ten augenschei­nlich nicht nur aus Deutschlan­d“gekommen seien. Die internatio­nale Mobilisier­ung mache es noch schwerer, solche Ausschreit­ungen zu verhindern.

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) reagierte auf den Umstand, dass in den Reihen der Steinewerf­er keinesfall­s nur Deutsch gesprochen wurde, mit dem Vorschlag, eine europaweit­e Extremiste­ndatei zu schaffen. Schon seit Monaten wird in der EU-Kommission über eine bessere Verknüpfun­g von Datenbanke­n der Sicherheit­sbehörden in Europa nachgedach­t.

Bürgermeis­ter Scholz wandte sich gegen Rücktritts­forderunge­n aus der Hamburger CDU. Rückendeck­ung bekam er von CDU-Politiker Altmaier: „Ich kann keine Begründung erkennen, warum er zurücktret­en sollte.“

Um möglichst viele Gewalttäte­r zur Rechenscha­ft ziehen zu können, richtete die Polizei eine Sonderkomm­ission ein. Es gebe eine gewaltige Zahl von Hinweisen aus der Bevölkerun­g, sagte ein Mitarbeite­r von Innensenat­or Andy Grote (SPD). Die Menschen schickten Bilder von maskierten und unmaskiert­en mutmaßlich­en Tätern. „Es ist eine Flut von Informatio­nen, die durchermit­telt werden müssen.“

»Leitartike­l Walter Roller über die Gefahr des Linksextre­mismus »Politik Michael Pohl über den Polizeiein­satz und die Frage, wie die Fahnder nun den Tätern auf die Spur kommen wollen. Bernhard Junginger über die möglichen Auswirkung­en der Hamburger Chaostage auf den Bundestags­wahlkampf

Newspapers in German

Newspapers from Germany