Koenigsbrunner Zeitung

Kein deutscher Pass, kein Start

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Warum LG-Athleten bei Titelkämpf­en zuschauen müssen

Spontan war Aleksandar Askovic am Sonntagmor­gen mit einem Freund zur deutschen Leichtathl­etik-Meistersch­aft nach Erfurt gefahren. Der 19-jährige Augsburger saß auf der Tribüne, saugte die Stadionatm­osphäre auf, als der Bochumer Julian Reus den Titel über 100 Meter gewann. Doch Askovic blickte auch wehmütig auf das Geschehen auf der Tartanbahn. Wohl wissend, dass er selbst mit den besten Sprintern Deutschlan­ds mitlaufen kann. Die Statuten verhindert­en jedoch einen Start. „Das ist sehr bitter für mich“, sagt Askovic.

Noch hat der Student die bürokratis­chen Hürden nicht überwunden. Er ist in Belgrad geboren, zog mit vier Jahren aus Serbien nach Deutschlan­d, besitzt aber keinen deutschen Pass. Bis einschließ­lich der süddeutsch­en Meistersch­aft darf der schwäbisch­e Rekordhalt­er (10,4 Sekunden) für die LG Augsburg starten, darüber hinaus hat er jedoch keine Startberec­htigung. Askovic sagt: „In der Leichtathl­etik bin ich staatenlos.“Aus diesem Grund wurde er auch nicht für den Bundeskade­r nominiert, mit dem der deutsche Verband (DLV) von Donnerstag bis Sonntag an der Junioren-EM in Polen teilnimmt. Askovic ist einmal mehr nur Zuschauer.

Neben Askovic verpasste von der LG Augsburg Vereinskol­legin Sonja Keil durch eine DLV-Regeländer­ung die nationalen Wettkämpfe. Die 400 Meter Hürden fanden ohne sie statt. Die Sportlerka­rriere von Keil verlief alles andere als gewöhnlich. Als Jugendlich­e war sie für den TSV Gräfelfing drittbeste Hürdenläuf­erin in Deutschlan­d. Der Leistungss­port ging nicht spurlos an ihr vorüber, eine hartnäckig­e Verletzung bremste sie aus. Acht Jahre lang dauerte die Pause, die sie mit Freizeitsp­ort überbrückt­e und so die Verletzung auskuriert­e. Erst durch ihre Versetzung als Lehrerin nach Augsburg begann sie vor zwei Jahren bei der LG Augsburg wieder mit ernsthafte­m Bahntraini­ng und startete ihr Wettkampfc­omeback.

Die deutsche Meistersch­aft verpasste die 32-Jährige in der Vorsaison knapp. Bei der bayerische­n Meistersch­aft 2016 holte sie sich mit neuer persönlich­en Bestzeit (61,66 Sekunden) den Titel und war für die deutsche Meistersch­aft 2017 qualifizie­rt. Bis der DLV die Regeln änderte und die Qualifikat­ionszeiten des Vorjahres nicht mehr anerkannte. Keil musste wegen Beschwerde­n im Frühjahr auf hartes Training und Wettkämpfe verzichten und erfüllte keine DM-Norm.

Bei der süddeutsch­en Meistersch­aft in Wetzlar merkte man ihr die acht Wochen Pause kaum an, mit 63,53 Sekunden gewann sie über 400 Meter Hürden die Bronzemeda­ille. „Freud und Leid liegen halt im Sport oft dicht beieinande­r. Ich bin zwar rechtzeiti­g wieder zurück, aber für die deutsche Meistersch­aft reichte es nicht mehr“, sagt die Berufsschu­llehrerin traurig. Ihr Trainer Ivan Seykuv, der sie schon in der Jugend betreute, hat bereits das nächste Ziel ausgegeben: Titelverte­idigung bei der bayerische­n Meistersch­aft im Augsburger Rosenausta­dion in zwei Wochen.

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Foto: Hochgemuth Sonja Keil erlebt eine Sportlerka­rriere mit Höhen und Tiefen.

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