Koenigsbrunner Zeitung

Die Taufe der ersten fliegenden „Augsburg“

- VON FRANZ HÄUSSLER

Die Ehefrau von Bürgermeis­ter Ludwig Wegele begoss 1964 den Europa-Jet in München-Riem mit Sekt. Wohin der Jungfernfl­ug die Festgäste führte

Augsburg „Ich taufe dich auf den Namen Augsburg und wünsche dir allzeit einen guten Flug. Verbinde die Völker Europas und trage Freundscha­ft über die Grenzen.“Mit diesen Worten taufte am Mittwoch, 15. April 1964, Irene Wegele auf dem Flughafen München-Riem den ersten Europa-Jet der Lufthansa auf den Namen „Augsburg“. Die Gattin des Dritten Bürgermeis­ters und Kulturrefe­renten von Augsburg, Ludwig Wegele, durfte allerdings die Sektflasch­e nicht wie bei einer Schiffstau­fe am Flugzeugbu­g zerschelle­n, sondern musste sie auf die „Nase“entleeren.

Ludwig Wegele repräsenti­erte mit Amtskette die Patenstadt Augsburg. Er verwies auf die Bedeutung Augsburgs in der Entwicklun­g der Luftfahrt. Mit Augsburg seien die Namen Riedinger, Rumpler und Messerschm­itt untrennbar verbunden. „Zu keiner Zeitepoche in der Eroberung der Erde und der Luft ist Augsburg seinen Beitrag schuldig geblieben“, hob Ludwig Wegele die Verdienste Augsburgs als Luftfahrts­tadt hervor.

Die Ehrengäste aus Augsburg waren zusammen mit Lufthansa-Kunden aus Industrie und Wirtschaft in einem Bus zur Flugzeugta­ufe auf dem Flughafen München-Riem gefahren, wo vor der Halle 2 der feierliche Akt stattfand. Die Namensgebu­ng war nicht nur für Augsburg bedeutsam, sie fand auch in der internatio­nalen Presse ihren Niederschl­ag. Der Grund für diese Aufmerksam­keit: Die Lufthansa stellte mit der „Augsburg“den ersten dreistrahl­igen „Europa-Jet“vom Typ Boeing 727-030 in Dienst.

Die Boeing 727 war 1964 die modernste Maschine ihrer Art. Zudem war die „Augsburg“die erste aus den USA nach Europa ausgeliefe­rte Maschine dieses neu entwickelt­en Typs mit einer Reisegesch­windigkeit von rund 950 Stundenkil­ometern. Vor ihrer Taufe hatte die Maschine in Arizona einige Monate zur Umschulung von Lufthansa-Piloten gedient. Mit ihrer Indienstst­ellung in Deutschlan­d vollzog die Lufthansa den Übergang vom Propeller- Zeitalter zur Jet-Epoche. Die „Augsburg“habe neue Standards auf den Europastre­cken gesetzt, hob später ein Luftfahrt-Historiker die Bedeutung dieses 15. April 1964 hervor.

Die Festgäste waren unmittelba­r nach der Taufe zum Jungfernfl­ug in der neuen Maschine mit 96 Sitzen in Richtung Alpen geladen. Innsbruck wurde in nur 6500 Meter Höhe umkreist, es folgte eine Ehrenrunde um die Zugspitze, ehe der Flug zwischen Starnberge­r See und Ammer- see in Richtung Augsburg ging. Mit gedrosselt­en Turbinen überflog um 12.20 Uhr die frisch getaufte „Augsburg“in nur 1000 Meter Höhe das Rathaus ihrer namengeben­den Partnersta­dt.

Der Augsburger Unternehme­r und Vielfliege­r Ernst Jacobi (1913-1995) war bei der Taufe und beim Jungfernfl­ug dabei. Der leidenscha­ftliche Filmer und Fotograf hinterließ davon eine Diaserie. Tochter Margit verwahrte die Fotodokume­nte aus der Luftfahrtg­eschichte. Sie war 1961 Augsburger Faschingsp­rinzessin und ist seit 1964 mit ihrem damaligen Prinzen Eugen Brecheisen verheirate­t. Einen Tag nach der Taufe machte die „Augsburg“ihren ersten Linienflug nach Spanien. Berlin durfte die Lufthansa damals nicht anfliegen. Das war bis Oktober 1990 Fluggesell­schaften der Alliierten vorbehalte­n. Doch die Boeing 727 hatte in den 1960er-Jahren für den Luftverkeh­r mit Westberlin eine ganz besondere Bedeutung: Sie war der erste Passagier-Jet, mit dem die amerikanis­che Fluggesell­schaft PanAm auf dem Stadtflugh­afen Tempelhof landen konnte. Die „727“kam nämlich mit einer extrem kurzen Startund-Lande-Bahn aus.

Die bis in die 1980er-Jahre in etlichen Versionen gebaute Boeing 727 war zeitweise mit insgesamt 1832 Maschinen das meist gebaute Passagierf­lugzeug der Welt. Die Boeing 727 „Augsburg“mit den Kennbuchst­aben D-ABIB flog bei der Lufthansa zehn Jahre lang. Am 18. Juli 1974 wurde sie verkauft. Sie war bis dahin 16 313 Stunden in der Luft. Mit dem Verkauf verschwand zwar der Name „Augsburg“an der Maschine, doch die Partnersch­aft zwischen Lufthansa und Augsburg war damit nicht beendet: Es gab bald eine Nachfolger­in, die bis Ende der 1980er-Jahre bei Lufthansa flog.

Als dritte Lufthansa-Maschine bekam dann im Januar 1991 ein von EADS gebauter Airbus A 320-211 – Platzkapaz­ität 156 Passagiere, Reichweite 3200 Kilometer – den Namen „Augsburg“. Augsburg hat doppelte Beziehunge­n zu dieser zweistrahl­igen Maschine: „Wer in einen Airbus steigt, hat Augsburger Boden unter seinen Füßen“, ist ein geflügelte­s Wort bei den Augsburger Flugzeugba­uern. Teile des Airbus-Rumpfes wurden nämlich in Augsburg gefertigt.

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Fotos: Sammlung Häußler Am 15. Mai 1964 wurde die damals modernste Maschine der Lufthansa, eine dreistahli­ge Boeing 727, auf den Namen „Augsburg“getauft. Zehn Jahre trug sie den Namen.
 ??  ?? Bürgermeis­ter Ludwig Wegele hatte Augsburg Bildbände für die Crew der „Augs burg“mitgebrach­t.
Bürgermeis­ter Ludwig Wegele hatte Augsburg Bildbände für die Crew der „Augs burg“mitgebrach­t.
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Ein Bus mit der Aufschrift „Europa Jet Taufe Lufthansa“brachte die Augsburger Tauf gäste nach München Riem.

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