Koenigsbrunner Zeitung

Radikalisi­erte wissen wenig vom Islam

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Gewaltbere­ite Jugendlich­e im Fokus

Osnabrück/Bielefeld Junge Menschen, die sich gewaltbere­iten radikalisl­amischen Gruppen anschließe­n, wissen oft sehr wenig vom Islam. „Man kann sagen, sie bauen sich ihren eigenen ,Lego-Islam‘“, sagte Michael Kiefer vom Institut für Islamische Theologie der Universitä­t Osnabrück. Er untersucht­e in einer Studie zusammen mit dem Institut für interdiszi­plinäre Konfliktun­d Gewaltfors­chung der Uni Bielefeld eine gewalttäti­ge salafistis­che Jugendgrup­pe.

Ausgewerte­t wurden 5757 Postings einer WhatsApp-Gruppe, der zwölf Männer im Alter von 15 bis 35 Jahren angehörten. Ihr Chat zeigt die Gruppendyn­amik unmittelba­r vor einem geplanten Anschlag. Zur konkreten Tat wollten die Forscher keine Angaben machen, aus Anspielung­en in der Studie wird aber deutlich, dass es sich um den Anschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen im Frühjahr 2016 handelt, bei dem drei Menschen verletzt wurden. Wegen der Tat waren drei 17-Jährige zu Jugendstra­fen zwischen sechs und sieben Jahren verurteilt worden. Die Mitglieder der Gruppe hätten so gut wie keine Bindung an Moscheegem­einden oder traditione­lle Formen des Glaubens gehabt, fanden die Forscher heraus. Die Gruppe betrachte die Mehrheit der Muslime, die nicht ihren radikalen Ansichten folge, als Feinde. Die Anfälligke­it für Angebote im Netz sei bei den Jugendlich­en hoch.

In dem WhatsApp-Protokoll werde eine „ganz normale Suchbewegu­ng im Netz“deutlich, diskutiert werde über Dinge, die für Heranwachs­ende wichtig seien, etwa über Beziehunge­n, Freundscha­ften oder Sex, sagte der Direktor des Instituts für interdiszi­plinäre Konfliktun­d Gewaltfors­chung der Uni Bielefeld, Andreas Zick. Die Vorstellun­gen der Gruppe seien „naiv und romantisie­rend“: Die Jugendlich­en träumten davon, auf den Schlachtfe­ldern des Dschihad zu stehen und dabei zum Mann zu werden. Zick sagte, der „digitale Dschihad“sei jugendnah, weil er normale Fragen radikal beantworte. Anziehend sei eine radikale Jugendkult­ur „mit Vollaussta­ttung“, die Lösungen für Entwicklun­gsfragen gebe. „Dschihad ist zur Leitkultur geworden, Dschihad gibt es schon im Kinderzimm­er“, sagte Zick.

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