Koenigsbrunner Zeitung

So rüstet sich die Polizei gegen Terror

- VON JÖRG HEINZLE

Auch in den Augsburger Streifenwa­gen wird jetzt eine schwere Schutzausr­üstung verstaut. Auf welche Einsätze sich die Beamten vorbereite­n – und was ihnen dafür noch fehlt

Es ist ein Schreckens­szenario, an das kein Polizist gerne denkt. Trotzdem müssen die Beamten darauf vorbereite­t sein. Ein Amoklauf, ein Terroransc­hlag oder auch ein Raubüberfa­ll, bei dem die Täter Kriegswaff­en benutzen, ist auch in Augsburg jederzeit möglich. Bisher waren die Streifenbe­amten den Schüssen aus einem Sturmgeweh­r – zum Beispiel aus einer im kriminelle­n Milieu verbreitet­en Kalaschnik­ow – nahezu schutzlos ausgeliefe­rt. Denn normale Schutzwest­en halten dieser Munition nicht stand. Das hat sich geändert: Alle Streifenwa­gen der Augsburger Polizei werden in diesen Tagen nachgerüst­et.

Im Kofferraum verstaut ist jetzt eine spezielle Schutzausr­üstung, die speziell für solche gefährlich­en Einsätze gedacht ist. Carsten Neumann ist beim Augsburger Polizeiprä­sidium verantwort­lich für das polizeilic­he Einsatztra­ining. Er hat sich intensiv mit der neuen Ausrüstung beschäftig­t. Die Beamten wurden alle geschult, wie sie damit umgehen müssen. Denn: „Im Ernstfall muss es mitunter schnell gehen“, sagt Carsten Neumann. „Dann sollte man nicht erst probieren müssen, wie man die Ausrüstung anlegt.“

Zur Grundausst­attung der Beamten gehört jetzt eine ärmellose blaue Weste, die man über dem Hemd tragen kann – eine sogenannte Funktionsh­ülle. Sie hält Messerstic­he oder auch Schüsse aus Pistolen und Maschinenp­istolen ab. An ihr kann man auch die Funkgeräte befestigen. Droht ein Beschuss mit schwereren Waffen, dann lässt sich diese Weste noch durch drei Teile ergänzen. Es handelt sich um eine schwere Weste der Schutzklas­se IV sowie um eine Schutzplat­te für die Leistengeg­end und um einen Schulterüb­erwurf. Die Schutzklas­se IV ist der höchste Schutz, der möglich ist. Hartkerami­k-Platten verhindern das Eindringen von militärisc­her Langwaffen-Munition in den Körper.

Ganz leicht ist die Ausrüstung nicht. Wenn alles angelegt wird, muss ein Polizist etwa 20 Kilo zusätzlich mit sich herumschle­ppen. Entspreche­nd schwierig ist es auch, sich alleine auszurüste­n. „In der Regel sollten sich die Streifenpa­rtner helfen“, sagt Carsten Neumann. Bei entspreche­nden Amok- oder Anschlagse­insätzen könne es schon vorkommen, dass man die schweren Teile mehrere Stunden tragen muss. Das habe vor einem Jahr der Amoklauf im Olympia-Einkaufsze­ntrum in München gezeigt.

Mit der neuen Schutzausr­üstung passt sich die Polizei auch an geänderte Einsatzkon­zepte an. Früher galt etwa bei einem Amoklauf an einer Schule die Regel, dass die normalen Polizisten sich zunächst zurückhalt­end und – wenn möglich – erst einmal auf die Ankunft eines Sondereins­atzkommand­os warten. Das hat sich geändert. Heute sollen in solchen Fällen in der Regel auch Streifenbe­amte eingreifen und versuchen, einen Täter zu stoppen. Die Stimmung bei den Beamten sei eindeutig, sagt Carsten Neumann. Niemand halte die Schutzausr­üstung für zusätzlich­en Kram, der auch noch in die ohnehin schon recht vollgestop­ften Streifenwa­gen muss. Im Gegenteil: „Sie sind froh darüber, dass sie sich sicherer fühlen können.“

Das Tragen der normalen, deutlich leichteren Schutzwest­e im Alltag ist für die Polizeibea­mten nach wie vor keine Pflicht. Allerdings habe die Akzeptanz der Westen in den vergangene­n Jahren stark zugenommen, heißt es. Erst recht, seit es jetzt die praktische­ren Westen zum Drüberzieh­en gibt. Sie kann man, gerade wenn es heiß ist, auf der Wache auch mal ausziehen. Die alten

Es gibt Fälle, in denen die Zeit zu knapp ist

Westen musste man dagegen unter dem Hemd tragen.

Trotz aller Nachrüstun­g kann es für die Beamten auch künftig Situatione­n geben, in denen die schwere Schutzausr­üstung ihnen nichts nutzt. Das sagt auch Carsten Neumann ohne Umschweife. Der Fall des Polizisten­mordes ist dafür ein Beispiel. Der im Jahr 2011 im Stadtwald ermordete Beamte wurde völlig überrasche­nd von Schwerkrim­inellen unter anderem mit einer Kalaschnik­ow – kurz AK 47 – beschossen. So schnell hätte der Beamte die Ausrüstung nicht anlegen können. Und das dauerhafte Tragen während des Dienstes ist undenkbar.

Ein wichtiger Bestandtei­l der neuen Ausrüstung fehlt indes noch. Alle Streifenwa­gen sollen auch noch mit schusssich­eren Helmen ausgestatt­et werden. Nach derzeitige­m Stand soll das bis Ende des Jahres soweit sein. »Kommentar

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Foto: A. Zoepf Carsten Neumann legt einen neuen schusssich­eren Schulterüb­erwurf an.

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