Koenigsbrunner Zeitung

Was die Chaostage im Wahljahr bedeuten

- VON BERNHARD JUNGINGER

Die Parteien verurteile­n das Verhalten der Gewalttäte­r und reden ausführlic­h über das Thema Sicherheit

Berlin Der Kampf um die Deutungsho­heit über die schweren Ausschreit­ungen von Hamburg läuft auf Hochtouren – wie sich die Parteien jetzt positionie­ren, kann für die Bundestags­wahl von größter Bedeutung sein. Für Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ist die Hoffnung, der Gipfel möge in ihrer Geburtssta­dt für schöne Bilder mit den Mächtigen der Welt und damit für Rückenwind im Wahlkampf sorgen, durch die schweren Ausschreit­ungen geplatzt. Energisch verteidigt sie nun die Entscheidu­ng, den Gipfel in Hamburg auszuricht­en, verdammt die Gewalttate­n und lobt die Arbeit der Polizei. Indem sie den Menschen, die bei den Krawallen verletzt wurden oder deren Eigentum zerstört wurde, schnelle und unbürokrat­ische Hilfe des Bundes in Aussicht stellt, präsentier­t sie sich als tatkräftig­e Krisenmana­gerin.

Wahlkampft­hema Nummer eins bleibt indes die Sicherheit, nach Hamburg umso mehr. Und in diesem Bereich halten viele Wähler die Unionspart­eien für besonders kom- petent. Im Programm der Union für die Bundestags­wahl ist ohnehin das Verspreche­n enthalten, 15 000 zusätzlich­e Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern zu schaffen.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert verweist am Montag zwar darauf, dass für das Sicherheit­skonzept beim G20-Gipfel die Verantwort­ung bei der Hansestadt Hamburg liegt, ansonsten aber ist aus dem unmittelba­ren Merkel-Umfeld nicht einmal ein Hauch einer Kritik an Hamburgs SPD-Bürgermeis­ter Olaf Scholz zu hören. Im Gegenteil. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) weist die Rücktritts­forderunge­n seiner Hamburger Parteifreu­nde ausdrückli­ch zurück.

Dennoch wird sich Olaf Scholz noch lange mit der Aufarbeitu­ng der Gipfel-Krawalle herumschla­gen müssen – auch wegen unglücklic­her Äußerungen, in denen er die Sicherheit­sanforderu­ngen des Gipfels mit denen des Volksfests Hafengebur­ts- tag verglichen hat. Für Sicherheit­sfragen sind nun mal die Bundesländ­er zuständig, nach der Kölner Silvestern­acht von 2015 ist vor allem die rot-grüne Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen in die Kritik geraten, die nicht zuletzt deshalb inzwischen abgewählt wurde.

Für die Kanzler-Ambitionen von Martin Schulz wäre eine anhaltende Diskussion um seinen Parteifreu­nd natürlich ebenso wenig hilfreich wie die drei Niederlage­n der SPD bei den jüngsten Landtagswa­hlen. So bezeichnet er gestern die Schuldzuwe­isungen an Scholz als „dumm“und verurteilt die Gewalttäte­r, die eine Stadt in Geiselhaft genommen hätten, scharf: „Das hat Züge von Terrorismu­s.“

Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Stephan Mayer (CSU), sagte, die Senate in Hamburg und Berlin dürften „nicht länger Hausbesetz­ungen durch die linksextre­mistische und autonome Szene und damit rechtsfrei­e Räume in der Roten Flora und der Rigaer Straße dulden.“Auch FDP-Chef Christian Lindner sagt: „Ich halte es nicht für akzeptabel, dass in unserem Land rechtsfrei­e Räume toleriert werden. Das sind Biotope, über die Gewaltexze­sse vorbereite­t werden.“

Die Grünen äußern sich bestürzt. Solche Ausschreit­ungen seien „weder revolution­är noch systemkrit­isch, sondern schlicht kriminell“, sagen die Spitzenkan­didaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.

Aus dem Kanzleramt keine Kritik an Olaf Scholz Warum die Linke jetzt in die Defensive geraten könnte

Die Linksparte­i gerät nach den Hamburger Krawallen in die Defensive. Zwar betont Parteichef Bernd Riexinger: „Die Linke hat mit dem Linksextre­mismus gar nichts zu tun.“Doch der aktuelle Verfassung­sschutzber­icht spricht eine andere Sprache. In ihm tauchen sieben „offen extremisti­sche Strukturen“in der Linksparte­i auf, darunter die „Kommunisti­sche Plattform“, die „Sozialisti­sche Linke“und die „Antikapita­listische Linke“. Auch im Vorfeld der Krawalle haben Linken-Vertreter angebliche „äußerst brutale Übergriffe“der Polizei auf Demonstran­ten angeprange­rt.

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Foto: dpa Auch CDU Politiker nehmen diesen SPD Mann in Schutz: Olaf Scholz.

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