Hinreißende Diana Damrau
Auch jetzt in Augsburg zog der Opernstar alle Ohren und Augen auf sich. Wie es die Sängerin spielend schafft, das Publikum auszubremsen und wieder aufzuheizen...
Augsburg „Ich erlaube Euch, gut wie ich bin, dass Ihr meine reizende Persönlichkeit anbetet!“
Das singt sie, diese Diana Damrau, in einer ihrer Paraderollen. Sie singt es angesichts der Pariser Monde und Demimonde, sie singt es als Manon aus Massenets gleichnamiger Oper, sie singt es ausgekocht und faustdick hinter den Ohren.
Und was passiert? Nicht nur die Pariser Monde und Demimonde, sondern auch Augsburgs musikliebende Gesellschaft tut exakt das, was Diana Damrau soeben kapriziös erlaubt hat: ihre reizende Persönlichkeit anzubeten. Das Auditorium tobt schon zur Pause, weil es von der DD mit all ihrem Charme und ihrer überbordenden Spiellust und ihrem unerhört glitzernden Sopran und ihrer Kunst des Gestikulierens und ihrer Präsenz und ihrer Ausstrahlung mal wieder um den kleinen Finger gewickelt worden war. Sie hat sich als Schönheit aus der Provinz hinter vorgehaltener Hand erst geziert, hat dann ein wenig kokettiert, um schließlich – sogar eine Spur lasziv – den Herren in der ersten Reihe der Augsburger Kongresshalle gleich- sam auf die Brust zu tippen. Jetzt springt der Funke über, jetzt hat sie ihr Publikum im Griff, jetzt kann sie es im Spontanapplaus sofort ausbremsen mit gespreizten Fingern – um es dann wieder anzuheizen. Diese Manon, diese Diana Damrau ist hinreißend. Eine jener Königinnen der Herzen, die alle Blicke auf sich ziehen – wie es bei Massenet heißt.
Und diese „Bin ich hübsch?“-Nummer blieb nur eine, aber vielleicht die entscheidende große Szene bei diesem Benefizkonzert für die Eva-Luise-und-HorstKöhler-Stiftung, die Menschen mit seltenen Erkrankungen hilft. Andere Glücksmomente des Opernabends, der entgegen aller herrschenden Regel sogar Blumen am Bühnenrand aufbot, zusätzliche Scheinwerfer und farbiges Stimmungslicht (was zu Bach, Beethoven, Brahms und Bruckner ganz und gar nicht passt) – andere Glücksmomente also waren: Damraus seelische Verausgabung in einer Arie der Isabelle aus Meyerbeers Oper „Robert le diable“(inklusive Englischhorn-Solo!) und ihre Elena aus Verdis Oper „Sizilianische Vesper“. Da teilte sich speziell in den abschattierten Passagen mit, welche Leichtigkeit, Biegsamkeit und Stimmvirtuosität ihr auf Abruf zu Gebote steht – neben aller französischen Chanteuse-légère- und aller italienischen Belcanto-Stilistik.
Nicht nur Diana Damrau verzichtete an diesem Abend auf ihre Gage, sondern auch ihr Mann, Nicolas Testé, französischer Bassbariton, der selbst Kenner der Vokalszene in Erstaunen versetzte. Sein großer Auftritt: Ferrandos Schauer-Erzählung aus Verdis „Troubadour“. Alles war da, was man sich wünscht von dieser Szene und von einem Bassbariton: männlicher, sonorer, textverständlicher, prägnanter Klang – und hier im speziellen Fall auch noch ein Schuss an Verschwörung, Dämonie, Demagogie. Große Klasse, melodisch eingängiger und nun mit Liebe wiederholt in der letzten offiziellen Nummer des Abends, Gershwins „Bess, you is my woman now“. Testé: der ruhige, souveräne, abgeklärte Bräutigam, Damrau, die strahlende, sängerisch jubilierende Braut. Im wirklichen Leben sind die beiden seit 2010 verheiratet; im siebten Ehejahr endete der „Porgy and Bess“-Song mit einem aufgefrischten Augsburger Honeymoon – mit einem finalen Kuss zum Schlussakkord – wobei die Initiative eindeutig von ihr ausging.
Und der dritte Musiker des Abends, dessen Brot der Applaus blieb, das war Dirigent Pavel Baleff, ein Mann für ziemlich direkte Effekte. Er animierte die Augsburger Philharmoniker nicht selten zu Schmackes und Tschingderassabum. Weniger an dynamischem Überschwang wäre mehr gewesen. Man hat die Philharmoniker unter ihrem Chef Domonkos Héja schon deutlich feiner und raffinierter gehört – so, wie den Opern- und Extrachor des veranstaltenden Theaters Augsburg in dieser vokalen Sternstunde. Baleff indessen kam zum Zug, weil er schon öfter mit – der erlesener agierenden – Diana Damrau konzertierte.
Ja, und die Versteigerung von fünf Konzertkostümen Diana Damraus in der Pause? Die scheidende Intendantin Juliane Votteler legte sich mächtig ins Zeug, pries die Haute Couture in den höchsten ihr zur Verfügung stehenden Tönen, erwies sich als glänzende Verkäuferin, traf auch mit dem Auktionshammer punktgenau – und nahm für das Hilfswerk „Kartei der Not“dieser Zeitung 3000 Euro ein.