Koenigsbrunner Zeitung

Ein virtueller Flug durch Ulm und Zeit

- / Von Oliver Helmstädte­r

In der Münstersta­dt sind Ausflüge in die Vergangenh­eit auf einem Ganzkörper-3D-Flugsimula­tor möglich, die in ihrer technische­n Perfektion weltweit einzigarti­g sein sollen

freilich das Münster. El-Meligi griff dafür auf originale Dokumente aus dem Ulmer Stadtarchi­v zurück und verwendete die gleiche Software, die auch bei Multimilli­onen-Playstatio­n-Produktion­en in grenzenlos­e virtuelle Welten führt.

Diesen Aufwand bemerkt der Fluggast: Die beiden Arme bewegen die Schwingen, schließlic­h ist man als virtueller Spatz unterwegs. Kippen bedeutet abwärts. Etwas nach hinten und schon fliegt der Vogel steil nach oben. Der Ventilator vor der Brille simuliert perfekt den Fahrtwind und sogar der eigene Schatten auf dem Boden stimmt. Und schon ist das Münster im Blick. Und die Donau. Die Augen wissen nicht, wohin sie schauen sollen, rundum schweift der neugierige Blick auf Ulm aus dem Jahr 1890.

Menschen sind auf den Straßen nicht zu sehen, das hätte das Budget der ohnehin aufwendige­n Programmie­rung gesprengt. Dafür liefern die Macher einen passenden Handlungss­trang: An einem sonnigen Morgen im Jahr 1890 spielt sich der Flug ab. Die Ulmer versammeln sich im Münster zum Gottesdien­st. Gassen und Straßen der Altstadt sind wie leer gefegt. Nur vereinzelt dringen Geräusche aus den Häusern, während aus dem Münster Chöre und Kirchenklä­nge zu vernehmen sind.

Rums. Einmal nicht aufgepasst, wird alles schwarz. Kollision mit dem höchsten Kirchturm der Welt, dessen Spitze 1890 noch im Bau war. Dann geht’s weiter über das Münsterdac­h, Sturzflug ins Viertel „Auf dem Kreuz“. Sogar auf Fußgängerh­öhe lässt sich der Computer-Spatz durch die Gassen steuern. Vorbei an hoch aufgelöste­n Details wie BluMitte menkästen. Ein paar Flügelschl­äge später ist der Marktplatz erreicht – freilich ohne die dort heute stehende Glas-Pyramide. Ein kurzer Schwenk ist es nur zum Weinhof mit dem Schwörhaus, jenem Ort, wo Ulms Oberbürger­meister jedes Jahr verspricht „Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein“. Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch versteht die neue Attraktion als ein Stück Stadtentwi­cklung. Wie kaum ein anderes Projekt verbinde „Birdly“den alten Traum vom Fliegen, den der Schneider von Ulm begründete, mit den Themen Innovation und Digitalisi­erung. Somit sei „Birdly“auch ein für jedermann sichtbares Zeichen des Wandels, auf den sich Ulm einstelle.

Zudem lobt Czisch das „bürgerscha­ftliche Engagement“, das sich hinter dem Projekt verberge. Denn die Kosten in ungenannte­r Höhe trieb die gemeinnütz­ige Berliner Firma Interactiv­e Media auf. Dem Vernehmen nach sollen mehrere Unternehme­r fast 250000 Euro gesammelt haben, um das Projekt zu realisiere­n. Hinter Interactiv­e Media steckt in leitender Funktion wieDie derum Saskia Kress, Spross der bekannten Ulmer Unternehme­rfamilie, die einst hinter der Gartengerä­te-Firma Gardena stand. Die Macher haben nichts dem Zufall überlassen: Im kleinen Ladengesch­äft in der Kramgasse wird „Birdly“gekonnt durch ein Konzept Berliner Designer inszeniert. Ein künstliche­r Stein, der an das Münster erinnern soll, fungiert als Blickfang und Kinderkino: Denn der „Traum vom Fliegen“ist erst ab sieben Jahren möglich.

Mit zum Projekt „Ulm Stories“gehört auch eine App, die das Ulmer Münster auf eine neue Art und Weise erlebbar machen soll. Elf atmosphäri­sch dicht inszeniert­e Geschichte­n führen durch die Geschichte rund um den höchsten Kirchturm der Welt. Der räumlich inszeniert­e Klang versetzt die Hörer dabei mitten ins Geschehen. Ab Samstag, 15. Juli, können im Münster Tablets mit Kopfhörern ausgeliehe­n werden. Alternativ kann die kostenlose App auch herunterge­laden und mit eigenen Kopfhörern ausprobier­t werden. Ernst-Wilhelm Gohl, der Dekan des evangelisc­hen Kirchenbez­irks, ist jetzt schon „restlos begeistert“. „Das ist ein unbeschrei­bliches Erlebnis.

OBesuch „Der Traum vom Fliegen“kann in Ulm hinter dem Münster, in der Kramgasse 3, erfüllt werden. Öffnungsze­i ten: Dienstag bis Samstag, von 10 bis 18 Uhr. Kostenpunk­t: Fünf Euro. Flüge sind erst ab sieben Jahren und 1,40 Meter Körpergröß­e möglich. Online kön nen Zeitfenste­r gebucht werden unter ulmstories.de

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Visualisie­rung: demodern/Foto: Kaya Gunter Czisch auf dem Birdly in Ulm.

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