Die Taufe der ersten fliegenden „Augsburg“
Die Ehefrau von Bürgermeister Ludwig Wegele begoss 1964 den Europa-Jet in München-Riem mit Sekt. Wohin der Jungfernflug die Festgäste führte
Augsburg „Ich taufe dich auf den Namen Augsburg und wünsche dir allzeit einen guten Flug. Verbinde die Völker Europas und trage Freundschaft über die Grenzen.“Mit diesen Worten taufte am Mittwoch, 15. April 1964, Irene Wegele auf dem Flughafen München-Riem den ersten Europa-Jet der Lufthansa auf den Namen „Augsburg“. Die Gattin des Dritten Bürgermeisters und Kulturreferenten von Augsburg, Ludwig Wegele, durfte allerdings die Sektflasche nicht wie bei einer Schiffstaufe am Flugzeugbug zerschellen, sondern musste sie auf die „Nase“entleeren.
Ludwig Wegele repräsentierte mit Amtskette die Patenstadt Augsburg. Er verwies auf die Bedeutung Augsburgs in der Entwicklung der Luftfahrt. Mit Augsburg seien die Namen Riedinger, Rumpler und Messerschmitt untrennbar verbunden. „Zu keiner Zeitepoche in der Eroberung der Erde und der Luft ist Augsburg seinen Beitrag schuldig geblieben“, hob Ludwig Wegele die Verdienste Augsburgs als Luftfahrtstadt hervor.
Die Ehrengäste aus Augsburg waren zusammen mit Lufthansa-Kunden aus Industrie und Wirtschaft in einem Bus zur Flugzeugtaufe auf dem Flughafen München-Riem gefahren, wo vor der Halle 2 der feierliche Akt stattfand. Die Namensgebung war nicht nur für Augsburg bedeutsam, sie fand auch in der internationalen Presse ihren Niederschlag. Der Grund für diese Aufmerksamkeit: Die Lufthansa stellte mit der „Augsburg“den ersten dreistrahligen „Europa-Jet“vom Typ Boeing 727-030 in Dienst.
Die Boeing 727 war 1964 die modernste Maschine ihrer Art. Zudem war die „Augsburg“die erste aus den USA nach Europa ausgelieferte Maschine dieses neu entwickelten Typs mit einer Reisegeschwindigkeit von rund 950 Stundenkilometern. Vor ihrer Taufe hatte die Maschine in Arizona einige Monate zur Umschulung von Lufthansa-Piloten gedient. Mit ihrer Indienststellung in Deutschland vollzog die Lufthansa den Übergang vom Propeller- Zeitalter zur Jet-Epoche. Die „Augsburg“habe neue Standards auf den Europastrecken gesetzt, hob später ein Luftfahrt-Historiker die Bedeutung dieses 15. April 1964 hervor.
Die Festgäste waren unmittelbar nach der Taufe zum Jungfernflug in der neuen Maschine mit 96 Sitzen in Richtung Alpen geladen. Innsbruck wurde in nur 6500 Meter Höhe umkreist, es folgte eine Ehrenrunde um die Zugspitze, ehe der Flug zwischen Starnberger See und Ammer- see in Richtung Augsburg ging. Mit gedrosselten Turbinen überflog um 12.20 Uhr die frisch getaufte „Augsburg“in nur 1000 Meter Höhe das Rathaus ihrer namengebenden Partnerstadt.
Der Augsburger Unternehmer und Vielflieger Ernst Jacobi (1913-1995) war bei der Taufe und beim Jungfernflug dabei. Der leidenschaftliche Filmer und Fotograf hinterließ davon eine Diaserie. Tochter Margit verwahrte die Fotodokumente aus der Luftfahrtgeschichte. Sie war 1961 Augsburger Faschingsprinzessin und ist seit 1964 mit ihrem damaligen Prinzen Eugen Brecheisen verheiratet. Einen Tag nach der Taufe machte die „Augsburg“ihren ersten Linienflug nach Spanien. Berlin durfte die Lufthansa damals nicht anfliegen. Das war bis Oktober 1990 Fluggesellschaften der Alliierten vorbehalten. Doch die Boeing 727 hatte in den 1960er-Jahren für den Luftverkehr mit Westberlin eine ganz besondere Bedeutung: Sie war der erste Passagier-Jet, mit dem die amerikanische Fluggesellschaft PanAm auf dem Stadtflughafen Tempelhof landen konnte. Die „727“kam nämlich mit einer extrem kurzen Startund-Lande-Bahn aus.
Die bis in die 1980er-Jahre in etlichen Versionen gebaute Boeing 727 war zeitweise mit insgesamt 1832 Maschinen das meist gebaute Passagierflugzeug der Welt. Die Boeing 727 „Augsburg“mit den Kennbuchstaben D-ABIB flog bei der Lufthansa zehn Jahre lang. Am 18. Juli 1974 wurde sie verkauft. Sie war bis dahin 16 313 Stunden in der Luft. Mit dem Verkauf verschwand zwar der Name „Augsburg“an der Maschine, doch die Partnerschaft zwischen Lufthansa und Augsburg war damit nicht beendet: Es gab bald eine Nachfolgerin, die bis Ende der 1980er-Jahre bei Lufthansa flog.
Als dritte Lufthansa-Maschine bekam dann im Januar 1991 ein von EADS gebauter Airbus A 320-211 – Platzkapazität 156 Passagiere, Reichweite 3200 Kilometer – den Namen „Augsburg“. Augsburg hat doppelte Beziehungen zu dieser zweistrahligen Maschine: „Wer in einen Airbus steigt, hat Augsburger Boden unter seinen Füßen“, ist ein geflügeltes Wort bei den Augsburger Flugzeugbauern. Teile des Airbus-Rumpfes wurden nämlich in Augsburg gefertigt.